New LearningNew Learning – selbstbestimmtes, kollaboratives Lernen

Agile und kooperativ arbeitende Unternehmen und ihre Mitarbeitenden brauchen kollaborative und selbstbestimmte Lernkonzepte. Lernen muss auf die speziellen Bedürfnisse des Einzelnen ausgerichtet sein. Dafür gibt es kreative Methoden für das New Learning.

Lebenslange Bildung ist heute kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein „Must-have“. Dementsprechend benötigen agile und kooperativ arbeitende Unternehmen kollaborative und selbstbestimmte Lernkonzepte in Form von New Learning, um zukunftsfähig zu bleiben.

Wie sich Lernprozesse verändern

Die industrielle Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts brauchte Menschen in den Fabriken, die schreiben, lesen und Prozessen folgen konnten. Heute brauchen wir Menschen, die in unserer komplexen, volatilen VUCA-Welt kreativ und flexibel zusammenarbeiten. Menschen, die auch einmal Unwägbarkeiten und Unvorhergesehenes aushalten. Die mit neuen Gegebenheiten umgehen können und stetig aus ihnen lernen.

Damit sind wir mitten in New Work, das Hand in Hand mit New Learning gehen sollte. Denn wenn New Work eine Humanisierung der Arbeitswelt mit dem Menschen im Fokus hat, ist New Learning die Humanisierung des Lernens mit dem Lernenden im Mittelpunkt. Es geht um die sogenannte User- oder Learner-Centricity.

In der Bildungsbranche zeigt sich dieser Paradigmenwechsel immer deutlicher. Früher funktionierte Lernen durch Instruktion: „Ich zeige Dir, wie es richtig geht, denn ich kann es besser als Du.“ Als die Aufgaben komplexer wurden und immer mehr Expertise gefragt war, folgte der Modus: „Ich trainiere Dich als Experten, denn Du kannst es besser als ich.“ Heute gibt es nicht mehr den einen richtigen Weg. Wir lernen selbstbestimmt durch gemeinsames Ausprobieren, durch Kollaboration. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen.

Wie sich Lernkonzepte verändert haben

Lernen 1.0: Der Instructor zeigt dem Lernenden exakt und top-down, welche Handgriffe die richtigen sind und wie er sie zu befolgen hat.

Lernen 2.0: Der Trainer sagt dem Lernenden, wie es bei anderen funktioniert hat und was für ihn das Beste sein könnte.

Lernen 3.0: Der Coach begleitet den Lernenden dabei, innerhalb der Gruppe (häufig auch schon teilautonom) das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Lernen 4.0: Der Facilitator stellt dem Lernenden Lernräume für Co-Creation, Selbstreflexion, informelles, soziales und selbstbestimmtes Lernen zur Verfügung. Steuerung und Verantwortung liegen allein beim Lernenden.

Die Verantwortung des Lernenden

Im Lernzeitalter 4.0 werden ein hübscher Workshop-Raum und standardisiertes Storytelling durch charismatische Experten nicht mehr reichen. Beim New Learning steht der Lernende mit seinen individuellen Vorerfahrungen und Bedürfnissen viel stärker im Fokus. Er wird seine Lernprozesse bedürfnisorientiert – durch Nachfrage, Remix von Inhalten und Austausch mit anderen – selbst kreieren wollen.

Dabei übernimmt er die Verantwortung für den eigenen Lernprozess größtenteils selbst. Dies benötigt allerdings auch einen „höheren Reifegrad“. Dieses selbstbestimmte Lernen wird in Zukunft eine Schlüsselfähigkeit sein.

Eigenständiges Erarbeiten, kritisches Hinterfragen und die Kompetenz, Wissen individuell für sich nutzbar zu machen, wird immer wichtiger werden. Eigenständig bedeutet übrigens nicht, alleine arbeiten und lernen zu müssen, sondern gerne auch mit den „Peers“ in der Gruppe.

Die Rolle der Führungskräfte und der Personalentwicklung beim New Learning

Die Rolle des Lehrenden, also die Übernahme der Lernverantwortung durch einen Experten, wird vermutlich immer weniger wichtig. Die Rolle der Führungskraft oder des Personalentwicklers in Unternehmen wird dadurch eine gänzlich neue werden.

Bislang finden sich die Führungskräfte in der Rolle des Wissenslückenfinders, Maßnahmenplaners und Maßnahmenumsetzers und vielleicht noch in der des Performance-Kontrolleurs wohl und wieder. Die moderne Lernwelt wird neue Funktionen und Rollen mit sich bringen: Lerncommunity-Manager, Co-Working Facilitator oder Lernprozessbegleiter und Lern-Coaches beispielsweise. So wird aus „Human Resources” zukünftig „Human Development Support & Service”.

Die passenden Lernangebote finden

Die neuen Anforderungen der Arbeitswelt zeigen: Klassische Seminare müssen weichen. Stattdessen braucht es Barcamps, Learning Journeys, Working-Out-Loud-Formate, Kaminabende und Selbstlern-Sessions – mal online, mal onsite und mal hybrid. Aber dieses „Neue Lernen“ im Unternehmen kann nur erfolgreich sein, wenn das Lerndesign den Persönlichkeiten der Mitarbeitenden entspricht.

Evaluieren Sie also zunächst die Bedürfnisse, Werte und Lern-Reifegrade – und dann entwickeln Sie individuelle Lernangebote. Die Möglichkeiten und Formate sind vielfältig.

Inhalte und die Art und Weise der Wissensvermittlung werden den Bedürfnissen wie auch dem Lern-Reifegrad der Teilnehmenden angepasst. Dabei helfen Persönlichkeitsanalysen wie das Reiss Motivation Profile® zur Erfassung der intrinsischen Motive sowie die 9 Levels Of Value Systems® zur Analyse der individuellen Wertesysteme.

Die Diagnostik-Tools unterstützen dabei, die Bedürfnisse der am Lernprozess Teilnehmenden besser zu verstehen und im Lernprozess gezielt zu berücksichtigen.

Beispiel: Ausbildung zum Organisationsentwickler up/SKILL:OE

Bei einem Ausbildungsprogramm zum Organisationsentwickler wurden die Teilnehmenden mit 9 Levels Of Value Systems® analysiert. Das Ergebnis: Kollektivistische „grüne“ Werte wie Dialog, Gemeinschaft und Partizipation sowie individuelle „gelbe“ Werte wie Eigenverantwortung, Multiperspektivität und persönliche Entwicklung dominieren in dieser Ausbildungsgruppe. Die Teilnehmenden legen viel Wert auf Selbstverantwortung, Selbststeuerung und Autonomie.

Und auch die Auswertung der Reiss Motivation Profile® machte deutlich: Im Prozess brauchen sie keinen Ausbilder, sondern einen Community Facilitator. Der Arbeitsmodus sollte nicht auf Effizienz und Effektivität getrimmt sein, sondern vernetztes Lernen und Co-Creation in den Mittelpunkt rücken.

Fünf kreative New-Learning-Methoden für Ihr Unternehmen

Je nach Situation und Lernbedürfnis können unterschiedliche Methoden für das New Learning eingesetzt werden. Hier fünf Anregungen für die Konzeption eines New-Learning-Angebots:

Working Out Loud (WOL)

Working out Loud basiert auf einer Idee des IT-Spezialisten Bryce Williams. In seinem Blogpost „When will we Work Out Loud? Soon!“ aus dem Jahr 2010 definiert er Working Out Loud (WOL) in einer klaren Formel:

Working Out Loud = Observable Work + Narrating Your Work

Das Erfolgsrezept dahinter: Wenn jeder Einzelne alle anderen an seiner Arbeits-, Erfahrungs- und Gedankenwelt teilhaben lässt, lernen dabei alle Beteiligten und werden besser. Soziale Netzwerke und Kollaborationsumgebungen helfen dabei, sich aktiv in den Prozess einzubringen.

Nach dem Prinzip „Sharing is caring“ ist WOL damit eine hoch kooperative Methode, um Beziehungen aufzubauen, die dabei helfen, ein Ziel zu erreichen, eine Fähigkeit zu entwickeln oder ein neues Thema zu entdecken.

Die WOL-Methode wurde von John Stepper weiterentwickelt und für Unternehmen nutzbar gemacht. Fünf Aspekte bilden den Kern von Working Out Loud:

  • Beziehungen (Relationships)
  • Großzügigkeit (Generosity)
  • Sichtbare Arbeit (Visible work)
  • Zielgerichtetes Verhalten (Purposeful Discovery)
  • Wachstumsorientiertes Denken (Growth Mindset)

Zumeist bildet ein 12-wöchiges Programm (der sogenannte WOL Circle) den Rahmen, in dem meist vier bis fünf Personen selbstbestimmt verschiedene Übungen (die Circle Guides) durchlaufen und sich gegenseitig dabei unterstützen, ein selbstgestecktes Ziel zu erreichen.

Barcamp

Ein Barcamp ist eine Konferenz oder Tagung, dessen Inhalte und Ablauf von den Teilnehmenden zu Beginn der Tagung gemeinsam entwickelt und im weiteren Verlauf ausgestaltet werden. Barcamps dienen dem inhaltlichen Austausch und der Diskussion, zum Teil können aber auch konkrete Resultate oder Lösungen erarbeitet werden.

In diesem offenen Prozess stehen ausschließlich die Teilnehmenden mit ihren individuellen Themen, Fragen und Beiträgen im Mittelpunkt. Aufgrund ihrer selbstbestimmten und proaktiven Rolle werden die „Teil-Nehmer“ in Barcamps häufig auch „Teil-Geber“ genannt.

Design Thinking

Das Lösen von Problemen oder die Entwicklung neuer Ideen sind häufig das Ziel von Design-Thinking-Workshops. Dabei wird insbesondere die Kunden- oder Nutzersicht in den Mittelpunkt gestellt, die sogenannte Customer Centricity. Die klassischen Phasen sind:

  • Problem verstehen und definieren
  • Kunden- und Nutzerbedürfnisse beobachten und verstehen
  • Standpunkt entwickeln
  • Brainstorming
  • Prototyp entwickeln
  • Testen und durch Feedback optimieren

Learning Journey

Learning Journey meint eine „Lern-Reise zum Kunden“. Besuche bei Start-ups, Konzernen, kleinen und mittelständischen Unternehmen oder bei NGOs (Non-Governmental Organisations) geben den Lernenden konkrete, praktische und interaktive Einblicke in die Praxis – häufig in kleinen Gruppen und professionell vor- und nachbereitet.

Sie erhalten authentische Erfahrungsberichte und tauschen sich vor Ort mit Experten und Betroffenen aus. Zumeist stehen Themen wir Agilität, New Work oder Change-Prozesse im Mittelpunkt.

MOOCs

Die Abkürzung MOOC steht für Massive Open Online Course, also ein „riesiger offener Onlinekurs“. Diese internetbasierten Fernlehrgänge richten sich an besonders viele Teilnehmende, sind meist kostenlos und offen für alle. Das heißt, es wird komplett auf Zugangs- und Zulassungsbeschränkungen verzichtet.

Ihren Ursprung haben MOOCs in der Hochschulwelt. Vorlesungen oder Seminare werden auf Video aufgezeichnet und dann online zur Verfügung gestellt. Mittlerweile nutzen auch immer mehr Unternehmen wie Credit Suisse, Telekom, SAP oder Audi Corporate MOOCs für die interne Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden.

Ein gutes Corporate MOOC besteht meist aus Vorträgen oder Vorlesungen von Experten zu einem bestimmten Thema. Diese werden auf Video aufgezeichnet und den Mitarbeitenden online oder im Intranet zur Verfügung gestellt. Ergänzend erhalten sie weitere Lernmaterialien und Lern-Tools wie Studienhefte, Übungen oder Quiz zur Vor- und Nachbereitung.

Ferner können sie sich in Online-Communities oder Chats untereinander oder mit den Experten der Vorträge über die Lerninhalte austauschen.

Dazu im Management-Handbuch

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