ProdukthaftungRechtliche Grundlagen zur Produkthaftung

Hersteller von Produkten müssen die Anforderungen kennen, die sich aus der Produkthaftung und den vielen Vorgaben zur Produktsicherheit ergeben. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Produkte möglichst keinen Schaden bei der Anwendung anrichten. Hier wird erläutert, welche Regeln Sie vor allem beachten müssen.

Produkte müssen funktionieren und sicher sein

Wer Produkte herstellt, verkauft oder in Verkehr bringt, der hat die Pflicht dafür zu sorgen, dass durch diese Produkte nichts passiert und sie keinen Schaden anrichten. Das lässt sich aber nie vollständig ausschließen; deshalb müssen Unternehmen schon vor dem Inverkehrbringen eines Produkts vielfältige Maßnahmen ergreifen, um das Risiko zu minimieren. Dazu gibt es in jedem Land eine Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Regelungen, die jedes Unternehmen mit seinen Produkten einhalten muss.

Dabei lassen sich drei Bereiche der gesetzlichen Regelungen unterscheiden:

Produktsicherheit

Das Unternehmen muss durch geeignete Maßnahmen bei der Entwicklung und Produktion von Produkten dafür sorgen, dass das Produkt sicher ist. Das wird beispielsweise durch das CE-Kennzeichen auf den Produkten dokumentiert.

Mängelgewährleistung

Ein Produkt, das nicht so eingesetzt werden kann, wie es der Kunde erwarten darf oder wie es vertraglich zugesichert wurde, hat einen Mangel. Der muss durch den Hersteller oder Händler beseitigt werden.

Produkthaftung

Falls mit dem Einsatz eines Produkts beim Anwender und Kunden Schäden an Personen, Sachen oder Vermögen entstehen, dann haftet das Unternehmen, das dieses Produkt in Verkehr gebracht hat, im Rahmen der Produkthaftung.

Insbesondere die Produkthaftung, also der Fall, dass beim Anwender und Kunden ein Schaden entsteht, kann beim Hersteller zu großen Problemen führen. Der sollte deshalb alle Regeln kennen und einhalten, die sich aus dem Produkthaftungsgesetz ergeben.

Stichwort

Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Die Europäische Union macht in ihrer EG-Richtlinie 85/374/EWG Vorgaben, wie die Produkthaftung in den Mitgliedsländern geregelt sein sollte. In Deutschland gilt seit dem 15.12.1989 das Produkthaftungsgesetz: Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ProdHaftG. Darin heißt es: „Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ (§1, 1 ProdHaftG).

In Österreich gilt entsprechend das Produkthaftungsgesetzes (PHG), in der Schweiz das Produktehaftpflichtgesetz (PrHG).

Inzwischen sind die Gesetze und Regelungen zur Produkthaftung in der Europäischen Union und in anderen europäischen Ländern weitgehend harmonisiert. Gleichwohl gibt es international Unterschiede, die ein Hersteller kennen und beachten sollte. Welche Folgen die Produkthaftung haben kann, zeigen auf spektakuläre Weise Einzelfälle in den USA, wo sehr hohe Schadenersatzforderungen und Strafen ausgesprochen werden können.

Hinweis

Dieses Handbuch-Kapitel dient der Übersicht und Orientierung, ersetzt aber keinesfalls die fachkundige Beratung durch Rechtsexperten.

Rechtliche Anforderungen zur Produktsicherheit

Die Produkthaftung und das Produkthaftungsgesetz regeln die Rechtsbeziehung zwischen Hersteller und Nutzer (Kunde) und sind dem Zivilrecht zugeordnet. Damit keine unsicheren Produkte in Verkehr gebracht werden, macht der Staat darüber hinaus Vorgaben, worauf Hersteller zum Schutz der Allgemeinheit achten müssen. Diese Vorgaben finden sich in den unterschiedlichsten Gesetzen und Regelwerken. Dazu zählen zum Beispiel (in Deutschland):

  • Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)
  • Chemikaliengesetz (ChemG)
  • Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
  • Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
  • diverse europäische und staatliche Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, EN-Normen, DIN-Normen, Leitlinien des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)

Alle diese Gesetze und Regelungen geben für unterschiedliche Anwendungsbereiche oder Branchen mehr oder weniger detailliert vor, was zu beachten ist. Die genauen Anforderungen eines Herstellers ergeben sich meist aus Richtlinien wie der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) oder die Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug (2. ProdSV).

Der Hersteller muss mit einer Konformitätsprüfung und einem Konformitätsnachweis sicherstellen und belegen, dass seine Produkte allen für sie relevanten Gesetzen und Regeln entsprechen. Dann darf er das CE-Kennzeichen auf seinem Produkt anbringen, das notwendig ist, damit er es in Verkehr bringen kann.

Anforderungen und Pflichten des Herstellers zur Produkthaftung

Die gesetzlichen Regelungen zur Produkthaftung stellen hohe Anforderungen an die Hersteller von Produkten. Zwar muss der geschädigte Nutzer zunächst nachweisen, dass das Produkt einen Fehler hat, dass er einen Schaden erlitt und dass es dabei einen Zusammenhang gibt. Heikel wird es für den Hersteller, wenn er dem widersprechen will. Dann muss er nachweisen, dass dieser Fehler zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht vorlag.

Dazu muss er nachweisen, dass er allen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist. Diese betreffen:

  • Konstruktion: Das Produkt wurde so konstruiert, dass es allen Regeln der Technik und dem Stand des Wissens entsprach.
  • Produktion: Bei Fertigung und Montage wurde das Produkt daraufhin geprüft, ob ein Fehler vorlag.
  • Instruktion des Anwenders, insbesondere über Gebrauchsanweisungen: Der Anwender und Verbraucher wurde beim Kauf des Produkts informiert, worauf er bei der Nutzung zu achten hat, sodass ihm kein Schaden entsteht.
  • Produktbeobachtung. Der Hersteller hat alle von ihm in Verkehr gebrachten Produkte und deren Nutzung im Markt beobachtet und beim Bekanntwerden von Fehlern angemessen agiert.
  • Rückrufpflichten: Sind dem Hersteller nach Inverkehrbringen eines Produkts Fehler bekannt geworden oder hat sich ein besonderes Risiko bei der Anwendung gezeigt, so wurde das Produkt gemäß den Vorgaben der Rückrufpflichten vom Kunden zurückgerufen.

Das bedeutet: Jedes Unternehmen muss während der Produktnutzung durch Anwender und Kunden beobachten, was mit den Produkten geschieht. Wenn sich Probleme zeigen, muss es aktiv werden, die Ursachen ermitteln und den Fehler beim Produkt oder im Prozess sofort beseitigen.

Folgen im Schadensfall

Kommt es zu einem Schaden, muss das Unternehmen das Produkt zurücknehmen und für den entstandenen Schaden beim Kunden aufkommen. Das gilt unabhängig von der Schuld des Unternehmens. Fälle der Produkthaftung sind in den meisten Fällen mit hohen Kosten verbunden. Bei Personenschäden haften Unternehmen in Deutschland maximal mit 85 Millionen Euro. Selbst die Klärung des Sachverhalts kann hohe Kosten verursachen, wenn der Hersteller entsprechende Nachweise dokumentieren und beibringen muss.

Das Unternehmen muss nachweisen, dass es pflichtgemäß gehandelt und alle Gesetze und Regeln eingehalten hat. Produkte, die zehn Jahre oder länger in der Anwendung beim Kunden sind, unterliegen nicht mehr der Produkthaftung. Diese ist dann erloschen.

Zudem leidet das Image des Unternehmens in besonderer Weise, wenn es zu einem Schadensfall kommt und das Produkthaftungsgesetz greift. Nicht nur der Kunde wird über den Hersteller enttäuscht sein und schlecht sprechen; oft gehen entsprechende Fälle durch die Presse, sodass das Unternehmen und seine Reputation insgesamt leiden. Ein Schaden, der sich manchmal nur schwer wieder ausbügeln lässt.

Produkthaftung und Managementsysteme

Um die Sicherheit der Produkte zu gewährleisten und um die Gefahren, Risiken und Folgen aus der Produkthaftung zu begrenzen, muss das Unternehmen das Qualitätsmanagement, das Risikomanagement und das Krisenmanagement darauf ausrichten. Im Rahmen der Compliance muss außerdem sichergestellt sein, dass das Unternehmen alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt.

Im Einzelnen ergeben sich die folgenden Schnittstellen zu Managementsystemen im Unternehmen:

Qualitätsmanagement

Im Rahmen des Qualitätsmanagements sorgt das Unternehmen bereits bei Entwicklung und Konstruktion eines Produkts, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind. Darüber hinaus prüft es durch entsprechende Maßnahmen zur Qualitätskontrolle, dass keine fehlerhaften Produkte verkauft und in Verkehr gebracht werden. Zudem werden mit dem Qualitätsmanagement alle wichtigen Merkmale, Abläufe und Maßnahmen genau dokumentiert. Nur dadurch kann nachgewiesen werden, gemäß Recht und Gesetz gehandelt zu haben.

Risikomanagement

Mit dem Risikomanagement kann das Unternehmen überprüfen und Vorsorge treffen, was passiert, wenn es doch zu einem Schaden beim Endverbraucher kommt. Fragen, die mit dem Risikomanagement behandelt werden, sind:

  • Wie hoch ist das Risiko, wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schadenshöhe?
  • Wer haftet?
  • Wie lässt sich der Schaden ermitteln und eindämmen?
  • Welche Absicherungsmöglichkeiten (Versicherungsschutz) gibt es gegebenenfalls?

Krisenmanagement

Kommt es zu einem Schaden, dann sollte das Krisenmanagement auf den Plan gerufen werden. Insbesondere dann, wenn die Öffentlichkeit informiert werden muss. Das Unternehmen muss frühzeitig agieren, offen und transparent zur Aufklärung beitragen und dafür Sorge tragen, dass der Imageschaden begrenzt bleibt.

Wenn diese Managementsysteme gut funktionieren und die einzelnen Aktivitäten dokumentiert sind, kann das Unternehmen darauf begründen, dass es seine Pflichten zur Produkthaftung und zur Produktsicherheit erfüllt.

Praxis

Systeme und Maßnahmen zur Produkt- und Prozesssicherheit prüfen

Prüfen Sie Ihre Prozesse und Regelungen im Unternehmen, mit denen Sie sicherstellen, dass alle gesetzlichen und sonstigen Regelungen zur Produkthaftung und zur Produktsicherheit eingehalten und umgesetzt werden.

Sie können sich für Ihre Prüfung und Analyse an der folgenden Prozessbeschreibung orientieren. Sie zeigt die wichtigen Schritte, die Sie gehen müssen, um die Sicherheit Ihrer Produkte so weit wie möglich sicherzustellen. Besonders wichtig ist dabei die Risikobeurteilung, wie sie in der Norm DIN EN ISO 12100:2011-03 zur Sicherheit von Maschinen erläutert ist. Dieser Prozess lässt sich auf andere Produkte leicht übertragen.

Abbildung 1: Prozessschritte für die Produktsicherheit
Quelle: Hans-Joachim Hess, Christian Holtermann: Produkthaftung in Deutschland und Europa, 2008

Halten Sie alle Ihre bisherigen Aktivitäten und Maßnahmen fest und dokumentieren Sie diese. Identifizieren Sie noch vorhandene Schwachstellen. Fassen Sie die Ergebnisse mithilfe der folgenden Vorlage zusammen.

Risiko- und Compliance-Bewertung durchführen

Führen Sie eine Bewertung Ihrer bestehenden und neuen Produkte in Bezug auf die Einhaltung von Gesetzen, Vorschriften und Normen (Compliance) durch. Prüfen Sie dabei, ob Sie alle aktuell geltenden Regeln einhalten. Beachten Sie außerdem, welche Gesetze und Normen in der Zukunft eingehalten werden müssen und wie Sie diese Anforderungen umsetzen können. Prüfen Sie, ob mit der Einhaltung der Regeln hohe Aufwendungen und spezifische Risiken verknüpft sind. Mögliche Bewertungskriterien finden Sie unter den Aspekten:

  • Anforderungen Produkthaftung
  • Anforderungen zur Produktbeobachtung
  • relevante Gesetze und Verordnungen
  • Einhaltung von Normen und technischen Regeln
  • Anforderungen zur Kennzeichnungspflicht

In der folgenden Vorlage können Sie dazu produktspezifische Bewertungskriterien festlegen und prüfen, welche Potenziale und Chancen einerseits und welche Bedrohungen und Risiken andererseits diese mit sich bringen.

In den folgenden Abschnitten des Handbuch-Kapitels zur Produkthaftung erfahren Sie, welche Anforderungen sich aus der Produkthaftung, der deliktischen Haftung und der Produzentenhaftung ableiten lassen und deshalb für Ihr Unternehmen wichtig sind. Sie müssen sich vor allem wegen rechtlicher Vorgaben, aber auch, um Imageschaden abzuwenden, frühzeitig mit dem Thema befassen. Hier finden Sie die dafür relevanten Handlungsfelder.

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