Meinungsverschiedenheit oder Konflikt

Konflikte beginnen meist unterschwellig und versteckt. Nur die direkt Beteiligten merken, dass ein Konflikt besteht, und oft nehmen selbst sie dies nicht gleich als einen Konflikt wahr. Um die negativen Folgen zu begrenzen, sollten Konflikte möglichst schnell erkannt werden.

Doch Vorsicht: Nicht jede Meinungsverschiedenheit und nicht jeder Interessengegensatz muss ein Konflikt sein. Wer hier vorschnell einen Konflikt diagnostiziert und in die Konfliktbehandlung einsteigt, kann manchmal auch Öl ins Feuer gießen. Eine gute Führungskraft wägt ab und erkennt, wann ihr Handeln im Sinne des Konfliktmanagements geboten ist.

Um einen Konflikt zu erkennen, zu bearbeiten und zu lösen, ist es hilfreich, die möglichen Konfliktursachen, die unterschiedlichen Konfliktarten und die Konfliktebenen zu kennen.

Mögliche Konfliktursachen

Für das Erkennen von Konflikten ist hilfreich, zu wissen, dass es sehr unterschiedliche Ursachen für Konflikte geben kann. Beispiele für Konfliktursachen sind:

  • Durch schlechte Kommunikation oder Informationsdefizite kommt es zu Missverständnissen.
  • Mitarbeitende sind aufeinander angewiesen, um ihre Aufgaben zu erfüllen; doch der andere macht seine Arbeit nicht so, wie erwartet.
  • Mitarbeitende fühlen sich ungerecht behandelt, andere werden bevorzugt oder Entscheidungen sind nicht nachvollziehbar.
  • Kollegen und vor allem Vorgesetzte können Kritik nicht konstruktiv und angemessen formulieren; es herrscht eine schlechte Kritikkultur.
  • Persönlichkeiten passen nicht zueinander; Werte, Einstellungen, Verhaltensweisen oder das persönliche Auftreten stören den anderen.
  • Ein Mitarbeiter greift den anderen (absichtlich oder unabsichtlich) in seiner Persönlichkeit an.
  • Es gibt Kämpfe um Macht und Einfluss im Unternehmen; Mitarbeiter schmücken sich mit den Leistungen anderer oder machen diese schlecht.
  • Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortung sind nicht klar geregelt; sie werden hin und her geschoben.
  • Es wird um knappe Ressourcen, zum Beispiel um Budgets, Mitarbeitende oder die Unterstützung durch die Geschäftsleitung, gekämpft.

Diese möglichen Situationen, die in Unternehmen immer wieder vorkommen, müssen nicht gleich zum Konflikt führen. Erst wenn eine Konfliktpartei direkt versucht, die Handlungsmöglichkeiten der anderen zu beeinträchtigen, sie zu stören, wenn sie Druck ausübt oder Drohungen ausspricht, dann sind das klare Signale für einen Konflikt.

Manchmal sind es auch Lappalien oder Nebensächlichkeiten, die einen Konflikt auslösen können. Sie sind aber selten die eigentlichen Ursachen. Dahinter stecken dann andere, verdeckte Gründe für den Konflikt. Diese müssen erst gefunden werden.

Konfliktarten

Je nach Ursache, Verlauf und prägenden Merkmalen eines Konflikts lassen sich Konfliktarten unterscheiden. Häufige Konfliktarten sind:

  • Interessenkonflikte
  • Zielkonflikte
  • Ressourcen- oder Verteilungskonflikte
  • Rollenkonflikte
  • Wertekonflikte
  • Beziehungskonflikte
  • Machtkonflikte

Konfliktebenen

Schließlich haben Konflikte unterschiedliche Inhalte oder Ebenen, auf denen sie ablaufen. Es lassen sich drei Ebenen für Konflikte unterscheiden:

  • rationale Ebene: die Sache, um die es geht
  • emotionale Ebene: die Gefühle der Personen, die beteiligt sind
  • soziale Ebene: die Beziehung zwischen den beteiligten Personen

Diese Unterscheidung ist hilfreich bei der Konfliktanalyse und Konfliktbearbeitung, denn oft können die einzelnen Konfliktebenen getrennt voneinander behandelt und gelöst werden.

Beispiel

Die Ebenen eines Konflikts

Herr Müller und Frau Meyer haben einen Konflikt, wer von beiden abends länger im Büro bleibt, um eingehende Anfragen zu bearbeiten:

Herr Müller behauptet, dass meistens Frau Meyer früher gehe (Sache).

Dabei wirft Frau Meyer Herrn Müller vor, er ziehe ohnehin immer nur die interessanten Fälle an sich und nörgle dauernd herum (Gefühl).

Bei einem klärenden Gespräch stellt sich heraus, dass Herr Müller aus familiären Gründen auch öfter früher nach Hause muss und auf die Unterstützung von Frau Meyer angewiesen ist (Beziehung).

Auf die Beziehung zwischen den Betroffenen achten

Konflikte, die vor allem durch die Sache und unterschiedliche Interessen geprägt sind, lassen sich im Allgemeinen einfacher lösen als Konflikte, die auf persönlichen Gefühlen oder auf der Beziehung zu einer anderen Person beruhen. Beziehungskonflikte entstehen meist dadurch, dass

  • zwei Menschen einfach nicht zusammenpassen oder
  • ein bestimmter Vorfall dazu geführt hat, dass zwei Personen in Konflikt geraten.

Gerade dann, wenn man eine andere Person in ihrer Persönlichkeit absichtlich oder unabsichtlich verletzt hat, sie bloßgestellt hat, sind die Gräben tief. Hier liegen die Ursachen im Verhalten der Personen selbst. Was die Bewältigung so schwer macht: Die Menschen sind in ihrem Innersten verletzt. Und dieser Schaden lässt sich nur sehr schwer reparieren.

Hinzu kommt, dass die eine Partei der anderen vorschreiben will, wie sie sich verhalten soll. Sie greift damit auch in die Persönlichkeit von anderen Menschen ein. Doch die lässt sich nicht verändern – und soll sich auch nicht ändern! Alle „erzieherischen Maßnahmen“ sind fruchtlos und verschärfen die Konflikte meist.

Konfliktsignale wahrnehmen

Menschen können ihre Konflikte auf verschiedene Weise sichtbar machen: Sie

  • haben laute Gefühlsausbrüche,
  • schreien den anderen an,
  • explodieren im direkten Kontakt mit der Konfliktpartei,
  • ereifern sich,
  • sprechen Drohungen aus,
  • üben Druck auf andere aus,
  • stören erheblich die Zusammenarbeit oder den Ablauf,
  • versuchen andere Personen auf ihre Seite zu bringen oder
  • setzen sich über alle Regeln hinweg.

Andere sind enttäuscht, desillusioniert und frustriert. Sie ziehen sich zurück, gehen anderen aus dem Weg. Sie behindern und blockieren, wo sie nur können, verstecken sich hinter Formalien und Regelungen oder äußern sich sarkastisch und zynisch oder gar nicht mehr.

Gerade dann, wenn sich eine Konfliktpartei zurückzieht, ist der Konflikt nur schwer zu erkennen. Hier müssen Sie besonders sensibel auf versteckte Signale achten.

Praxis

Konfliktpotenziale und Konfliktsignale erkennen

Bestimmen Sie das Konfliktpotenzial in Ihrem Unternehmen. Erinnern Sie sich dazu an vergangene Konflikte:

  • Um welche Themen ging es bei den Konflikten?
  • Welcher Ebene, Sache, Emotion oder Beziehung, ordnen Sie die Konflikte zu?
  • Welche Folgen hatten die Konflikte?
  • Wie werden Konflikte bislang gelöst?
  • Gibt es eine verantwortliche Person oder Regeln zur Konfliktlösung in Ihrem Unternehmen?
  • Wo gibt es Defizite bei der Konfliktbewältigung?
  • Wann wird ein Konflikt verhandelt?
  • Wie zufrieden waren die Konfliktparteien mit der Lösung?
  • Wie beschreiben Sie die Konfliktkultur in Ihrem Unternehmen?

Erkennen Sie künftige Konflikte rechtzeitig und schätzen Sie diese richtig ein. Überprüfen Sie einen aktuellen Konflikt anhand folgender Kontrollfragen:

  • Worum geht es Ihrer Meinung nach bei dem Konflikt?
  • Welche Signale in Form von Verhaltensweisen oder Äußerungen der Betroffenen zeigen, dass es sich um einen Konflikt handelt?
  • Welche Risiken bestehen für das Unternehmen durch den Konflikt?
  • Wie bewerten Sie den Konflikt?
  • Muss etwas getan werden oder kommen die Betroffenen selbst zu einer Lösung?

Beschreiben und erläutern Sie die Situation, soweit Sie diese schon erkennen können. Nutzen Sie dafür die folgenden Vorlagen.

Bevor Sie den Konflikt lösen können, müssen Sie ihn besser verstehen. Dazu gehören die Motive der beteiligten Parteien, Konfliktursachen und die Bereitschaft aller, eine Lösung zu finden. Dazu analysieren Sie die Konfliktsituation.

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