Kapitel 118: Kunden zurückgewinnenWie Sie Kundenrückgewinnung planen und im Unternehmen organisieren

Sie sollten immer wissen, warum Kunden Ihr Unternehmen verlassen. Dazu müssen Sie die Kundenanalyse und die Kundenrückgewinnung als Prozess definieren und dafür sorgen, dass die dafür notwendigen Aufgaben umgesetzt werden? Was sind die einzelnen Prozessschritte zur Kundenrückgewinnung? Und welche Aufgaben sind dabei zu erledigen?

Kundenpflege und Kundenrückgewinnung organisieren

Wenn Sie verlorene Kunden zurückgewinnen wollen, dann müssen Sie den Prozess der Kundenrückgewinnung in Ihrem Unternehmen definieren, einrichten und verankern. Im Folgenden sind die dafür wichtigen Prozessschritte und ihre Merkmale erläutert. Damit organisieren Sie Kundenpflege und Kundenrückgewinnung. Grundlage sind die Aktivitäten, die Sie im Rahmen Ihres (bestehenden) Kundenbeziehungsmanagements durchführen.

Abgesehen vom Einzelfall eines abgewanderten Kunden müssen regelmäßig Aufgaben im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagements durchgeführt werden, auf denen die Maßnahmen zur Kundenrückgewinnung dann aufbauen.

Ziele festlegen

Zunächst werden die Ziele zur Kundenbeziehung im Allgemeinen und dann zur Kundenrückgewinnung im Besonderen bestimmt. Was soll mit den entsprechenden Aktivitäten erreicht werden? Beispiele für Ziele sind: Umsatz steigern, Kundenwert steigern, Akquisitionskosten senken, Marktanteile sichern etc.

Aufgaben definieren

Daraus leiten sich die übergreifenden Aufgaben des Kundenbeziehungsmanagements ab:

  • Pflege der Kontaktdaten
  • Sammeln weiterer Informationen über die Kunden, die von Bedeutung sein können
  • Dafür: Einrichten eines Informationssystems für die Kundenrückgewinnung
  • Entwicklung von attraktiven Angeboten für die Kundenbindung und die Kundenrückgewinnung

Vorgehensweise bei der Kundenrückgewinnung

Im Folgenden geht es um die Vorgehensweise oder den Prozess, der im Unternehmen starten und ablaufen sollte, wenn ein Kunde als abgewanderter Kunde identifiziert wird. Die einzelnen Prozessschritte sind:

1. Auslöser oder Anlässe zur Kundenrückgewinnung definieren

Legen Sie fest, durch welches Ereignis der Prozess der Kundenrückgewinnung ausgelöst wird. Was muss passieren oder was muss ein Kunde tun, damit er ein Kandidat für die Kundenrückgewinnung wird? Beispiele für Auslöser können sein:

  • letzte Bestellung des Kunden ist länger als 6 Monate her
  • Umsatz mit dem Kunden sinkt auf 50 Prozent des Maximalwerts
  • Kunde nimmt sein Produkt X aus seinem Programm (für das Ihr Unternehmen wichtiger Zulieferer war)
  • Kunde droht Kündigung des Liefervertrags an
  • Kunde kündigt Liefervertrag
  • Liefervertrag mit dem Kunden läuft aus
  • Kunde kauft bei einem anderen Lieferanten
  • Kunde zieht weg

Stellen Sie sicher, dass solche Signale in Ihrem Unternehmen erkannt werden. Definieren Sie dafür die entsprechenden Aufgaben zur Kundenbeobachtung und versorgen Sie über Ihr Informationssystem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den relevanten Informationen. Damit ist auch der Kunde selbst identifiziert, der von Ihrem Unternehmen abwandert.

2. Kundenwert ermitteln

Ist der Kunde als ein abgewanderter oder abwanderungswilliger Kunde identifiziert, wird geprüft, ob sich die Rückgewinnung oder Bindung dieses Kunden lohnt. Dazu wird der bisherige Kundenwert überprüft. Im Idealfall liegt dieser bereits vor, ansonsten wird er jetzt ermittelt aus Faktoren wie: Umsatz mit dem Kunden (pro Jahr), Deckungsbeitrag oder strategische Bedeutung des Kunden für Ihr Unternehmen.

Dann wird der zukünftige Kundenwert abgeschätzt, der sich mit dem Kunden erreichen lässt, wenn er dem Unternehmen erhalten bleibt. Möglicherweise spielen weitere Faktoren eine Rolle, warum sich die Rückgewinnung dieses Kunden lohnt. Möglich sind auch indirekte Effekte und Ausstrahlung auf den Markt, Wettbewerber und andere Kunden, die mit der Kundenabwanderung verbunden sind.

Am Ende dieses Prozessschritts steht die Entscheidung: Kundenrückgewinnung ist anzustreben – oder: ist nicht anzustreben.

3. Abwanderungsgründe identifizieren und analysieren

Die Bedeutung der Abwanderungsgründe wurde bereits (in den vorigen Abschnitten dieses Handbuch-Kapitels) erläutert. Sie gilt es nun für den vorliegenden Einzelfall zu identifizieren. Hilfreich kann ein hinterlegtes Kategoriensystem sein.

Um die jeweils kundenspezifischen Gründe für die Abwanderung zu bestimmen, muss der Kunde selbst oder ein Mitarbeiter im Vertrieb befragt werden. Das kann mithilfe eines Fragebogens oder eines teilstandardisierten Interviews erfolgen. Dabei ist zu prüfen, inwieweit die Angaben aus der Befragung glaubwürdig sind und dem tatsächlichen Sachverhalt entsprechen.

4. Maßnahmen und Aktionen zur Kundenrückgewinnung planen und durchführen

In Abhängigkeit von den Ergebnissen der Abwanderungsanalyse werden dann konkrete Maßnahmen und Aktionen zur Kundenrückgewinnung geplant und durchgeführt. In diesem Prozessschritt geht es darum, festzulegen:

  • wie der Kunde angesprochen werden soll: per Telefon, per E-Mail oder Brief, persönlich durch einen Außendienstmitarbeiter; standardisiert oder individualisiert
  • was die Inhalte und der Fokus des Gesprächs sein sollen
  • wann der Kunde dazu am besten kontaktiert wird
  • welche konkreten Angebote oder Anreize der Kunde erhält, um wieder zum Unternehmen zurückzukehren

Zur Klärung kann ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden, aus dem sich der für die Kundenrückgewinnung verantwortliche Mitarbeiter die aus seiner Sicht wirksamen Maßnahmen herauspickt. Er kann zum Beispiel alternative Angebote machen, Rabatte einräumen, eine Rückkehrprämie anbieten und vieles mehr (siehe Liste der Beispiele im vorigen Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels).

Falls ein Qualitätsmangel oder Unzufriedenheit mit dem Service zur Kündigung führte, kann der Kunde ein direktes Angebot erhalten, durch das sein Problem gelöst und seine Unzufriedenheit reduziert wird.

5. Vertrauen bestätigen

Ist es Ihnen gelungen, einen verlorenen Kunden wieder für Ihr Unternehmen zu gewinnen, dann müssen Sie das Versprechen, das Sie damit gegeben haben – „Wir werden Sie nicht enttäuschen!“ – unbedingt einhalten. Machen Sie mit den ersten Geschäften, die Sie mit diesem Kunden abwickeln, unmissverständlich klar, dass er zu Recht zu Ihrem Unternehmen zurückgekommen ist.

Also keine Lieferverspätungen, keine Qualitätsmängel, kein Frust mit dem Service, einfache Abwicklung, offen für Fragen, keine versteckten Kosten. Sonst ist der Kunde wirklich für immer weg.

6. Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen

Im letzten Schritt wird überprüft, ob die durchgeführten Maßnahmen und Aktivitäten der Kundenrückgewinnung wirksam sind; ob der Kunde also wieder einen Vertrag abschließt und ob er wieder mehr oder häufiger kauft. Ist dies nicht der Fall, sollten Sie prüfen, ob die Maßnahmen richtig ausgewählt wurden oder das Timing richtig war. Vielleicht ist der Kunde im Moment für eine Rückgewinnung noch nicht empfänglich, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Der einfachste Indikator lautet: Kunde kauft wieder.

Bei einer genaueren Erfolgskontrolle ermitteln Sie in Bezug auf Ihre Maßnahmen zur Kundenrückgewinnung:

  • Umsatz nach der Rückgewinnungsaktion
  • Anzahl der Bestellungen
  • Lebensdauer des Kunden nach Rückgewinnung (bis er wieder oder endgültig abwandert)

Überprüfen Sie, ob die Maßnahmen die erwünschten Erfolge in Bezug auf die von Ihnen vorgegebenen und übergeordneten Ziele zum Kundenbeziehungsmanagement zeigen. Kennzahlen zur Beurteilung der Kundenrückgewinnung können sein:

  • Rückgewinnungskosten
  • Anteil der zurückgewonnenen Kunden an allen abgewanderten Kunden
  • zusätzlicher Umsatz durch zurück gewonnene Kunden

Weiterbildung und Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter

Achten Sie besonders darauf, dass die für die Kundenrückgewinnung verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die notwendigen Kompetenzen mitbringen. Sorgen Sie für ein angemessenes Training. Die wichtigen Aspekte und Lernziele für diese Trainings sind:

  • Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten aufgrund der vorliegenden Informationen erkennen können, warum ein Kunde abgewandert ist. Sie sollten die wichtigen Gründe identifizieren und beurteilen können.
  • Daraus müssen sie die passenden Maßnahmen ableiten können, mit denen ein Kunde wieder zurückgewonnen werden kann.
  • Zudem müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich ihrer Kommunikationskompetenz trainiert werden: Sie müssen den Kunden richtig ansprechen (persönlich, telefonisch, per E-Mail oder Brief).
  • Außerdem müssen sie die richtigen Worte finden und die Angebote und Anreize in der richtigen Art vermitteln, um den Kunden vom Unternehmen und seinen Leistungen wieder zu überzeugen – oder zumindest ein positives Bild zurücklassen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine besondere Empathie für ihre Kunden mitbringen, eignen sich am besten für die Rückgewinnung. Sie sind unvoreingenommen und ihr Antrieb ist, dem Kunden zu helfen.

Sie wissen, dass Ihr Unternehmen diese Kunden zuvor nicht verstanden, vergessen, verärgert oder gelangweilt hat – und sie wollen das wiedergutmachen. Sie bringen dem Kunden (wieder) die notwendige Wertschätzung entgegen. Und viele Kunden spüren das und sind deshalb bereit, wieder zurückzukommen.

Praxis

Aufgaben zur Kundenrückgewinnung festlegen und Aktivitäten organisieren

Klären Sie, wie Sie die Aufgaben zur Kundenrückgewinnung in Ihrem Unternehmen organisieren, wer dafür die Verantwortung trägt und welche einzelnen Aktionen dafür durchgeführt werden müssen.

Definieren und planen Sie den Prozess für die Kundenrückgewinnung in Ihrem Unternehmen. Legen Sie die einzelnen Prozessschritte und die Aufgaben fest und stellen Sie sicher, dass die Informationsversorgung der mit der Kundenrückgewinnung betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter funktioniert.

Nutzen Sie dazu die folgende Vorlage.

Nutzen Sie für die Prozessplanung und Prozessgestaltung außerdem die ausführlichen Erläuterungen und Vorlagen im Handbuch-Kapitel Prozessmanagement.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Kundenrückgewinnung auswählen und qualifizieren

Erarbeiten Sie einen Qualifizierungsplan für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Kundenrückgewinnung. Dazu finden Sie Erläuterungen und Vorlagen unter: Berufliche Fortbildung und Weiterbildung und Personalentwicklungskonzept erstellen.

Ob Ihr Prozess und Ihre Maßnahmen zur Kundenrückgewinnung funktionieren und ob sie die erwarteten Erfolge mit sich bringen, müssen Sie im Rahmen von Kontrollen und Evaluation der Aktivitäten regelmäßig überprüfen. Im folgenden Abschnitt des Handbuch-Kapitels erfahren Sie, wie Sie ein passendes Controlling-System für die Kundenrückgewinnung etablieren.

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