MarketingBranchenstrukturanalyse – Marktpotenziale erkennen und nutzen

Wie können junge Unternehmen Markteintrittsbarrieren mithilfe der Branchenstrukturanalyse überwinden? Können Veränderungen in einzelnen Branchen vorausgesagt werden? Wie erkennen Wettbewerber etwa, welche Leistungen zukünftig überflüssig sein werden? Eine Einführung in die Branchenstrukturanalyse – mit Beispiel, vielen Hinweisen für die Praxis und einer Checkliste.

Die meisten anderen Unternehmen kämpfen gegen Mitbewerber um dieselben Kunden. Immer wieder kommen neue Konkurrenten dazu, andere steigen aus oder werden aufgekauft. Und es gibt weitere Kräfte, die das Marktgeschehen beeinflussen.

Nur jene Unternehmen sind erfolgreich, die diese Kräfte kennen und für ihre Zwecke nutzen. Wer dies nicht tut, wird über kurz oder lang von neuen Spielregeln am Markt überrascht und ist in seiner Existenz bedroht. Inwiefern hilft die Branchenstrukturanalyse dabei, das zu verhindern?

Was ist eine Branchenstrukturanalyse?

Eine Branchenstrukturanalyse oder Branchenanalyse umfasst die Sammlung und Bewertung von Informationen über Kräfte, die den Wettbewerb innerhalb einer Branche bestimmen. Sie beschreibt damit wesentliche Faktoren für die Chancen, Risiken und den langfristigen Erfolg eines Unternehmens.

Konzept der Branchenstrukturanalyse nach Porter

Die Triebkräfte einer Branche können analysiert werden. Schon Ende der Siebzigerjahre entwickelte der Harvard-Professor Michael E. Porter sein Konzept der Branchenstrukturanalyse. Er wollte den Unternehmen damit helfen, ihre richtige Wettbewerbs-Strategie zu finden. Denn nur das Unternehmen ist erfolgreich, das seine Wettbewerber, aber auch die Spielregeln seiner Branche genau kennt.

Die fünf Triebkräfte des Wettbewerbs

Porter identifizierte fünf Triebkräfte des Branchenwettbewerbs:

  1. die etablierten Wettbewerber, die um die Gunst derselben Kunden buhlen;
  2. die Kunden bzw. Abnehmer selbst, die mit ihrer Verhandlungsmacht Einfluss nehmen oder Vertriebswege und Vertriebsmöglichkeiten bestimmen;
  3. die Lieferanten, die wichtige Ressourcen, Technologien oder Know-how besitzen und nur ausgewählten Unternehmen weitergeben;
  4. neue Wettbewerber, die in denselben Markt einsteigen;
  5. Ersatzprodukte oder Dienstleistungen, die die bisherigen ersetzen.

„Alle fünf Wettbewerbskräfte zusammengenommen bestimmen die Wettbewerbsintensität und Rentabilität einer Branche, wobei die stärksten dieser Kräfte ausschlaggebend sind“, schreibt Porter 1980 in seinem Grundlagenwerk „Competitive Strategy“.

Beispiel

Ersatzprodukt: IP-Telefonie

Mit der technischen Weiterentwicklung des Internet und dem Ausbau der Infrastruktur für Anschlüsse (Breitband), aber auch mit Marktangeboten wie der Flatrate betraten neue Anbieter den Markt für das Festnetz-Telefonieren. Jahrzehntelang haben die Telekom und später wenige Wettbewerber diesen Markt beherrscht; dann tauchten neue Konkurrenten mit der Technologie des Internet-Telefonierens auf und konnten die Spielregeln der Branche neu schreiben.

Wenn Unternehmen neu in einen Markt eintreten, ergeben sich weitreichende Umbrüche, denn sie wollen vom Kuchen etwas abhaben oder die alten Wettbewerber ganz verdrängen. Deshalb versuchen die etablierten Anbieter die sogenannten Markteintrittsbarrieren möglichst hoch zu halten. Neueinsteiger benötigen etwa ein hohes Startkapital, um mithalten zu können.

In vielen Branchen sind es die limitierten Vertriebswege oder beschränkter Zugang zu Ressourcen, die es Unternehmen erschweren, in eine Branche einzusteigen. Wer ein neues Nahrungsmittel auf den Markt bringt, muss um den knappen Platz im Supermarkt-Regal kämpfen.

Die Barrieren wirken aber nicht nur beim Markteintritt, sondern auch beim Marktaustritt. Wenn etwa Luftfahrtunternehmen versuchen, durch Kampfpreise oder drastische Preissenkungen Wettbewerber aus dem Markt zu drängen – sogenanntes „Predatory Pricing“ –, kann das für alle Unternehmen einen ruinösen Streit um Kunden hervorrufen.

Aufgrund der getätigten Investitionen möchte niemand vorschnell das Feld räumen. Für viele bleibt dann nur die Flucht in die Kooperation oder unter die Fittiche eines Konkurrenten.

Was bedeutet die Branchenstrukturanalyse für Mitarbeitende?

Wenn ein Unternehmen im heftigen Kampf mit etablierten oder neuen Konkurrenten steht, spüren das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am eigenen Leib – spätestens, sofern das Unternehmen nicht mehr mithalten kann und in die Krise gerät. Die Branchenkräfte können und sollten sich aber auch sonst innerhalb des Unternehmens spiegeln:

Change Management

Oft sind es die externen Veränderungen, die neue Wettbewerbs-Strategien erforderlich machen und damit auch Veränderungen innerhalb des Unternehmens. Wer seinen Mitarbeitern die Branchenentwicklung vermittelt, kann notwendige Veränderungen besser und glaubhafter begründen; die Mitarbeiter sind eher bereit mitzuziehen.

Marketing, Vertrieb und Kundenservice

Insbesondere die Mitarbeitenden im direkten Kunden-Kontakt spüren, welche Kräfte am Markt wirken. Sie müssen Kundinnen und Kunden richtig ansprechen, sie stehen mit Wettbewerbern im direkten Vergleich und sie müssen den Kunden verdeutlichen, was sie in der Branche einzigartig macht.

Einige Unternehmen vermitteln ihren Mitarbeitenden aus diesem Grund Wissen zum Wettbewerb und zur Branche, in der sie tätig sind. Sie fördern damit, dass die Strategien, die das Unternehmen verfolgt, besser verstanden und von allen Mitarbeitenden umgesetzt werden.

Elemente der systematischen Branchenanalyse

Wer eine Branchenanalyse durchführen möchte, sollte Informationen sammeln, strukturieren und bewerten. Dem Sammeln von Informationen sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt. Eine Möglichkeit, sie zu strukturieren und zu organisieren, besteht darin, sich an Porters fünf Triebkräften zu orientieren.

Darüber hinaus hängt es von der Fragestellung des Unternehmens und von der Branche selbst ab, welche Aspekte genauer betrachtet werden sollen. Einige wichtige Elemente zur Beschreibung des Marktes und der etablierten Wettbewerber sind:

  • Marktvolumen (Summe aller Umsätze, Absatz in Stück) heute und in Zukunft (Wachstum);
  • wichtige Anbieter und Wettbewerber (namentliche Nennung möglich);
  • deren Marktanteile;
  • Erfolgsfaktoren und Treiber im Wettbewerb: Kosten, Qualität, Innovationen, Service etc.;
  • Wettbewerbs-Strategien: Preiskampf, Unternehmens-Übernahmen, Standortverlagerungen, neue Technologien, Innovationen etc.;
  • interne Strukturen der Unternehmen: Produktion, Logistik, Kosten, Arbeitsteilung, Kapitalbindung etc.
  • Rentabilitäten: Gewinnspannen einzelner Anbieter, im Durchschnitt bzw. als Streuung;
  • Aktionen und Reaktionen der wichtigen Anbieter am Markt (neue Produkte, neue Technologien, Marketing-Strategien etc.).
Tipp

Branche klar abgrenzen

Wichtig ist, die eigne Branche klar abzugrenzen. Im Allgemeinen umfasst sie eine Gruppe von Unternehmen, die Produkte herstellen, die sich nahezu ersetzen können. Das bedeutet, dass vor allem die Kunden bestimmen, wie sich Branchen voneinander unterscheiden. Beispiel: Ein Auto kann ein anderes ersetzen. Aber ist ein Sportwagen wirklich ein Ersatz für einen komfortablen Familien-Kombi oder einen Geländewagen?

Ferner sind Informationen zu den Abnehmern und Kunden wichtig, wie:

  • Kundenstruktur: wenige – viele
  • Vertriebswege: direkt – Zwischenhändler – Einzelhändler
  • Kundensegmente und ihre Anforderungen an Leistungen
  • Kräfte, denen die Kunden in ihrer Branche ausgesetzt sind

Entsprechend können auch die Lieferanten analysiert werden. In beiden Fällen sollte das Unternehmen genau ermitteln, warum und in welcher Form es von seinen Abnehmern und Lieferanten abhängig ist.

Besonderes Augenmerk sollte möglichen zukünftigen Konkurrenten gelten:

  • Wovon werden Mitbewerber am Markt angelockt?
  • Werden sie von hohen Renditen angezogen?
  • Wollen Mitbewerber sich in ihren angrenzenden Märkten ausdehnen, um zu wachsen?
  • Was sind die wichtigen Markteintrittsbarrieren?
  • Lassen sich diese zum eigenen Schutz nutzen?

Am schwierigsten ist es, das Potenzial der Bedrohung durch neue Produkte zu erkennen. Oft sind es besondere technologische oder organisatorische Innovationen, die eine Branche radikal verändern können. Am bekanntesten ist die (fast) vollständige Zerstörung der Branche der Schreibmaschinenhersteller durch die Computer.

Hier – aber auch bei den anderen Triebkräften – müssen Unternehmen einen Blick in die Zukunft wagen. Sie lässt sich zwar nicht vorhersagen, aber vorausdenken. Wichtige Instrumente dafür sind die Szenarien-Analyse und die Delphi-Umfrage.

Wo kann man sich über Branchen informieren?

Wer Informationen zu seiner Branche braucht, kann sich an die folgenden Institutionen wenden:

  • Branchen-Verbände,
  • Industrie- und Handelskammern (IHK), Handwerkskammern,
  • Unternehmensberater,
  • Forschungsinstitute,
  • Statistische Ämter.

Checkliste Branchenstrukturanalyse

Im Rahmen einer Branchenstrukturanalyse können Branchenprofile erstellt werden. Sie können zum Beispiel folgende Aspekte umfassen:

  • Nachfrage nach Produkten/Leistungen
  • Veränderungen durch Technologien
  • Kapitalintensität
  • Kostenintensität
  • Gewinnspanne
  • Einfluss der Kunden
  • Faktoren für Markterfolg (Preis, Qualität, Service, …)
  • Einfluss der Lieferanten
  • Einfluss der Distributoren
  • Höhe der Markteintrittsbarrieren
  • Höhe der Marktaustrittsbarrieren
  • Innovationsrate
  • Angrenzende Branchen

Dazu im Management-Handbuch

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