Ziele, Zwecke, Muss-Anforderungen und Rahmenbedingungen im Lastenheft

Grundsätzlich gilt für alle Lastenhefte und ihre Inhalte: So wenig und offen wie möglich, so viel und genau wie nötig. Die Inhalte des Lastenhefts sollten demnach aus Sicht des Auftraggebers (Kunde) alle Anforderungen und Kriterien beinhalten, die für ihn wirklich wichtig und notwendig sind.

Die Inhalte und Informationen zu den Anforderungen des Auftraggebers sollten möglichst klar und unmissverständlich benannt und beschrieben sein.

Gleichzeitig sollte der Auftragnehmer (Lieferant) genügend Spielraum haben, um aus seiner Sicht und auf der Grundlage seines Know-hows und seiner Erfahrung eine Lösung zu realisieren, die für den Auftraggeber am besten ist. Dazu muss der Auftragnehmer wissen, welche Ziele, Zwecke und Ergebnisse der Auftraggeber erreichen will und welche Rahmenbedingungen und Gegebenheiten für ihn maßgeblich sind.

Genau das muss der Auftraggeber in sein Lastenheft schreiben. Er erläutert demnach im Lastenheft:

  • Was soll gemacht, realisiert oder geliefert werden?
  • Wofür wird diese Lösung dann eingesetzt?
  • Was genau sollte die Lösung in jedem Fall beinhalten, umfassen, können oder leisten?
  • Welche Rahmenbedingungen oder Schnittstellen sind dabei zu beachten?

Der Auftragnehmer nutzt diese Informationen zum „Was“ und „Wofür“, um die genaue Leistung zu beschreiben, die er erbringen will. Er selbst formuliert das „Wie“ der Lösung in seinem Pflichtenheft.

Inhalte und Gliederung eines Lastenhefts

Benennen und beschreiben Sie in Ihrem Lastenheft folgende Themen und Aspekte und stellen Sie die dabei jeweils notwendigen und hilfreichen Informationen zusammen.

1. Thema und Auftraggeber

  • Titel und Thema des Lastenhefts
  • Auftraggeber und Kontaktinformationen (für Rückfragen)

2. Darstellung der Ausgangssituation

  • Was sind Anlass und Gründe für das Vorhaben, auf das sich das Lastenheft bezieht?
  • Was ist das Problem oder die Aufgabenstellung – aus Sicht des Auftraggebers?
  • Warum, wofür und wozu braucht er die Lösung?

3. Leistungsbeschreibung als Liste von Anforderungen

  • Was soll das Ergebnis sein, das mit der Lösung erreicht wird?
  • Was muss in welcher Beschaffenheit geliefert, entwickelt, konstruiert, hergestellt, erbracht werden?
  • Welche Merkmale und Funktionen muss die Lösung haben?
  • Welche technischen Parameter oder Kennwerte muss die Lösung liefern oder erfüllen?
  • Welche Schnittstellen müssen mit der Lösung berücksichtigt und verfügbar sein?

4. Alle relevanten Rand- oder Rahmenbedingungen

  • gesetzliche Anforderungen, Normen, die einzuhalten sind
  • relevante Umgebungsvariablen, die berücksichtigt werden sollen (zum Beispiel Raumtemperatur, Luftreinheit, Beleuchtung, Platzangebot)
  • Anforderungen zur Sicherheit, Gesundheit und zum Umweltschutz
  • Merkmale und Besonderheiten des Anwenders der Lösung (zum Beispiel barrierefreie Nutzung oder Mehrsprachigkeit)

Die Punkte 3 und 4 können auch nach funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen untergliedert werden:

  • Funktionale Anforderungen betreffen unmittelbar die Lösung oder das System mit den notwendigen Merkmalen, Eigenschaften, Funktionen, Aktionen und Interaktionen.
  • Nicht-funktionale Anforderungen betreffen die Rahmenbedingungen in Bezug auf Recht, Technik, Organisation, Anwender, Prozesse, Qualität und Lieferung.

Die richtige Detaillierung der Anforderungen im Lastenheft

Der Auftraggeber muss im Einzelfall prüfen und entscheiden, in welcher Detailtiefe die einzelnen Punkte im Lastenheft dargestellt sein müssen. Allgemein gilt: Die Details sollten im Lastenheft so dargestellt sein, dass der Leser weiß, was er tun muss. Was er nicht tun muss, sondern selbst bestimmen und gestalten kann, wird nicht beschrieben.

Mögliche Detailebenen im Lastenheft – von 1. Ebene = einfache Beschreibung bis 5. Ebene = genaue Details – sind:

  1. grobe Systembeschreibung, Überblick über das Gesamtsystem oder den gesamten Prozess, wesentliche Schnittstellen
  2. Anwendungsfälle als User Story oder Use Case, Funktionen und Aktionen
  3. Anwenderanforderungen, Merkmale, Eigenschaften, Verhaltensweisen, wichtige Normen und Vorschriften, Testfälle
  4. detaillierte Anforderungen an technische Merkmale, Teil-Funktionen, Schnittstellen
  5. Anforderungen an einzelne Komponenten, genaue Merkmale und Eigenschaften, Bezug zu Normen, exakte Vorschriften zu Leistungskennzahlen, Qualitätskennzahlen, exakte Schnittstellenbeschreibung, Datenbeschreibungen, erwartete Testergebnisse
Tipp

Wie Sie die richtige Detailtiefe finden

Ob und welche Details Sie in einem Text wie dem Lastenheft benennen oder beschreiben, hängt von folgenden Aspekten und den jeweiligen Antworten ab:

  • Wie wichtig ist es, dass der Leser exakt das tut, was Sie von ihm wollen?
  • Wie wichtig sind diese Details, damit der Leser die richtige Entscheidung trifft?
  • Inwiefern akzeptiert der Leser Detailvorgaben – oder fühlt er sich in seiner Selbstbestimmung unnötig eingeschränkt?
  • Wie groß ist die Gefahr, dass durch die Detailbeschreibung eine Lösung vorgegeben und eine bessere Lösung ausgeblendet oder ausgeschlossen wird?
  • Inwiefern ist der Leser bereit und in der Lage, die Vorgaben wahrzunehmen und zu verstehen?
  • Wie hoch ist sein Zeitaufwand für das Lesen und Verarbeiten der detaillierten Information?
  • Was tragen die Details zur Verständlichkeit und zum Verständnis des Lesers bei – abhängig von der Zielgruppe und dem Kenntnisstand des Lesers?

Anforderungen und Zusammenhänge visualisieren

Hilfreich ist, wenn Sie in Ihrem Lastenheft Tabellen, Diagramme, Layouts, Skizzen oder Zeichnungen einbauen und zur Verfügung stellen. Sie zeigen dem Auftragnehmer Besonderheiten, Schnittstellen, Größen, Zusammenhänge oder das Aussehen von erwarteten Lösungen.

Ergänzend können Sie Formulare, Muster, Prototypen oder Beispiele darstellen. Bei Bedarf können Dateien zum Lastenheft mit technischen Zeichnungen, Simulationen, Testberichten oder Kennzahlen ergänzt werden.

Prüfen Sie außerdem, ob alle von Ihnen verwendeten Begriffe für die Leserinnen und Leser beim Auftragnehmer verständlich sind. Ansonsten können Sie diese in einem Glossar definieren und erläutern. Achten Sie darauf, dass Ihre Beschreibungen und die Formulierungen knapp, präzise, eindeutig, verständlich und einfach sind.

Formale Anforderungen im Lastenheft

Darüber hinaus kann das Lastenheft formale Angaben zur Lieferung der Leistung beinhalten, die für den Auftragnehmer wichtig sind. Zum Beispiel:

  • Termin, bis zu dem die Lieferung der Leistung erfolgen soll
  • Ort, an den geliefert werden soll
  • Art der Lieferung, Übergabe, Inbetriebnahme
  • Probebetrieb, Test
  • Budgetvorgaben
  • Wirtschaftliche Leistungskenngrößen, die eingehalten werden sollen (Termine, Kosten, Produktivität, Verfügbarkeit etc.)
  • Dokumentationen und Beschreibungen, die geliefert werden sollen
  • Schulungen, Einweisungen, die angeboten werden sollen
  • Rechte, die eingeräumt werden sollen (Nutzungsrechte)
  • Geschäftsbedingungen, die bei der Auftragsvergabe vertraglich relevant sind: Gewährleistungen, Sorgfaltspflichten in Lieferketten, Compliance-Anforderungen etc.
  • Zertifikate, die der Auftragnehmer (Anbieter) haben soll
  • Zahlungsbedingungen
  • Ansprechpartner für fachliche Fragen und Abstimmungen

Standardisierungen von Lastenheften

Für einige Anwendungsbereiche und Produkte haben Unternehmen oder Verbände jeweils eigene Vorlagen für die Lastenhefte entwickelt und als Standard vorgegeben. Diese werden dann vom Auftraggeber als Grundlage genommen und für den jeweiligen Fall ausgefüllt.

Für Anwendungen aus der Automatisierungstechnik gibt es beispielsweise die VDI/VDE-Richtlinie 3694. Dort wird das Lastenheft folgendermaßen gegliedert:

  • Einführung in das Projekt
  • Ausgangssituation (Istzustand)
  • Aufgabenstellung (Sollzustand)
  • Anforderungen für die Kommunikationsschnittstellen
  • Anforderungen an die Systemtechnik
  • Anforderungen für Systementwicklung, Inbetriebnahme und Einsatz
  • Anforderungen an die Qualität
  • Anforderungen an die Projektabwicklung
  • Gesetze, Normen, Richtlinien

Ein weiterer Standard für Lastenhefte hat das Institute of Electrical and Electronic Engineers (IEEE) für Software Requirements Specification (SRS) erarbeitet. Im Standard ANSI/IEEE Std 29148-2018 ist als Gliederung für Lastenhefte genannt:

1. Einleitung

  • Zweck (des Dokuments)
  • Umfang (des Softwareprodukts)
  • Erläuterungen zu Begriffen und Abkürzungen
  • Verweise auf sonstige Ressourcen oder Quellen
  • Übersicht (Wie ist das Dokument aufgebaut?)

2. Allgemeine Beschreibung (des Softwareprodukts)

  • Produktperspektive (zu anderen Softwareprodukten)
  • Produktfunktionen (eine Zusammenfassung und Übersicht)
  • Benutzermerkmale (Informationen zu erwarteten Nutzern, zum Beispiel Bildung, Erfahrung, Sachkenntnis)
  • Einschränkungen (für den Entwickler)
  • Annahmen und Abhängigkeiten (Faktoren, die die Entwicklung beeinflussen, aber nicht behindern, zum Beispiel Wahl des Betriebssystems)
  • Aufteilung der Anforderungen (nicht Realisierbares und auf spätere Versionen verschobene Eigenschaften)

3. Spezifische Anforderungen (im Gegensatz zu 2.)

  • funktionale Anforderungen (stark abhängig von der Art des Softwareprodukts)
  • nicht-funktionale Anforderungen
  • externe Schnittstellen
  • Design Constraints
  • Anforderungen an Performance
  • Qualitätsanforderungen
  • Sonstige Anforderungen
Praxis

Lastenheft schreiben und Standards nutzen

Wenn Sie ein Lastenheft für Ihre Leistungsanforderungen und eine Ausschreibung erstellen wollen, prüfen Sie, welche Vorlagen und Standards in Ihrem Unternehmen dafür bereits bestehen. Nutzen Sie diese und passen Sie diese bei Bedarf an.

Sie können auch die folgende Vorlage für Lastenhefte nutzen, in der mögliche Inhalte genannt und gegliedert sind. Sie finden diese Vorlage in einer Word- und Excel-Version.

Um diese Inhalte eines Lastenhefts zu benennen und zu formulieren, brauchen Sie unterschiedliche Informationen. Diese müssen Sie zunächst recherchieren und dann bewerten und für das Lastenheft aufbereiten.

Dazu im Management-Handbuch

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