Kapitel 105: Führungskompetenz entwickelnTypische Führungsprobleme

Viele Führungskräfte managen im Führungsalltag zu wenig und wenden sich stattdessen eher fachlichen Aufgaben zu. Doch wer beispielsweise Konflikte scheut oder zu wenig mit seinen Mitarbeitenden redet, wird seinen Aufgaben als Führungskraft nicht gerecht. Mit fatalen Folgen.

Typische Führungsschwäche: Führungskräfte führen und managen zu wenig

Eine häufige Schwäche von Führungskräften im Führungsalltag: Sie führen und managen zu wenig. Viele Führungskräfte gehen ihren Führungsaufgaben aus dem Weg und beschäftigen sich lieber mit fachlichen Aufgaben. Denn das haben sie ja viele Jahre sehr gut gemacht und sich genau dort profiliert.

Zudem wird häufig als Führungsparadigma gepredigt, dass sich Führungskräfte möglichst wenig in die Arbeit ihrer Mitarbeitenden einmischen sollten. Diese seien selbst verantwortlich und kompetent, um alle Aufgaben richtig zu erledigen.

Doch bei Führung und Management geht es gerade nicht darum, sich laufend in Fachaufgaben einzumischen, sondern Führungsaufgaben wahrzunehmen. Die meiste Arbeitszeit muss eine Führungskraft für Abstimmungen, Koordination, Zielbesprechungen, Planung, Ressourcenbeschaffung und Motivation investieren.

Aus einem falschen Führungsverhalten entsteht eine Reihe von Problemen, die sich in der Arbeit der Führungskraft selbst, aber auch in der Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kollegen aus anderen Abteilungen und Vorgesetzten, Geschäftsleitung oder Vorstand, zeigen. Führungskräfte tappen häufig in die folgenden Problemfelder und Fallen.

Die Führungskraft macht keine klaren Vorgaben

Die Führungskraft vermittelt keine Ziele, gibt keine Richtung vor, setzt keine Prioritäten und lässt ihre Mitarbeitenden allein vor sich hin werkeln. Die Mutigen unter den Mitarbeitenden entscheiden dann selbst, machen, was sie für richtig halten, und gehen nach dem Prinzip vor: „Lieber im Nachhinein um Verzeihung bitten, als im Vorhinein um Erlaubnis.“

Die Ängstlichen trauen sich nicht, fragen ständig nach oder delegieren die Aufgaben gleich zurück an ihre Vorgesetzten. Typische Folgen sind:

  • Wenn die Mitarbeiter ohne klare Vorgaben selbst aktiv werden, kommen häufig Fehler vor. Die Führungskraft muss dann eingreifen, korrigieren, verbessern und auch noch den Mitarbeiter besänftigen, weil der von der Kritik frustriert ist.
  • Die Führungskraft wird ständig gestört, in alles hineingezogen, muss sich viel um das operative Geschäft kümmern und die Arbeit tun, die eigentlich bei den Mitarbeitenden besser aufgehoben wäre.

Die Führungskraft will ein netter Mensch sein

Die Führungskraft hat eine Vorgesetztenfunktion. Sie muss Anweisungen geben, Entscheidungen treffen, die Arbeit überwachen, die Mitarbeitenden unterstützen. Das setzt Autorität voraus. Und Autorität entwickelt sich nur, wenn man sie auch gebraucht.

Das heißt nicht, dass Führungskräfte andere herumkommandieren und drangsalieren sollen. Sie dürfen nicht willkürlich, ungerecht, gemein oder beleidigend sein, also ihre Macht ausspielen, um ihr Ego unter Beweis zu stellen. Als Führungskraft sollten Sie eine positive Autorität sein, die

  • Entscheidungen trifft
  • Anweisungen gibt (wenn es nötig ist)
  • Mitarbeitende zur Verantwortung zieht
  • selbst ein Vorbild ist

Die Führungskraft scheut Konflikte

Viele Führungskräfte tun sich schwer, wenn sie Konflikte zwischen ihren Mitarbeitenden lösen sollen. Sie nehmen Konflikte nicht wahr oder verdrängen sie so lange, bis es zu spät ist. Ist ein Konflikt unter Mitarbeitenden eskaliert, kann auch der Vorgesetzte nur noch schwer als Vermittler auftreten.

Auch wenn er eine sachliche Lösung finden will, wird er nicht mehr als neutraler Vermittler gesehen. Die Streithähne wollen ihn zu ihrem Verbündeten machen oder erklären ihn gleichfalls zum Feind. Als Führungskraft sollten Sie bewährte Methoden des Konfliktmanagements kennen und

  • erkennen, um welche Art von Konflikt es sich handelt
  • Konfliktpotenziale und Konflikte rechtzeitig wahrnehmen
  • mit gezielten Fragen Konflikte analysieren
  • die Phase erkennen, in der sich der Konflikt befindet
  • die passende Vorgehensweise wählen, um den Konflikt zu bearbeiten und zu lösen

Die Führungskraft ist zu wenig vor Ort

Wenn Führungskräfte zu wenig vor Ort sind und zu wenig mit den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reden, beklagen sich diese häufig: „Den Chef (die Chefin) erreicht man ja nie. Er (sie) ist ständig unterwegs.“ Gründe dafür können sein:

  • Die Führungskraft zieht sich zurück, um nicht Chef oder Chefin sein zu müssen, um Konflikten aus dem Weg zu gehen und um nicht ständig gestört zu werden.
  • Die Führungskraft ist immer unterwegs in Besprechungen mit Kollegen aus anderen Abteilungen, mit dem Top-Management oder mit Kunden und Partnern.

Die Folge: Die Führungskraft versäumt es, sich selbst ein Bild von der Arbeit in der eigenen Abteilung zu machen, um dann bessere Entscheidungen zu treffen und den Mitarbeitenden klare und angemessene Ziele zu vermitteln. Diese können ihre Fragen und Probleme nicht loswerden, bekommen kein Feedback, werden zu wenig gelobt und sind deshalb demotiviert.

Die Führungskraft kümmert sich nicht um die Motivation im Team

Führungskräfte achten zu wenig darauf, wie motiviert ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Im schlimmsten Fall demotivieren sie, indem sie ein Klima von Angst und Druck erzeugen. Noch immer gibt es viele Führungskräfte, die Mitarbeitende grundsätzlich für faul und fordernd halten. Solche Vorgesetzten meinen: Wenn sie die Mitarbeitenden nicht ständig überwachen und psychisch unter Druck setzen, werden diese ihre Arbeit nicht tun.

Andere meinen, man müsse nur mehr Gehalt, höheren Status oder andere Vorteile (Incentives) in Aussicht stellen und schon seien die Mitarbeitenden ausreichend motiviert. Wieder andere nutzen Psycho-Tricks oder Manipulation, sie appellieren ans Unterbewusstsein der Mitarbeitenden oder reizen grundlegende Motive bei Menschen wie Sicherheit, Geborgenheit, Spieltrieb, Wettbewerb oder Abenteuerlust.

Es gibt einen langen Streit darüber, ob Führungskräfte ihre Mitarbeitenden überhaupt motivieren können – und wenn ja, ob sie es dürfen. Denn Manipulation und Anreize können Nebenwirkungen haben oder nachlassen. Führungskräfte können aber immer einen Beitrag dazu leisten, dass die Mitarbeitende ihre eigene Motivation behalten und einsetzen. Dazu zählen beispielsweise:

  • positives Arbeitsklima schaffen
  • Respekt und Anerkennung zeigen
  • neue, herausfordernde und angemessene Aufgaben übergeben
  • auf die Stärken der Mitarbeitenden setzen
  • Erfolgserlebnisse herbeiführen

Die Führungskraft ist selbst schlecht organisiert

Führungskräfte müssen viele und komplexe Aufgaben erledigen, sie haben ein hohes Arbeitspensum und werden häufig gestört. Gerade deshalb brauchen sie ein gutes Selbstmanagement, Zeitmanagement und eine gute Organisation am Arbeitsplatz. Häufige Fehler, die sich als Führungsschwächen äußern, sind:

  • planen ihre wichtigen Aufgaben zu wenig
  • bündeln ihre Aufgaben nicht
  • haben keine klaren Arbeitsprozesse
  • haben einen unaufgeräumten Schreibtisch
  • leiten Besprechungen nicht ergebnisorientiert

Die Führungskraft macht andere für Fehler verantwortlich

Es gibt Führungskräfte, die die Verantwortung bei anderen suchen, wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen läuft. Sie meinen zum Beispiel, die eigenen Mitarbeitenden seien zu schlecht, die Budgets seien zu gering und die Geschäftsleitung unterstütze sie nicht. Außerdem gebe es mit anderen Abteilungen nur Ärger, man ziehe nicht am selben Strang und zudem verhalten sich die Lieferanten und Kunden nicht so, wie es geplant war.

Die Folge: Das Lamentieren über solche Probleme verstellt den Blick auf mögliche Lösungen. Denn es legt nahe, dass die Führungskraft selbst ja gar nichts zur Lösung beitragen kann. Sie bleibt im Destruktiven verhaftet, statt sich um Konstruktives zu bemühen.

Die Führungskraft traut sich selbst wenig zu

Wenn sich Führungskräfte selbst überfordert fühlen, wird ihnen oft gesagt: Führungskompetenz sei eine angeborene Kompetenz. Dieses Talent habe man oder habe es nicht. Es lasse sich nicht erlernen. Und irgendwann resignieren diese Führungskräfte: Man habe wohl nicht das richtige „Führungs-Gen“ in sich.

Doch viele Führungskompetenzen basieren nicht nur auf Talent; es müssen auch Wissen und Erfahrung dazukommen. Und diese lassen sich erwerben.

Praxis

Eigenes Führungsverhalten analysieren

Sie kennen nun einige der wichtigen Problemfelder, in denen viele Führungskräfte des mittleren Managements gefangen sind – oder dies zumindest meinen. Nicht alle Probleme lassen sich einfach lösen. Viele verlangen harte Arbeit oder eben die Entwicklung der eigenen Führungskompetenz.

Am Anfang steht die ehrliche Analyse: Wo stehe ich als Führungskraft? Überprüfen Sie als Führungskraft Ihr eigenes Führungsverhalten:

  • Welche oben genannten Problemfelder halten Sie für relevant?
  • Wo erkennen Sie selbstkritisch Ihre Schwächen?
  • Was haben Sie gut gelöst?
  • Wie wird Ihr Führungsverhalten von anderen aus Ihrem beruflichen Umfeld bewertet?

Gehen Sie in der folgenden Vorlage die Aspekte der Führung sowie typische Fallen bei der Mitarbeiterführung durch und überprüfen Sie Ihr eigenes Führungsverhalten in diesen Bereichen.

Um ein Bild von Ihrem Führungsverhalten zu bekommen, vervollständigen Sie die folgenden Sätze – zuerst spontan und dann noch einmal nach genauer Überlegung. Seien Sie in jedem Fall ehrlich zu sich:

  • In der Zusammenarbeit mit anderen ist mir besonders wichtig, dass ...
  • Von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarte ich, dass ...
  • Wenn Mitarbeitende Fehler machen, dann ...
  • Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können mir vertrauen, weil ...
  • Bei meiner Arbeit ist mir wichtig, dass ...
  • Bei meiner Arbeit lege ich besonderen Wert auf ...
  • Als Führungskraft kann ich besonders gut ...
  • Als Führungskraft kann ich nicht so gut ...
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