ArbeitsrechtKann wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden?

Eine Krankschreibung durch den Arzt gilt nicht als Beweis für eine echte Arbeitsunfähigkeit. Wenn nachgewiesen wird, dass gar keine Erkrankung vorlag, können Arbeitgeber bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit sogar fristlos kündigen – nach einer Interessenabwägung. Welche gesetzlichen Regeln gelten hierbei?

Rechtfertigt vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit eine fristlose Kündigung?

Eine vorsätzlich vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit oder ein darauf gestützter dringender Tatverdacht rechtfertigt eine fristlose Kündigung – und das auch ohne vorherige Abmahnung. Dabei muss nach objektiven medizinischen Kriterien beurteilt werden, ob die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert war.

Bei der Beurteilung der Frage, ob und wie lange tatsächlich Arbeitsunfähigkeit vorliegt, müssen Ärzte feststehende künftige Krankheits- oder Genesungsverläufe berücksichtigen, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichnen.

Wann liegt keine Arbeitsunfähigkeit vor?

Finden sich für die prognostizierte Arbeitsunfähigkeit keine Gründe, so liegt ein Wahrscheinlichkeitsurteil mit ausreichendem Beweiswert für eine Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vor.

Zwei Beispiele zur vermeintlichen oder tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit sollen dies illustrieren:

Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist fraglich, wenn ein Arbeitnehmer nach einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber den Betrieb verlässt und in den folgenden zwei Monaten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von fünf Ärzten vorlegt. Diese hat er, jeweils wegen anderer Beschwerden, zeitlich lückenlos nacheinander konsultiert. Das Landesarbeitsgericht Hamm sah darin einen Fall von vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit (LAG Hamm 10.9.2003 – 18 Sa. 721/03).

Nimmt dagegen ein nicht bettlägeriger Arbeitnehmer während einer längeren Arbeitsunfähigkeit einmal pro Woche für eine Dreiviertelstunde an einem sogenannten „Kieser-Rückentraining“ teil, begründet dies weder ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers noch gewisse „Verdachtsmomente“ hinsichtlich des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit.

Welche Voraussetzungen müssen für eine fristlose Kündigung erfüllt sein?

Ein Arbeitsverhältnis kann nach § 626 Abs. 1 BGB von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Das ist zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.

Eine fristlose Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen (§ 626 Abs. 2 BGB). Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Neben Gründen in der Person können vorwiegend im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Gründe eine (außerordentliche) Kündigung rechtfertigen.

Warum ist eine Interessenabwägung bei fristloser Kündigung nötig?

Jede fristlose Kündigung setzt eine umfassende Interessenabwägung voraus. Dafür müssen das Interesse des Kündigenden an der Auflösung und das Interesse des Kündigungsempfängers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gegenübergestellt werden.

Die Kündigung ist nur wirksam, wenn die Interessen des Kündigenden gegenüber denen der anderen Partei überwiegen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Auch solche, die erst nach dem Zugang der Kündigung entstehen, gehören dazu. Regelmäßig zu berücksichtigen sind dabei:

  • Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, zum Beispiel im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen
  • Grad des Verschuldens
  • Mögliche Wiederholungsgefahr
  • Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf

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