SelbstreflexionGute Führungskräfte erkennen zuerst sich selbst

Indem sie sich selbst bewusst werden, lernen Manager das Verhalten ihrer Mitarbeiter besser zu verstehen. Sie bewerten weniger und führen besser.

Enstehen Insolvenzen immer nur durch schlechtes Wirtschaften oder äußere Krisen? Dieser Frage ist bereits vor einigen Jahren der Kreditversicherer Euler Hermes in Kooperation mit der Universität Mannheim in einer Studie nachgegangen. Das Ergebnis der Befragung von 125 Insolvenzverwaltern: 57 Prozent waren der Ansicht, eine autoritäre beziehungsweise rigide Führung sei der Grund für Insolvenzen. Damit wurde ein direkter Zusammenhang von Pleiten und praktiziertem Führungsstil sichtbar. Heraus kam, dass nur die wenigsten Führungskräfte mittelständischer Unternehmen ihre eigene Führungskompetenz überhaupt jemals ins Zentrum ihrer Überlegungen rücken.

Führung orientiert sich zu sehr an der Erfüllung von Aufgaben

Dabei gilt autoritäre Führung in Fachkreisen als eher ineffizient, wie schon der ehemalige Geschäftsführer der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, Daniel Pinnow, in einem Interview mit dem Südkurier klarstellte. Führungskräfte müssten Orientierung geben, den Mut haben, Entscheidungen zu fällen und Ziele erreichen können. Allerdings ginge das alles nicht ohne eine wichtige und universelle Basis: die Wertschätzung und den Respekt gegenüber den Menschen, also den Mitarbeitern. Denn am Ende seien die es, die die Strategien der Führungskräfte umsetzen. „Ich muss die Menschen mitreißen, dann bekomme ich ihre Motivation, ihr Know-how und ihre Kreativität zurück“, so Pinnow im Interview.

Führung ist die zielgerichtete Gestaltung, Steuerung und Überwachung einer Unternehmung beziehungsweise Organisation als sozio-technisches System im Hinblick auf sachbezogene und personenorientierte Dimensionen. Diese eher wissenschaftlich-nüchterne Definition stellt die Bereiche „Sache“ und „Person“ als zwei unterschiedliche, aber dennoch gleichwertige Teilbereiche nebeneinander. Doch mit den Personen, sprich den Mitarbeitern, scheinen es gerade deutsche Führungskräfte nicht so zu haben. Felix Brodbeck, Professor für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universtität (LMU) in München, stellt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung eine typisch deutsche Führungskultur fest: Führung hierzulande läuft eher aufgaben- statt personalorientiert ab.

Direktive Führung kommt nicht gut an

Das bedeutet: Möglichst konkrete Ziele aufstellen und durch Kontrolle und Anreize versuchen, diese zu erreichen. Dies belegt auch die Studie „Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness“, kurz GLOBE, bei der Brodbeck und seine Mitarbeiter 17.000 Manager der mittleren Führungsebene in 62 Ländern nach den Merkmalen einer guten Führungskraft befragt hatten. Es kam heraus, dass Führungskräfte, die motivieren und Mitarbeiter bei der Erledigung ihrer Aufgaben und ihrer Entwicklung unterstützen, in der Minderheit sind. „Im internationalen Vergleich besticht die deutsche Führungskultur durch eine hohe Leistungs- und Zukunftsorientierung, aber auch ein hohes Maß an Unsicherheitsvermeidung zulasten von Innovation und Experimentierfreudigkeit", sagt Brodbeck.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Untersuchung der internationalen Unternehmensberatung Hay Group, die weltweit 95.000 Führungskräfte aus über 2.200 Unternehmen zu ihren Führungssstilen befragte und dabei eigenen Angaben zufolge sechs solcher Stile identifiziert hat:

  • Direktiv: Der Vorgesetzte erwartet, dass der Mitarbeiter seine Anweisungen uneingeschränkt befolgt.
  • Visionär: Der Vorgesetzte entwickelt den Mitarbeiter langfristig und zeigt ihm Perspektiven auf.
  • Zusammenhalt fördernd: Der Vorgesetzte legt viel Wert auf ein harmonisches Miteinander.
  • Partizipativ: Der Vorgesetzte legt Wert auf das gemeinsame Entwickeln von Ideen.
  • Perfektionistisch: Der Vorgesetzte erwartet Aufgabenerfüllung auf höchstem Niveau.
  • Coachend: Der Vorgesetzte legt Wert auf die berufliche Entwicklung der Angestellten.

Je mehr unterschiedliche Führungsstile ein Manager praktiziere, desto besser sei das Unternehmensklima, das er schafft, so die Autoren der Studie. Die Praxis sehe jedoch anders aus: Nur jeder dritte Chef in Deutschland sorge für ein leistungsförderndes oder motivierendes Arbeitsklima, fast die Hälfte der Manager jedoch für ein demotivierendes. Der Untersuchung zufolge liegt das am derzeit dominierenden direktiven Führungsstil: Vorgesetzte erwarten die uneingeschränkte Befolgung ihrer Anweisungen. Für Kreativität und Eigeninitiative von Mitarbeitern sei das Gift, meint auch Thomas Gruhle, Mitglied der Geschäftsleitung der Hay Group in der dazugehörigen Presseinformation.

Führungskräfte müssen sich ihrer selbst bewusst werden

Götz Werner, der Gründer der Drogeriemarktkette dm, hat eine einfache und gleichzeitig eigenwillige Vorstellung von dem, was eine gute Führungskraft ausmacht: Wer gut führen kann, befähigt andere dazu, sich selbst zu führen. Im Mittelpunkt dieser Philosophie steht der Mensch, der sich als Führungskraft zunächst einmal selbst begreifen muss, um dann erfolgreich auch auf seine Mitarbeiter wirken und auch einwirken zu können. Um Authentizität zu erlangen, muss sich die Führungskraft ihrer selbst bewusst werden, muss mittels eines kooperativ-partnerschaftlichen Stils eine Arbeitsatmosphäre schaffen, die die Kreativität der Mitarbeiter fördert und sich am Team orientiert. Vor allem aber muss sie eine kritische Distanz zur eigenen Person behalten.

Nach dieser Auffassung sollen alle Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, aus eigener Einsicht heraus zu handeln. Voraussetzung: Sie haben überhaupt die Möglichkeit und finden die entsprechenden Bedingungen im Unternehmen vor, Dinge mitzugestalten. Christian Harms, geschäftsführender Mitarbeiter und Arbeitsdirektor beim Drogeriekonzern, erläutert in einem Interview mit dem Online-Portal qm-web.de: „Sicher ist das Menschenbild wesentlich, das hinter einer Unternehmenskultur steht und das gelebt wird: Sehe ich meine Kolleginnen und Kollegen als Menschen und Beteiligte oder als Untergebene? Und entscheidend ist auch die Antwort auf die Frage: Sind die Mitarbeiter für das Unternehmen da oder ist das Unternehmen für die Mitarbeiter da?“

Empathie ist eine wichtige Führungseigenschaft

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Verständnis von Führung in Unternehmen noch ein ganz anderes – der Chef war die oberste Respektsperson und praktizierte den für die damalige Zeit charakteristischen Führungsstil: autoritär und hierarchisch, von oben nach unten. Dass fest verankerte, ständemäßige Führungshierarchien heute nicht mehr funktionieren, zeigen schon die Definitionen von Führung in der einschlägigen Fachliteratur. Führen ist danach Folgendes:

  • Die Summe aller Maßnahmen, die eine Führungskraft im Umgang mit seinen Mitarbeitern ergreift.
  • Die Bündelung von Wissen der Menschen (Mitarbeiter) und das Anstoßen gemeinsamer Überlegungen, um Produkte oder Prozesse zu verbessern.
  • Die Analyse und Einschätzung des Potenzials von Menschen (Mitarbeitern).
  • Die Förderung und Forderung von Mitarbeitern gemäß ihrer Eignung.
  • Die Stärkung der Eigenverantwortung der Mitarbeiter.
  • Die Kontrolle von Zielvereinbarungen und Ergebnissen.

Heute gleicht die Welt, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht, einem globalen Dorf. Mitarbeiter arbeiten in internationalen Projektteams zusammen, Wissen und Informationen sind zu den entscheidenden Wettbewerbsfaktoren geworden. Hier sind Führungskräfte gefragt, die situationsbezogen handeln, mit Fingerspitzengefühl führen und den Perspektivenwechsel beherrschen. Das heißt: Sie müssen sich in die Gefühle und Befindlichkeiten ihrer Mitarbeiter hineinversetzen können, sprich empathisch sein.

Aufhören, das Verhalten Anderer zu bewerten

Empathisch zu sein bedeutet: Verstehen, woher ein bestimmtes Verhalten des Mitarbeiters kommt und welche Zielsetzung dahinter steht. Vor allem aber geht es um die Haltung, dass es zunächst einmal in Ordnung ist, wie sich der Gegenüber verhalten hat. Führungskräfte sollten die positive Absicht hinter einem Verhalten erkennen und verstehen lernen, auch wenn sie selbst so nie handeln würden. Wer es nachvollziehen kann, warum Andere sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, hört auf, Verhalten zu bewerten.

Auch in der wissenschaftlichen Managementliteratur findet sich keine abschließende Auflistung derjenigen Eigenschaften, die eine gute Führungskraft von heute auf sich vereinen muss. Bleibt der Versuch, einen gemeinsamen Nenner der zusammengetragenen Eigenschaften herauszulesen. Haupteigenschaft einer guten Führungskraft: Sie sollte sich selbst reflektieren können. Die Arbeit an der eigenen Wahrnehmung, die Selbstreflexion, ist zur entscheidenden Fähigkeit geworden.

Selbstvertrauen, soziale Kompetenz, Bestimmtheit und Integrität sind notwendige Eigenschaften einer Führungskraft. Wenn sie dann noch in sich selbst hineinhorchen kann, sich selbst verstehen lernt, kann sie auch ihre Mitarbeiter besser verstehen. Der Karlsruher Coach und NLP-Trainer Thierry Ball formulierte es einmal so:

„Die Führungskraft muss in der Lage sein, ein Selbstbild über sich abzugeben. Sie kennt eigene Fähigkeiten und Entwicklungsfelder ihrer persönlichen Kompetenz und schätzt Leistungen anderer und ihre eigene realistisch ein. Mit Kritik, insbesondere negativer, geht sie konstruktiv um. Eine selbstreflektierende Führungspersönlichkeit findet leicht Beispiele aus vergangenen Erfahrungen und Lebenssituationen und kann diese auf die Gegenwart übertragen, um von ihnen zu profitieren.“ Götz Werner formuliert es auf seine Art: „Das einzig legitime Ziel der Führung ist Selbstführung.“

Checkliste

Überprüfung der eigenen Führungskompetenz

  • Ich übernehme Verantwortung und gebe die Schuld nicht Anderen, wenn etwas schief läuft oder Ziele nicht erreicht werden.
  • Ich delegiere unangenehme Aufgaben nicht an die Mitarbeiter, sondern erledige sie selbst.
  • Ich halte Versprechen und verspreche nur das, was ich auch sicher einhalten kann.
  • Ich behalte Vertrauliches für mich.
  • Ich spreche Leistungsmängel oder Fehlverhalten von Mitarbeitern offen an.
  • Ich spreche über Abwesende nicht negativ und verlange das auch von meinen Mitarbeitern.
  • Ich überprüfe mein eigenes Verhalten und Auftreten immer wieder.
  • Ich mache mir Grenzen bewusst und kenne meine Stärken und Defizite.
  • Ich nehme meine Wirkung auf Mitarbeiter, Führungskollegen und Vorgesetzte wahr.

Dazu im Management-Handbuch

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