Fall 1: Zu spät zur Arbeit kommen

Ein Arbeitnehmer kommt wegen eines Staus im Berufsverkehr zu spät zur Arbeit. Was passiert mit der „verlorenen“ Arbeitszeit?

Grundsätzlich gilt: Der Arbeitnehmer ist dafür verantwortlich, pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen. Er trägt das sogenannte Wegerisiko. Kommt er wegen eines Staus im Berufsverkehr oder aufgrund eines Zugausfalls zu spät zur Arbeit, kann er für die verlorene Arbeitszeit keine Vergütung verlangen und muss diese nacharbeiten.

Das Gleiche gilt bei angekündigten Streiks im öffentlichen Nahverkehr. In solchen Fällen müssen es die Arbeitnehmer entsprechend organisieren, dass sie trotzdem rechtzeitig zur Arbeit kommen. Auch winterliche Verkehrsbehinderungen durch Schnee und Eis fallen unter das Wegerisiko des Arbeitnehmers.

Fall 2: Verspätete Gehaltszahlung

Der Arbeitgeber zahlt das Gehalt nicht pünktlich. Was kann der betroffene Mitarbeiter tun? Darf er die Arbeitsleistung verweigern?

Hierbei kommt es darauf an, wie lange der Arbeitgeber schon mit der Zahlung in Verzug ist. Bei kurzzeitigen Verzögerungen von einigen wenigen Tagen darf der Arbeitnehmer nicht gleich mit Arbeitsverweigerung reagieren. Das wäre unverhältnismäßig.

In einem solchen Fall ist es ratsam, sich zunächst an die Personalabteilung oder an die Lohnbuchhaltung zu wenden, um zu erfahren, was der Grund für die verzögerte Lohnzahlung ist und wann mit der Zahlung gerechnet werden kann.

Fall 3: Ungleiches Gehalt

Eine Mitarbeiterin hegt den Verdacht, dass ein männlicher Kollege wesentlich mehr verdient als sie. Beide haben die gleiche Qualifikation. Was kann sie tun?

Hinsichtlich der Vergütung gilt der Grundsatz: „Equal Pay“. Das heißt, Frauen und Männer mit gleicher oder vergleichbarer Position und Qualifikation müssen gleich vergütet werden.

Jedoch verdienen Frauen oftmals immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen. Das Problem dabei ist, dass die Gehaltsstrukturen in vielen Betrieben nicht transparent sind. Das bedeutet: Oft wissen Frauen gar nicht, was ihre männlichen Kollegen genau verdienen.

Nach dem Entgelttransparenzgesetz haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten einen Auskunftsanspruch bezüglich des Gehalts von Arbeitskollegen in vergleichbarer Position. Jedoch bezieht sich dieser Auskunftsanspruch nicht auf das konkrete Gehalt eines bestimmten Arbeitnehmers, sondern auf das monatliche Durchschnittsentgelt innerhalb der Vergleichsgruppe.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre Kollegen für die gleiche Arbeit und die gleiche Leistung mehr Gehalt bekommen, bitten Sie die Personalabteilung um eine entsprechende Übersicht. Sprechen Sie anschließend mit Ihrem oder Ihrer Vorgesetzten und verweisen Sie auf den Equal-Pay-Grundsatz.

Fall 4: Diskriminierung und Mobbing

Ein Mitarbeiter wird von einem Arbeitskollegen wegen seiner Herkunft gemobbt und ausgegrenzt. Was kann der Betroffene tun?

Wird ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz diskriminiert, hat er nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein Beschwerderecht und kann von seinem Arbeitgeber verlangen, dass dieser ihn schützt und Gegenmaßnahmen ergreift.

Arbeitgeber müssen deshalb eine Beschwerdestelle im Betrieb einrichten und ihre Mitarbeitenden informieren, wo man sich beschweren kann. Wenn sich ein Mitarbeiter benachteiligt oder diskriminiert fühlt, kann er sich an diese Beschwerdestelle wenden. Sie muss die Beschwerde prüfen und das Ergebnis ihrer Prüfung dem betroffenen Beschäftigten mitteilen.

Fall 5: Benachteiligung in Teilzeit

Eine Teilzeitmitarbeiterin fühlt sich benachteiligt. Bei der Urlaubsplanung werden ihre Terminwünsche vom Arbeitgeber immer nachrangig im Vergleich zu den Wünschen der Vollzeitkräfte berücksichtigt.

Im Arbeitsrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz. Daraus folgt unter anderem, dass Teilzeitkräfte gegenüber den Vollzeitbeschäftigten nicht benachteiligt werden dürfen. Das gilt auch für die Urlaubsplanung.

Arbeitgeber dürfen demnach Vollzeitmitarbeiter bei der Urlaubsplanung nicht generell bevorzugen, sondern müssen versuchen, einen fairen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen zu finden.

Fühlen Sie sich als Teilzeitkraft benachteiligt, weisen Sie Ihre Vorgesetzten auf den Grundsatz der Gleichbehandlung hin und bitten Sie um faire und transparente Regeln.

Fall 6: Urlaubsplanung mit und ohne schulpflichtige Kinder

Ein Mitarbeiter, der keine Kinder hat, möchte gerne während der Schulferien Urlaub nehmen. Der Arbeitgeber lässt in diesem Zeitraum den Beschäftigten mit schulpflichtigen Kindern den Vortritt beim Urlaub. Welches Interesse hat Vorrang? Muss der Mitarbeiter auf einen Termin außerhalb der Schulferien ausweichen?

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber über die zeitliche Lage der Urlaubstage bestimmen darf. Dabei sollte er die Terminwünsche der Beschäftigten berücksichtigen.

Einen Anspruch darauf, an einem bestimmten Wunschtermin im Jahr Urlaub nehmen zu können, haben Arbeitnehmer allerdings nicht – unabhängig davon, ob sie schulpflichtige Kinder haben oder nicht.

Kollidieren die Urlaubswünsche mehrerer Arbeitnehmer miteinander, darf der Arbeitgeber soziale Aspekte in seine Entscheidung miteinfließen lassen. Dementsprechend ist es erlaubt, dass er Mitarbeitern mit schulpflichtigen Kindern hinsichtlich des Urlaubs in den Schulferien Vorrang gewährt.

Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass kinderlose Mitarbeitende bei der Urlaubsplanung immer zurückstecken und auf Termine außerhalb der Schulferien ausweichen müssen.

Fall 7: Anordnung von Überstunden

Ein Mitarbeiter wird von seinem Vorgesetzten regelmäßig angewiesen, Überstunden zu leisten. Der Arbeitnehmer fühlt sich durch die vielen Überstunden in seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt. Kann er verlangen, dass er weniger oder gar keine Überstunden machen muss?

Zunächst kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber und Vorgesetzte im konkreten Fall überhaupt Überstunden anordnen darf. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitgeber Überstunden nicht einseitig anordnen dürfen, das heißt: nicht ohne Zustimmung des Beschäftigten.

Nur in absoluten Notsituationen dürfen Arbeitgeber aufgrund ihres Weisungsrechts Überstunden einseitig anordnen.

Ansonsten gilt: Arbeitnehmer sind zum Ableisten von Überstunden dann verpflichtet, wenn es im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung eine Regelung gibt, die es dem Arbeitgeber erlaubt, Überstunden anzuordnen.

Eine solche Regelung ist aber nur wirksam, wenn für den Arbeitnehmer daraus ersichtlich wird, in welchem Umfang er maximal Überstunden leisten muss und wie die geleisteten Überstunden ausgeglichen werden.

Prüfen Sie Ihren Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen und Tarifvertrag im Hinblick auf Überstundenregelungen. Wenn Ihre Vorgesetzten unberechtigt Überstunden fordern, lehnen Sie diese im Zweifel ab.

Fall 8: Anspruch auf Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld

Ein Arbeitgeber hat über Jahre hinweg seinen Mitarbeitern im Sommer ein Urlaubsgeld ausgezahlt. Mit Schreiben an seine Beschäftigten kündigt er an, dass er in diesem Jahr aufgrund einer wirtschaftlich schwierigen Situation auf die Zahlung des Urlaubsgelds verzichten wird. Mitarbeiter A hat das Urlaubsgeld fest eingeplant und fragt sich, ob der Arbeitgeber die Zahlung so einfach streichen darf.

Der Arbeitgeber darf eine Sonderzahlung wie das Urlaubsgeld oder auch das Weihnachtsgeld nur dann streichen, wenn die Mitarbeitenden keinen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung (erworben) haben.

Einen Anspruch auf eine Arbeitgeberleistung wie Urlaubsgeld haben die Beschäftigten dann, wenn diese im Arbeits- oder Tarifvertrag ausdrücklich festgelegt ist und es eine vertragliche Regelung zur Sonderzahlung gibt.

In manchen Betrieben gewährt der Arbeitgeber über Jahre hinweg eine Sonderleistung, ohne dass dies vertraglich festgehalten wurde. Wenn eine solche freiwillige Leistung mindestens drei Jahre hintereinander vom Arbeitgeber erbracht wird, entsteht nach gängiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine sogenannte betriebliche Übung.

Das bedeutet: Nach drei Jahren wiederholter Leistung und damit ab dem vierten Jahr erwerben die Beschäftigten ein Anrecht auf die Leistung aufgrund betrieblicher Übung.

Arbeitgeber, die verhindern möchten, dass aus einer freiwilligen Leistung eine betriebliche Übung (und damit ein einklagbarer Rechtsanspruch) für die Beschäftigten entsteht, können mit einem sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt gegensteuern.

Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder um eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers gegenüber den Beschäftigten. Aus ihr muss hervorgehen, dass die Leistung des Arbeitgebers freiwillig erfolgt und dass auch eine mehrfache Auszahlung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet.

Praxis

Wie Sie Ihr Recht geltend machen

Wenn Ihr Arbeitgeber oder Ihre Vorgesetzten gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen verstoßen, sollten Sie:

  • den Sachverhalt, das Problem oder Ihre Frage genau und sachlich klären und gegebenenfalls aufschreiben;
  • prüfen, welche gesetzlichen Bestimmungen gelten, was der Tarifvertrag für Ihr Unternehmen regelt, was in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung steht und
  • was in Ihrem Arbeitsvertrag geregelt ist.

Vorgesetzte ansprechen

Mit diesen Informationen und Regelungen sprechen Sie Ihre Vorgesetzten an und bitten um eine entsprechende Beachtung und Behandlung.

Personalabteilung oder Geschäftsleitung ansprechen

Wenn der oder die Vorgesetzte sich nicht darum kümmert oder wenn der Sachverhalt nicht in ihrem Entscheidungsbereich liegt, informieren Sie die Personalabteilung und bitten um entsprechende Informationen oder Klärung – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Ihrer Führungskraft.

Wenn es keine Personalabteilung gibt, wenden Sie sich an die Geschäftsleitung.

Betriebsrat ansprechen

Geht es um „soziale Angelegenheiten“ wie Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz, Arbeitszeit, Pausenregelung, Vergütung oder Gleichberechtigung, informieren Sie den Betriebsrat und bitten Sie um Unterstützung.

Sich an die Beschwerdestelle wenden

An die Beschwerdestelle Ihres Betriebs wenden Sie sich, wenn es um die folgenden Themen geht:

  • Diskriminierung
  • Belästigung
  • Mobbing
  • Benachteiligungen

Jeder Betrieb – unabhängig von seiner Größe – muss eine solche Anlaufstelle haben. Fragen Sie bei der Geschäftsleitung nach.

In der folgenden Vorlage sind mögliche arbeitsrechtliche Sachverhalte oder Streitthemen aufgeführt und die jeweiligen Anlaufstellen im Betrieb benannt. Halten Sie fest:

  • Worum geht es in Ihrem Fall?
  • Was wollen Sie erreichen, bewirken, sagen, tun …?

Grundsätzlich gilt, dass den Arbeitnehmern aufgrund einer Beschwerde keine Nachteile oder Maßregelungen drohen dürfen.

Wenn alles nicht hilft

Auf jeder Eskalationsstufe sollten Sie beachten, was dies für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Ihnen als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer einerseits und Ihren Vorgesetzten und Ihrem Unternehmen andererseits bedeutet.

Trotz Maßregelungsverbot kann es im Alltag zu einem „schwierigen Arbeitsverhältnis“ bis hin zu Schikanen führen. Das sollte Sie aber nicht abhalten, Ihre berechtigten Interessen zu artikulieren und die Einhaltung von Recht und Fairness einzufordern.

Jedes Unternehmen und jede Geschäftsleitung sollte ein Interesse daran haben, Missstände zu erkennen und zu beseitigen. Oft sind die Verantwortlichen deshalb auch für entsprechende Hinweise dankbar.

Wenn alles nicht hilft, bleibt nur der Gang zum Anwalt (mit Spezialisierung auf Arbeitsrecht). Dieser prüft den Sachverhalt und schlägt eine Lösung vor. In letzter Konsequenz muss dann das Arbeitsgericht über Ihren Fall entscheiden.

Tipp

Bürgertelefon zum Arbeitsrecht

Das BMAS, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (in Deutschland), unterhält ein Bürgertelefon zum Thema Arbeitsrecht. Hier können Sie anrufen, wenn Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer Fragen zum Arbeitsrecht haben: 030 221 911 004

Weitere Informationen und Beratung gibt es auf der Webseite des BMAS.

Dazu im Management-Handbuch

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