Mögliche Konflikte im Scrum-Team

In einem Scrum-Projekt kann sich kein Projektmitarbeiter verstecken. Die Leistung jedes einzelnen Teammitglieds wird sehr schnell sichtbar und bewertbar. Denn jeder muss bei Daily Scrum erläutern, was er getan hat und wie er vorankommt.

Wenn es Verzögerungen gibt, weil ein Teammitglied seine Aufgaben nicht rechtzeitig erledigt, dann kommen auch die anderen nicht voran. Die vorgebrachten und die tatsächlichen Gründe für Verzögerungen im Arbeitsablauf werden in täglichen Besprechungen offensichtlich, weil sie offen und direkt besprochen werden.

Diese Transparenz und das direkte Feedback zu den eigenen Arbeitsergebnissen kann zu Problemen und Konflikten führen:

  • Manche kommen mit der direkten Kritik nicht zurecht; sie fühlen sich angegriffen.
  • Dadurch können latente oder offene Konflikte entstehen. 
  • Das erschwert die Kommunikation; die Mitglieder im Team sprechen nicht genug miteinander.
  • Die Motivation sinkt; im Projekt geht es nicht mehr richtig voran.
  • Teilaufgaben werden hin und her geschoben.

Die Folgen können sein, dass das Team nicht mehr gemeinsam an der Zielerreichung arbeitet oder dass einzelne Mitarbeiter das Team verlassen.

Andere Konflikt- und Reibungspotenziale ergeben sich dann, wenn einzelne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter das Projektteam dominieren. Sie setzen ihre Interessen und Meinungen durch, ohne dass diese im Sinne des Projekterfolgs richtig sein müssen. Hier gibt es zu wenig Korrekturmöglichkeiten, da das Team ja selbstbestimmt arbeiten soll und auch der Scrum-Master nicht eingreifen darf.

Wie Sie ein Scrum-Team zusammenführen

Um die Stimmung im Team zu verbessern, ist es wichtig, dass die Teammitglieder möglichst rasch (wieder) zusammenfinden. Sie müssen eine gemeinsame Arbeitsweise entwickeln, die für alle Teammitglieder akzeptabel ist. Alle sollen dazu beitragen, dass Konflikte konstruktiv bearbeitet und gelöst und die Projektziele erreicht werden. Es muss Teamentwicklung geben.

Oft durchläuft ein Team, dessen Mitglieder sich im Rahmen eines Projekts zusammenfinden, mehrere Phasen, die sogenannten Teamentwicklungsphasen. Das sind:

  1. Forming: Jeder muss seine Rolle finden. Die Teammitglieder wollen sich kennenlernen und halten sich noch zurück.
  2. Storming: Es entstehen Konflikte und Machtkämpfe, die immer häufiger offen ausgetragen werden.
  3. Norming: Es werden gemeinsam Normen und Regeln für die Zusammenarbeit im Projektteam festgelegt.
  4. Performing: Das Team hat sich und seinen Rhythmus gefunden. Es wird jetzt produktiv und selbstbestimmt gearbeitet. Meinungsverschiedenheiten und Konflikte werden konstruktiv und sachlich gelöst.

Projektleiter verlieren ihren Status

Eine Projektleitung im klassischen Sinn gibt es in einem Scrum-Projekt nicht. Stattdessen gibt es den sogenannten Scrum Master oder Project Master. Hat die Projektleitung beim klassischen Projektmanagement eine zentrale Rolle und Führungsfunktion und laufen bei ihr alle Fäden zusammen, so hat der Scrum Master beim agilen Projektmanagement nur die Rolle eines Trainers, Moderators oder Coachs.

Deshalb fühlen sich Projektleiterinnen und Projektleiter, die das klassische Projektmanagement kennen, in ihrer Bedeutung zurückgesetzt. Projektmanagement nach der „Methode Scrum“ ist kein Feld, auf dem man sich für den nächsten Karriereschritt empfehlen kann.

Wofür Scrum sich eignet – und wofür weniger

Scrum ist in Projekten entstanden, in denen es um die Entwicklung von Software ging. Dementsprechend sind agile Methoden des Projektmanagements auf solche Projekte ausgerichtet, in denen Produkte oder Dienstleistungen entwickelt werden oder in denen durch die IT-Abteilung im Unternehmen eine Technologie eingeführt wird.

Projekte zur Organisationsentwicklung, zum Change-Management oder für die Personalentwicklung haben oft kein genau beschreibbares Ergebnis, das ein Produkteigner abnehmen könnte. Hier lassen sich allenfalls Teilaufgaben mit den agilen Methoden bearbeiten.

Welche Rahmenbedingungen Scrum erschweren

Manchmal sind es die organisatorischen Rahmenbedingungen im Unternehmen, die agiles Projektmanagement erschweren. Das kann beispielsweise sein:

  • Das Projektteam ist räumlich getrennt und kann sich nicht täglich treffen.
  • Spezialisten stehen nur für eine begrenzte Zeit oder nur in eingeschränktem Umfang zur Verfügung.
  • Die Kundenanforderungen bleiben unklar; der Produkteigner kann die Anforderungen nicht genau artikulieren, weil der direkte Kontakt zu Anwendern und Kunden nicht möglich ist.

Fehlendes Vertrauen durch Management und Geschäftsleitung

Besonders kritisch ist, wenn das Management im Unternehmen nicht hinter diesem radikalen Paradigmenwechsel des Projektmanagements steht. Es muss darauf vertrauen, dass die Projektteams selbstverantwortlich arbeiten und dass am Ende das rauskommt, was sie erwarten. Ein solcher Vertrauensvorschuss für die Mitarbeitenden und ein so hohes Maß an Autonomie, das passt nicht zu jeder Unternehmenskultur und auch nicht zu jeder Führungspersönlichkeit.

Agiles Projektmanagement setzt demnach eine ganz andere Sichtweise auf die Projektorganisation eines Unternehmens voraus. Ohne eine entsprechende Organisationskultur, die auf Vertrauen, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein setzt, und ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neben der Fachkompetenz auch soziale und methodische Qualifikationen benötigen, wird sich ein Unternehmen mit agilen Konzepten schwertun.

Warum sich Scrum trotz potenzieller Schwierigkeiten lohnt

Wer diese Barrieren überwindet, eine förderliche Organisationskultur schafft und die Mitarbeitenden dafür gewinnen kann, der erntet mit dem agilen Projektmanagement besonderen Erfolg. Wie beim schlanken Management wird bei der agilen Vorgehensweise zumeist die Qualität der Ergebnisse verbessert, und weniger Ressourcen werden verschwendet.

Alle fokussieren sich auf das Wesentliche. Die Produktivität steigt, aber auch die Zufriedenheit der Kunden und der Stakeholder. Die ständige und regelmäßige Kommunikation fördert die Transparenz. Engpässe werden schnell erkannt und können beseitigt werden. So kommt das Projekt insgesamt schneller voran.

Praxis

Zusammenarbeit im Scrum-Team überprüfen

Klären Sie regelmäßig, wie die Stimmung im Scrum-Team ist. Fragen Sie bei der täglichen Teambesprechung, wie die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter die persönliche Zusammenarbeit und das Vorankommen im Projekt einschätzen.

Teamentwicklung voranbringen

Überprüfen Sie den Zusammenhalt in Ihrem Scrum-Team. In welcher Phase der Teamentwicklung befindet sich das Projektteam? Stellen Sie fest, wie gut das Team zusammenarbeitet, wie sich die einzelnen Mitglieder einbringen und halten Sie dies in der folgenden Vorlage fest. Damit können Sie abschätzen, ob Maßnahmen für die Teamentwicklung notwendig sind.

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