Kapitel 207: Arbeitszeit erfassen, verwalten, auswertenWofür muss die Arbeitszeit erfasst und ausgewertet werden?

Warum Unternehmen die Arbeitszeit erfassen

Welche Zeit eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter in einem Unternehmen arbeitet, wann die jeweilige Arbeitszeit beginnt und wann sie endet – das ist eine wichtige Größe für unterschiedliche Vorgänge und Entscheidungen in einem Unternehmen. Denn mit der geleisteten Arbeitszeit wird die Leistung der einzelnen Person bewertet. Die Leistung ergibt sich aus: geleistete Arbeit pro eingesetzte Arbeitszeit.

Viel wichtiger ist aber, dass mit der Arbeitszeit Projekte, Aufträge und Prozesse geplant und kalkuliert werden. Die Arbeitszeit, die Projektmitarbeitende für ihre Projektaufgaben brauchen, bestimmt, wie lange das Projekt dauert. Die Arbeitszeit, die für einen Kundenauftrag investiert werden muss, ist Grundlage für die Preiskalkulation.

Ein Unternehmen kauft die Arbeitszeit seiner Mitarbeitenden für einen festgelegten Geldbetrag ein. Arbeitszeit gegen Arbeitsentgelt ist deshalb eine grundlegende Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wie viel Zeit ein Arbeitnehmer seinem Unternehmen zur Verfügung stellt und welches Gehalt er dafür bekommt, ist im Arbeitsvertrag festgelegt.

Meist ist im Arbeitsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart, die sagt, wie viele Stunden Arbeit der Arbeitgeber braucht und wie viele der Arbeitnehmer zur Verfügung stellen will. Das ist die Soll-Arbeitszeit pro Woche.

Zweck und Ziel der Arbeitszeiterfassung

Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Soll-Arbeitszeit wird regelmäßig mit der Ist-Arbeitszeit verglichen, also der Zeit, die eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter dann tatsächlich gearbeitet hat. Dazu muss diese Ist-Arbeitszeit in einer festgelegten Form erfasst und aufgeschrieben werden. Die Arbeitszeiterfassung kann mehrere Zwecke erfüllen:

Selbstkontrolle der Leistung

Der Beschäftigte kann seine eigene Leistung überprüfen: Wie viele Stunden habe ich gearbeitet? Welche Ergebnisse habe ich damit erzielt? Diese Leistung kann er dem Unternehmen gegenüber belegen.

Leistungskontrolle durch das Unternehmen

Das Unternehmen kann die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überprüfen: Wie viel Arbeitszeit wurde bezahlt? Welche Leistung und welche Ergebnisse wurden damit erreicht?

Abrechnung und Dokumentation von Überstunden und Mehrarbeit

Der Beschäftigte behält den Überblick, wie viel er tatsächlich arbeitet. Wie viele Überstunden haben sich angesammelt? Welche Arbeitszeit muss gesondert entgolten werden – durch Geld oder freie Zeit? Sollte weniger gearbeitet werden, um Überstunden zu vermeiden?

Schutz vor Überlastung

Wer zu viel und zu lange arbeitet, schadet sich selbst und dem Unternehmen. Um fit und gesund zu bleiben, braucht es ausreichend Pausen und Ruhezeiten. Mit der Erfassung der Arbeitszeit werden auch die Pausen ermittelt.

Mit der genauen Zeiterfassung wird sichtbar, ob die Pausenzeiten im Tagesverlauf aus Sicht des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ausreichend sind. Die Arbeitszeit zeigt auch das Verhältnis von Arbeit und Freizeit – die Work-Life-Balance.

Kalkulation von Projekten, Aufträgen und Preisen

Um Projekte, Kundenaufträge und Preise richtig kalkulieren zu können, braucht es einen Faktor, der den Verbrauch von Arbeitszeit in Projekten und Prozessen sichtbar macht. Das ist der Personalstundensatz, der auf der Grundlage der vereinbarten Arbeitszeit und der Personalkosten berechnet wird.

Projektsteuerung und Projektcontrolling

Ob ein Projekt oder ein Kundenauftrag wirtschaftlich durchgeführt oder erledigt wird, muss im Rahmen des Projektcontrollings ermittelt werden. Die im Projekt verbrauchte Arbeitszeit ist eine entscheidende Größe für die Projektsteuerung, die Kontrolle der Projektkosten und die Bewertung des Projekterfolgs.

Rechtliche Anforderungen

Das Arbeitszeitgesetz, das Gesetz zum Mindestlohn (in Deutschland), eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und andere rechtliche Vorgaben zwingen Unternehmen und Beschäftigte, die geleistete Arbeitszeit zu dokumentieren und bei einer Prüfung nachzuweisen.

Regelungen zum Arbeitsschutz zwingen Unternehmen und Beschäftigte, im Tagesverlauf Pausen bei der Arbeit einzulegen und diese zu dokumentieren. Das gilt besonders für gefährdete Berufsgruppen wie Fahrpersonal, Jugendliche oder werdende Mütter.

Arbeitszeiterfassung ist mitbestimmungspflichtig

Unternehmen dürfen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht einfach zwingen, die Arbeitszeit aufzuschreiben und an Vorgesetzte oder die Personalabteilung zu melden. Arbeitszeiterfassung ist mitbestimmungspflichtig und betrifft sensible persönliche Daten.

Nicht alle Beschäftigten machen bei der Arbeitszeiterfassung begeistert mit. Deshalb müssen Sie beachten:

  • Wenn es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat gibt, muss dieser einer (veränderten) Zeiterfassung zustimmen.
  • Grundsätzlich sollten alle Beschäftigten immer über Sinn und Zweck der Arbeitszeiterfassung informiert werden. Begründen Sie also die (veränderte) Form der Arbeitszeiterfassung und die Nutzung der Daten.
  • Machen Sie die Arbeitszeiterfassung für jede einzelne Mitarbeiterin und für jeden Mitarbeiter so einfach wie möglich. Nutzen Sie dazu ein geeignetes technisches System.
  • Schulen Sie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gebrauch des Systems und der Erfassungsgeräte.
  • Prüfen Sie, inwieweit die erfassten Arbeitszeiten der Realität entsprechen. Die Messdaten müssen korrekt und zuverlässig sein. Gibt es Fehler, müssen die Ursachen gefunden und beseitigt werden.
  • Machen Sie transparent, wie die Daten aus der Arbeitszeiterfassung genutzt werden. Lassen Sie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre persönliche Arbeitszeit für eine Selbstkontrolle einsehen.
  • Gewährleisten Sie, dass Vorgesetzte die Daten nur für den bestimmten Zweck einsetzen.
Praxis

Regelungen zur Arbeitszeit im Unternehmen prüfen

Prüfen Sie, in welcher Form die Arbeitszeit in Ihrem Unternehmen bereits erfasst wird. Machen Sie eine Bestandsaufnahme und klären Sie im Einzelnen zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen:

  • Welche Regelungen und Betriebsvereinbarungen gibt es in Ihrem Unternehmen zum Thema Arbeitszeit?
  • Welche Gesetze und Verordnungen sind für Ihr Unternehmen maßgeblich?
  • Gibt es besondere Berufsgruppen wie Jugendliche oder Fahrpersonal, für die besondere Regelungen gelten? Welche sind das?
  • Gilt für Ihr Unternehmen ein Tarifvertrag, in dem Regelungen zur Arbeitszeit und zur Arbeitszeiterfassung stehen? Welche sind das?

Systeme zur Arbeitszeiterfassung überprüfen

Falls die Arbeitszeit erfasst wird, klären Sie:

  • Welche technischen Systeme werden für die Erfassung und Auswertung von Arbeitszeiten genutzt?
  • Welche Daten werden im Einzelnen erfasst?
  • Wie und wofür werden die Daten zur Arbeitszeit ausgewertet?
  • Inwieweit stimmen die erfassten Daten mit der tatsächlichen Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überein?
  • Wie gut ist die Datenqualität?
  • Welche Probleme gibt es im täglichen Einsatz der Arbeitszeiterfassung und der dafür genutzten technischen Systeme?
  • Inwieweit sind die Beschäftigten mit der bestehenden Form der Arbeitszeiterfassung und der Datennutzung zufrieden?

Ziel und Zweck der Arbeitszeiterfassung klären

Wenn Fehler, Probleme oder geänderte Rahmenbedingungen es notwendig machen, dass Ihr System zur Erfassung der Arbeitszeit geändert werden muss, klären Sie:

  • Welche Ziele und Zwecke verfolgen Sie aktuell und in Zukunft mit der Arbeitszeiterfassung?
  • Welche Auswertungen zur Arbeitszeit sind notwendig oder hilfreich – für die Beschäftigten, für die Vorgesetzten, für die Personalabteilung oder für das Unternehmen?
  • Welche technischen Systeme zur Arbeitszeiterfassung sind für alle Betroffenen einfach zu nutzen?
  • Was funktioniert nicht bei der Arbeitszeiterfassung – und sollte unbedingt verbessert werden?
  • Welche Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung haben die betroffenen Nutzer?
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