Warum Überstunden schädlich sein können

In den meisten Unternehmen gelten Überstunden als etwas Positives, weil Mitarbeitende durch geleistete Mehrstunden vermeintlich zeigen: Ich bin motiviert, fleißig und leistungsfähig.

Werden die zusätzlichen Arbeitsstunden unentgeltlich geleistet, glauben Arbeitgeber, dass ihr Unternehmen profitiert, weil Mitarbeitende ihre Arbeitskraft teilweise kostenlose zur Verfügung stellen. Der tatsächliche Stundenlohn sinkt; Unternehmen sparen Geld in Form von Lohnkosten für Personal, das sie aufgrund der geleisteten Überstunden nicht brauchen.

Was einige Unternehmen nicht bedenken:

  • Überstunden signalisieren häufig auf einen akuten und somit riskanten Personalmangel. Die Personalkapazität ist bis auf die letzte Stunde ausgeschöpft, es gibt keine Reserven für weitere Aufträge.
  • Überstunden fallen oft dann an, wenn Aufgaben schlecht verteilt sind oder wenn Mitarbeitende ihre Arbeitszeit schlecht einteilen.
  • Mitarbeitende schöpfen ihre Energiereserven aus und können sich aufgrund mangelnder Erholung nicht regenerieren.
  • Das Privat- und Familienleben leidet bei vielen Überstunden. Die Zufriedenheit sinkt, weil ein Ausgleich fehlt.

Durch zu viele Überstunden können gesundheitliche Folgen entstehen, welche sich wiederum negativ auf das Unternehmen auswirken:

  • Arbeitnehmer fallen häufiger krankheitsbedingt aus.
  • Ändert sich an der Situation nichts, wechseln sie den Arbeitgeber.
  • Anhaltende Erschöpfung beeinträchtigt die Arbeitsergebnisse.

Realistisch ist: Kaum jemand kann über einen langen Zeitraum mehr als acht Arbeitsstunden pro Tag kreative Meisterleistungen vollbringen, schwer körperlich arbeiten oder zufriedenstellende Lösungen für komplexe Sachverhalte finden.

Welche Gründe es für Überstunden gibt

Wenn Führungskräfte die Ursachen für Überstunden kennen, können sie aktiv darauf hinwirken, das Arbeitspensum für Einzelne zu verringern. Zudem sollten Sie herausfinden: Leisten viele oder sogar alle Mitarbeitenden Überstunden? Oder stechen einzelne Personen hervor?

Häufige Gründe für Mehrarbeit sind die folgenden:

Im Unternehmen begründete Faktoren für Überstunden

  • (zusätzliche) Sonderprojekte
  • (zu knappe) Fristen
  • hohe Fehlzeiten- oder Krankheitsquote
  • Urlaubszeit
  • Personalmangel

Persönliche Faktoren für Überstunden

  • hohe Motivation und damit einhergehender Wunsch, sich zu „beweisen“
  • ausgeprägtes Verantwortungsgefühl und Pflichtgefühl gegenüber Kollegen, Kunden oder dem Unternehmen
  • fachliche Überforderung und daraus resultierend ein unangemessen hoher Zeitaufwand
  • ineffiziente Arbeitsweise oder schlechtes Zeitmanagement
  • Prokrastination: statt die reguläre Arbeitszeit zu nutzen, holen Mitarbeitende die anderweitig verschwendete Zeit durch Überstunden nach

Führungskräfte können auf die meisten der genannten Faktoren Einfluss nehmen, um die Zahl der geleisteten Überstunden zu verringern.

Wann Überstunden normal sind

Wer Überstunden leistet, arbeitet nicht automatisch ineffizient oder hat ein schlechtes Zeitmanagement. Gerade in Führungsposition und auf der Managementebene sind Überstunden bis zu einem gewissen Grad normal.

Überstunden sind außerdem kein Problem, wenn die folgenden Bedingungen gelten:

  • Mehrarbeit kommt nur selten und aus einem zeitlich begrenzten Grund vor.
  • Die Überstunden sind bezahlt oder werden durch Freizeit ausgeglichen.
  • Es handelt sich nicht um eine Teilzeitstelle.

Woran Führungskräfte zu viele Überstunden erkennen

Treten die folgenden Warnsignale auf, greifen Sie ein:

Anhaltend hoher Krankenstand: Steigt die Krankheitsquote, kann das auf eine Überlastung der Mitarbeitenden hindeuten. Der daraus folgende Personalmangel belastet wiederum jene Teammitglieder, die Kolleginnen und Kollegen vertreten müssen.

Schlechte Grundstimmung im Team: Wirken Ihre Mitarbeitenden häufiger gereizt, tragen nur wenig zur Kommunikation der Gruppe bei oder nehmen nicht mehr an sozialen Events (Grillabende, Treffen in der Kaffeeküche …) teil?

Auch schnippische Kommentare, knappe Antworten und ironische Zwischentöne können auf eine Überlastung oder auf Unzufriedenheit aufgrund von Überstunden hindeuten.

Direkte Beschwerden: Vertrauen Mitarbeitende ihrer Führungskraft, wenden diese sich bei akuter Überlastung an die Chefin oder den Chef. Spätestens jetzt sollten Sie handeln.

Wie Sie auf gesammelte Überstunden reagieren

Wenn Ihre Mitarbeitenden bereits zu viele Überstunden geleistet haben, werden Sie umgehend aktiv. Bedanken Sie sich für die geleisteten Arbeitsstunden und schätzen Sie den besonderen Einsatz ausdrücklich.

Sorgen Sie außerdem dafür, dass die Überstunden ausgeglichen werden – in Form von Freizeit oder finanziell. Kommen aus Unternehmenssicht beide Optionen infrage, darf sich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter für eine entscheiden.

Noch besser: Dulden Sie gar nicht erst, dass Ihre Mitarbeitenden Überstunden ansammeln.

Wie Sie zu viele Überstunden vermeiden

So schützen Sie Ihre Mitarbeitenden vor Mehrarbeit:

Wiederkehrende Muster identifizieren

In manchen Branchen steigt die Belastung je nach Jahreszeit. Werfen Sie einen Blick zurück auf die vergangenen Jahre:

  • Wann war der Arbeitsaufwand ungewöhnlich hoch?
  • Zeichnet sich ein wiederkehrendes Muster ab?
  • Können sie daraus ableiten, ob und wann die Belastung in der Zukunft hoch sein wird?

Wenn Sie diese Fragen beantwortet haben, leiten Sie daraus Maßnahmen ab: Planen Sie etwa den Einsatz von Zeitarbeitskräften im Voraus. Legen Sie bei der Urlaubsplanung Wert darauf, dass Urlaub während Zeiten mit absehbar höherem Arbeitsaufwand nur in Ausnahmefällen genommen werden kann.

Gründe analysieren

Gehen Sie den wahren Ursachen für die Überstunden auf den Grund. Sind die Mitarbeitenden objektiv betrachtet überlastet? Oder ist die Zusammenarbeit im Team ineffizient? Eventuell lohnen sich Coachings für ein besseres Zeitmanagement, eine andere Aufgabenverteilung oder eine Neuaufstellung und Qualifizierung des Teams.

Prioritäten setzen und Strukturen optimieren

Prüfen Sie:

  • Wird die Pro-Kopf-Arbeitszeit sinnvoll eingesetzt?
  • Sind die aufwendigen Aufgaben wirklich die wichtigsten?

Loten Sie die Prioritäten neu aus – am besten gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden. Diese können oft am besten einschätzen, ob sich der hohe Aufwand an dieser oder jener Stelle wirklich lohnt.

Manche internen Prozesse sind unnötig zeitaufwendig; diese gilt es zu identifizieren. Treten Sie im Bedarfsfall an die Geschäftsführung heran und bitten Sie etwa um ressourcenschonende, zeitsparende Tools oder optimieren Sie die Arbeitsabläufe in Ihrem Team.

Offene Kommunikation fördern

Fragen Sie bei regelmäßigen Terminen nach:

  • Wie geht es den Mitarbeitenden?
  • Können alle ihr aktuelles Arbeitspensum bewältigen?

Bitten Sie Ihre Mitarbeitenden ausdrücklich darum, dass sie bei einer zu großen Arbeitslast zuerst das Gespräch mit Ihnen suchen, bevor (vermehrt) Überstunden geleistet werden. Gemeinsam entscheiden Sie dann, ob die Überstunden wirklich angebracht sind oder das Problem anders gelöst werden kann.

Personalmangel vermeiden, Wachstum ausgleichen

Wächst das Unternehmen, entsteht aufgrund der gestiegenen Kundenzahlen, wegen zusätzlicher Aufträge oder durch neue Produkte ein Mehraufwand. Suchen Sie frühzeitig nach geeignetem Personal, das die zusätzlichen Aufgaben zeitnah ausführen kann.

Wenn Sie zum Beispiel wegen des Fachkräftemangels Stellen nicht sofort besetzen können, greifen Sie auf freie Mitarbeitende oder Zeitarbeitskräfte zurück. Steht ein Pool oder Netzwerk aus externen Arbeitskräften zur Verfügung, können Sie flexibel auf einen gestiegenen Arbeitsaufwand reagieren.

Sonderfall: Überstunden im Homeoffice

Bei Mitarbeitenden im Homeoffice fällt es Führungskräften schwer, Überstunden überhaupt als solche zu erkennen. Folgende Anzeichen deuten auf Überstunden am heimischen Arbeitsplatz hin:

E-Mails werden sehr früh morgens oder sehr spät abends beantwortet. Dieses Verhalten kann auf Überstunden hindeuten, sofern keine (Ihnen bekannte) persönliche Vorlieben hinter diesen Arbeitszeiten stecken.

Mitarbeitende erscheinen zu spät zu Terminen oder antworten stark verzögert auf Anfragen seitens ihrer Kollegen. Dieses Verhalten kann auf eine akute Überforderung oder eine generelle Übermüdung durch zu viele Überstunden hindeuten.

Gerade mit Mitarbeitenden im Homeoffice werden nicht nur fachliche sowie organisatorische Themen regelmäßig besprochen, sondern auch geklärt, ob sie das Arbeitspensum gut bewältigen können.

Fragen Sie direkt nach, ob

  • sich Mitarbeitende den Aufgaben fachlich sowie zeitlich gewachsen fühlen,
  • Hilfe von Kollegen benötigen und
  • die Arbeitszeiten (meistens) entsprechend der eigenen Vorlieben gestaltet sowie eingeteilt werden können.
Praxis

Gesetzliche Regelungen einhalten

Sie als Führungskraft sollten die geltenden gesetzlichen Regelungen zu Überstunden kennen und beachten. Die folgende Checkliste hilft dabei, wichtige Regeln selbst einzuhalten und Mitarbeitende zur Einhaltung aufzufordern.

Überstunden erfassen

Erfassen Sie mit der folgenden Excel-Vorlage die geleisteten Überstunden, um sie anschließend auszuwerten. Die Ergebnisse werden in Pivot-Charts (Diagramme) dargestellt. Sie sehen auf einen Blick:

  • Warum werden Überstunden geleistet?
  • Wann und wo fallen die Überstunden (hauptsächlich) an?
  • Wer leistet Überstunden und in welchem Ausmaß?
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