Worum geht es bei der Verkehrssicherungspflicht?

Verkehrssicherungspflicht bedeutet: Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, muss die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen und Sicherungsmaßnahmen treffen, um Schäden für andere zu vermeiden. Die Verkehrssicherungspflicht bezieht sich sowohl auf Leben und Gesundheit als auch auf das Eigentum anderer.

Daraus folgt für Arbeitgeber:

  • Sie müssen mögliche Gefahrenquellen auf dem Betriebsgelände erkennen und
  • dafür sorgen, damit verbundene Risiken zu minimieren.

Die Verkehrssicherungspflicht betrifft jeden, der eine „Gefahrenquelle schafft oder unterhält“. Insofern kann sich die Verkehrssicherungspflicht auch außerhalb des Betriebsgeländes ergeben.

Beispiel: Verkehrssicherungspflicht auf der Baustelle

Die Baustelle muss entsprechend gesichert werden, und es muss darauf geachtet werden, dass die gängigen Sicherheitsbestimmungen auf der Baustelle eingehalten werden. Einen Handwerker, der bei einem Kunden vor Ort tätig ist, trifft eine Verkehrssicherungspflicht, sobald er dort in irgendeiner Form eine Gefahrenquelle schafft. Dann muss er geeignete Schutzvorkehrungen treffen.

Ziel muss es sein, dass Mitarbeitende, Kunden, externe Dienstleister und andere Personen, die sich auf dem Betriebsgelände oder einer Baustelle aufhalten, nicht zu Schaden kommen.

Dabei gilt: Beschäftigte, Kunden oder Besucher müssen vor ungewöhnlichen oder nicht zu erwartenden Risiken geschützt werden. Bei Gefahren, die zum gewöhnlichen Lebensrisiko gehören, greift die Verkehrssicherungspflicht des Arbeitgebers dagegen nicht.

Hintergrund

Gesetzliche Grundlage

Die Verkehrssicherungspflicht ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Wie Sie Ihre Verkehrssicherungspflicht erfüllen

Arbeitgeber sind im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht dazu verpflichtet:

  • den Betrieb und das Betriebsgelände nach möglichen Gefahrenquellen abzusuchen und
  • diese zu sichern oder zu beseitigen.

Die Vorkehrungen, die Sie treffen, müssen notwendig und zumutbar sein. Sie müssen also nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugen. Die Verkehrssicherungspflicht ist meist dann erfüllt, wenn Sie ausgehend vom „gesunden Menschenverstand“ die geeigneten Sicherheitsmaßnahmen durchführen.

Wer ist im Unternehmen für die Verkehrssicherungspflicht verantwortlich?

Die Geschäftsführung eines Unternehmens ist verantwortlich dafür, dass die Verkehrssicherungspflicht im Betrieb beachtet und umgesetzt wird.

Sie kann die Durchführung der Verkehrssicherungspflicht zwar an einzelne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter delegieren, ist dann aber wiederum dafür verantwortlich, zu kontrollieren, ob diese Personen ihrer Pflicht nachkommen.

Im Alltag haben dann die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort die Pflicht, Gefahrenquellen zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, die das Risiko begrenzen. Beispiel Handwerker: Die Geschäftsleitung muss den Handwerker anweisen, der Verkehrssicherungspflicht vor Ort beim Kunden nachzukommen. Dort trägt der Mitarbeiter im Wesentlichen die Verantwortung für die Umsetzung der Verkehrssicherungspflicht.

Grundsätzlich besteht zwar eine Kontrollpflicht des Arbeitgebers, doch auch hier gilt das Kriterium „Zumutbarkeit“. Es kann von der Geschäftsleitung nicht verlangt werden, dass sie Mitarbeitende im Außeneinsatz permanent kontrolliert.

Was gehört zur Verkehrssicherungspflicht?

Zur Verkehrssicherungspflicht gehören zum Beispiel:

  • Streu- und Räumpflicht bei Schnee und Eis
  • Absichern von Baustellen
  • Sichern von Gegenständen im Freien gegen Sturmböen
  • Hinweisschild auf Rutschgefahr bei nassem Fußboden nach Reinigung
  • Prüfen, ob eine Gefahr von Bäumen durch herabfallende Äste ausgeht
Merke

Mögliche Gefahren und Risiken, die es in einem Betrieb und rund um alle betrieblichen Aktivitäten geben kann, können sehr umfangreich und vielfältig sein – je nach Branche, Betrieb und Aktivitäten. Oft helfen Branchenverbände, Unfall- und andere Versicherungen oder spezielle technische Richtlinien, wenn es um das Erkennen von Gefahren und Risiken geht.

An dieser Stelle geht es um eine erste Orientierung und um die grundlegenden Anforderungen an Unternehmen und Geschäftsleitung, wenn es um die Verkehrssicherungspflicht geht. Wichtig ist: ein Bewusstsein für diese Pflicht zu haben und häufig auftretende Gefahrenstellen und Risikopotenziale im Blick zu haben.

Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht – Beispielfall

Bei Sturmwarnung müssen Arbeitgeber mögliche Gefahrenquellen auf dem Firmenparkplatz sichern, um die Privat-PKWs der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor möglichen Schäden zu schützen. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach und wird ein PKW beschädigt, haftet er gegebenenfalls auf Schadensersatz. Das zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf.

In dem Fall hatte ein Gemeindemitarbeiter sein Privatauto – wie üblich und wie vom Arbeitgeber erlaubt – während der Dienstzeit auf dem Betriebshof abgestellt. An einem Tag gab es eine Sturmwarnung, der Mitarbeiter war ganztägig im Außeneinsatz.

Der Arbeitgeber versäumte es trotz Sturmwarnung, einen Großmüllbehälter auf dem Betriebshof entsprechend zu sichern. Durch den Sturm wurde der Behälter auf den PKW des Arbeitnehmers geschoben, was einen Totalschaden am PKW zur Folge hatte.

Hier sah das Gericht einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht seitens der Gemeinde. Es verurteilte den Arbeitgeber, der Versicherung des Arbeitnehmers den Betrag zu erstatten, den diese aufgrund des Schadensfalls an den Gemeindemitarbeiter zahlte. LAG Düsseldorf, Urteil vom 11.09.2017, Az. 9 Sa 42/17

Wer haftet für Schäden beim Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht?

Tritt ein für den Arbeitnehmer nicht erwartbares Risiko ein und hätte der Arbeitgeber dies durch entsprechende Maßnahmen verhindern können, liegt ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht vor. Dann haftet der Arbeitgeber gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz.

Bei der Haftung ist zwischen dem Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden. Beispiel GmbH: Hier haftet die GmbH im Außenverhältnis gegenüber geschädigten Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten, Besucher etc. Im Innenverhältnis haftet der Geschäftsführer, der gegen seine Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat, gegenüber der GmbH (mit seinem Privatvermögen).

Hintergrund

Unbefugtes Betreten verboten … Wer haftet?

Die Frage, ob die Verkehrssicherungspflicht auch gegenüber Personen gilt, die sich unbefugt auf dem Betriebsgelände aufhalten, kann nicht eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) richtet sich die Frage, inwieweit eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber unbekannten Dritten besteht, die ein Grundstück mit einer Gefahrenquelle betreten, nach den „jeweiligen Umständen des Einzelfalls“.

Es kommt darauf an, ob derjenige, dem die Verkehrssicherungspflicht obliegt, vernünftigerweise damit rechnen muss, dass sich ein unbefugter Dritter auf dem Betriebsgelände aufhält, oder ob er damit nicht rechnen muss.

Worauf Unternehmen beim Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung achten

Mit dem Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung können Unternehmen die finanziellen Risiken minimieren, die bei einem Schadensfall infolge einer Nichtbeachtung der Verkehrssicherungspflicht drohen.

Dabei ist bei Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung auf den genauen Bedingungen zu achten. Wenn die Verkehrssicherungspflicht nicht beachtet und ein Schaden verursacht wird, dann muss geprüft werden: Handelt es sich um

  • leichte Fahrlässigkeit, dann ist der Fall im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert;
  • grobe Fahrlässigkeit, dann kommt es auf die konkreten Bedingungen im Versicherungsvertrag an; es kann – je nach Einzelfall – sein, dass bei grober Fahrlässigkeit die Schadenskosten nur zum Teil übernommen werden oder eine Kostenübernahme sogar komplett ausgeschlossen ist;
  • Vorsatz, dann haftet die Betriebshaftpflichtversicherung nicht.
Praxis

Die wichtigsten Aufgaben zur Verkehrssicherungspflicht sind:

1. Gefahrenquellen erkennen und analysieren

  • Maschinen und sonstiges betriebliches Inventar auf Gefahrenpotential prüfen
  • Außenbereich des Betriebsgeländes auf mögliche Risiken prüfen

2. Notwendige und zumutbare Sicherheitsmaßnahmen durchführen; zum Beispiel:

  • Streu- und Räumpflichten im Winter: Aktivitäten organisieren und erfüllen
  • Baustellen absichern
  • Reinigungskräfte anweisen, dass sie auf Sturzgefahr hinweisen

3. Wirksamkeit der Sicherheitsmaßnahmen kontrollieren

Sorgen Sie für diese Mindestmaßnahmen zur Verkehrssicherungspflicht. Nutzen Sie dazu auch die folgende Checkliste.

Dazu im Management-Handbuch

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