Kapitel 201: Krisenmanagement, Turnaround und InsolvenzverfahrenUrsachen einer Unternehmenskrise und ihr Verlauf

Unternehmen geraten in die Krise, wenn sie Veränderungen in ihren Märkten und ihrer Branche nicht wahrnehmen oder verdrängen oder wenn das Management strategisch falsch entscheidet und operativ schlecht agiert. Wenn in der ersten Krisenphase nichts getan wird, steht am Ende oft ein Sanierungsplan.

Jedes Unternehmen kann in eine Krise geraten

Wenn ein Unternehmen in eine wirtschaftlich turbulente Situation gerät, hat sich dies meistens schon seit längerer Zeit angekündigt. Doch oft werden die Krisensignale von den Verantwortlichen ignoriert oder falsch interpretiert. Und wenn Zahlungsunfähigkeit droht, ist es zu spät. Dann ist der Antrag auf ein Insolvenzverfahren unausweichlich.

Aus der Sicht der Ökonomie ist dies ein natürlicher Vorgang: So wie neue Unternehmen gegründet werden, so beenden andere ihr Dasein. Unzählige Beispiele von großen und kleinen Unternehmen zeigen: Keines ist vor einer Krise sicher. Aber mit einem frühzeitigen Krisenmanagement kann man sie bewältigen. Denn eine Krise muss nicht hingenommen werden. Wer sie rechtzeitig erkennt und aktiv wird, kann vielleicht sogar gestärkt daraus hervor gehen.

Stichwort

Krise

Eine Krise bedeutet eine Zuspitzung von problematischen Ereignissen, die schwerwiegende Folgen haben können. Sie bezeichnet einen Wendepunkt einer Entwicklung. Die Krise von Unternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass sie

  • schwer beherrschbar ist;
  • die Aufmerksamkeit von Akteuren auf sich zieht;
  • den Fortgang der Entwicklung stark beeinträchtigt;
  • bewältigt werden oder
  • in die Insolvenz führen kann.

Gründe für eine Unternehmenskrise

Nicht immer sind es externe Gründe wie eine schlechte Konjunktur, Naturereignisse oder sich plötzlich ändernde politische Rahmenbedingungen, die zu einer Krise führen. Viele sind „hausgemacht“ und die Folge von Fehlern in der Unternehmensführung. Dazu zählen zum Beispiel:

  • falsche Entscheidungen bei der Besetzung von Führungspositionen
  • falsche Einschätzung der Marktentwicklung
  • Missachtung neuer Wettbewerber oder neuer Technologien für die eigene Branche
  • Verschuldung für den Kauf eines anderen Unternehmens oder bei einem Zusammenschluss
  • Verlust der Kundenorientierung
  • Fehler bei der Gestaltung des Produktprogramms
  • falsche Entscheidungen bei technologischer Ausstattung, Rohstoffsicherung, Standortwahl, finanzieller Ausstattung oder bei Betriebsabläufen
  • Mängel bei Organisation, Planung und Information

Oft kommen mehrere Faktoren zusammen und verstärken sich gegenseitig. Wenn es der Wirtschaft insgesamt nicht gut geht oder wenn die Branche eine Umwälzung durchmacht, dann werden die Handlungsspielräume enger. Eine Fehlentscheidung kann dann schnell in die Krise führen. Besonders problematisch ist, dass sich die Folgen von Fehlentscheidungen erst viel später zeigen. Krisen kommen meistens schleichend. Und wenn sich erste schwache Signale zeigen, dann werden sie vom Management zu wenig wahrgenommen.

Drei Phasen der Unternehmenskrise

Die möglichen Gründe für eine Unternehmenskrise zeigen, dass diese sich nach und nach entwickelt – mal schneller, mal langsamer. Der Fortgang einer Unternehmenskrise lässt sich in drei Phasen unterteilen:

  1. Strategische Krise: Die Strategie funktioniert im Wettbewerb nicht mehr.
  2. Ergebniskrise: Gewinne brechen ein und Verluste werden angehäuft.
  3. Liquiditätskrise: Finanzmittel werden knapp, Zahlungsunfähigkeit droht oder tritt ein.

Das Problem ist, dass nur schwer erkennbar ist, wenn die Strategie nicht mehr stimmt, also die erste Phase einsetzt. Die Krisensymptome sind schwach ausgeprägt. Dabei haben die Unternehmen hier oft noch genügend Handlungsspielraum, um gegenzusteuern. Je weniger das geschieht, desto mehr baut sich der Handlungsdruck auf. Und am Ende gibt es fast keine Alternativen mehr, um dem Gang zum Insolvenzgericht zu entgehen. Abbildung 1 zeigt diese Zusammenhänge auf.

Abbildung 1: Krisenarten und Krisenverlauf im Unternehmen
Quelle: Roland Berger Strategy Consultants

Strategische Fehlentscheidungen

Am Anfang stehen strategische Defizite in der Geschäftsstruktur und Marktposition des Unternehmens. Sie zeigen folgende Symptome:

  • Unternehmen in einer strategischen Krise sind in ihrem Marktsegment nur Mitläufer.
  • Sie haben keine Wettbewerbsvorteile mehr, die sie von anderen unterscheidet.
  • Ein Großteil des Umsatzes wird in nur einem Geschäftsfeld erzielt; andere Geschäftsfelder sind oft nur Verlustbringer.

Besonders riskant ist, wenn das Produktportfolio erweitert werden soll. Das Unternehmen investiert enorme Summen in neue Produkte oder ganz neue Geschäftsfelder. Oft kennt es sich in der entsprechenden Branche kaum aus, hat keinen Bezug zu potenziellen Kunden.

Noch ein Risikofaktor sind Mergers & Acquisitions. Gehen zwei Unternehmen zusammen, dann wird das vom Management als strategisch weitsichtig verkauft. Produktpaletten würden sich ideal ergänzen, Skaleneffekte würden für mehr Effizienz sorgen und beim Kostensparen helfen. Doch häufig passiert genau das Gegenteil: Die Unternehmen finden nicht zusammen, die Mitarbeiter wehren sich, das Image leidet, versteckte Risiken des Partners müssen bewältigt werden und am Ende steht eine verlustreiche Scheidung oder ein Verkauf.

Fehlende Managementkompetenz

Manche Ursachen für Krisen zeigen sich schon in den einfachsten Dingen: Vielen Unternehmern fehlt es an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Sie haben eine große fachliche Kompetenz, sind aber nicht in der Lage, ein Unternehmen zu führen. Sie begehen handwerkliche Fehler im Bereich Rechnungswesen und Organisation. So haben manche kleinen Unternehmen oder Selbstständige keine ordentliche Buchführung oder Finanzplanung. Da werden Außenstände nicht rechtzeitig eingetrieben oder unnötige Lagerbestände aufgebaut (hohes Umlaufvermögen). Weitere Managementfehler sind:

  • Planungsfehler
  • Kalkulationsfehler bei Aufträgen
  • falsche Einschätzung von Markt- und Kundenbedürfnissen
  • fehlende Investitionsplanung
  • Qualitätsmängel bei Produkten oder Dienstleistungen
  • veraltete Produkte
  • nicht erkannte Markttrends

Der Sanierungsplan zeigt Wege aus der Unternehmenskrise

Wenn ein Unternehmen in eine Krisensituation gerät, muss das verantwortliche Management aktiv werden. Es muss insbesondere folgende Fragen klären:

  • Kann das Unternehmen die Krisensituation überwinden?
  • Welche Maßnahmen muss es dafür umsetzen?
  • Welche finanzwirtschaftlichen Effekte haben die Krisensituation und die notwendigen Maßnahmen?

Um diese Fragen angemessen zu beantworten, ist es in der Ergebnis- und spätestens in der Liquiditätskrise ein Sanierungsplan notwendig. Dort sind die kurz- und mittelfristigen Maßnahmen ausführlich erläutert, die aus der Krise führen sollen. Zudem wird im Sanierungsplan ermittelt, welche Auswirkungen die Maßnahmen auf die Liquidität (Zahlungsfähigkeit) sowie Umsatz, Kosten und Gewinn haben sollen. Ob die Sanierung erfolgreich ist und der Turnaround gelingt, ist aber nicht gewiss.

Hinweis

Sanierungsgutachten nach IDW-Standard S6

Oft wird von Banken oder anderen wichtigen Stakeholdern ein Sanierungsplan für das Unternehmen in der Krise gefordert. Um zu prüfen, ob ein Sanierungsplan Aussicht auf Erfolg hat, wird dazu ein Sanierungsgutachten erstellt. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat dafür den IDW-Standard S6 entwickelt, in dem die Inhalte und Anforderungen an ein Sanierungsgutachten benannt sind.

Praxis

Prüfen Sie für Ihr Unternehmen:

  • Welche kritischen Situationen oder Krisen haben Sie bereits durchgemacht?
  • Was waren die Ursachen?
  • Welche strategischen Risiken können für Ihr Unternehmen eine Rolle spielen?

Überprüfen Sie die Situation Ihres Unternehmens und die Bedingungen in Ihrer Branche anhand der Kriterien in der folgenden Vorlage.

Schätzen Sie dann ein:

  • Wie beurteil Sie die Potenziale und Kompetenzen Ihres Unternehmens und Ihres Managements, um eine Krisensituation zu bewältigen?
  • Welche Ressourcen stehen dafür zur Verfügung?
  • Wie viel Zeit bleibt für die Umsetzung eines Krisen- oder Sanierungsplans?
  • Wie ist Ihr Unternehmen auf eine Krisensituation vorbereitet?

Je früher Sie eine drohende Krise erkennen und aktiv werden, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Deshalb sollten Sie ein Radarsystem einrichten, um Krisensignale wahrzunehmen und im Unternehmen zu nutzen. Wie Sie dazu vorgehen und auf welche Signale Sie achten sollten, lesen Sie im folgenden Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels.

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