UnternehmenskulturDie fehlertolerante Lernkultur – drei Fehlertypen

Warum ist eine positive Fehlerkultur in Unternehmen so wichtig? Wodurch zeichnet sie sich aus? Wie Führungskräfte und Unternehmen mit Fehlern von Mitarbeitenden umgehen sollten – und wie nicht. Am Ende profitieren alle, wenn Irrtümer nicht vertuscht, sondern offen kommuniziert werden

Warum eine gesunde Fehlerkultur wichtig ist

In klassischen Unternehmen finden wir oft eine angstvolle Fehlerkultur. Hingegen haben junge Unternehmen längst verstanden: Nur da, wo nichts passiert, passieren garantiert keine Fehler. Deshalb probiert man dort alles Mögliche aus und kalkuliert das Scheitern mit ein.

„Start many, try cheap, fail early”, heißt das Prinzip: Viele Projekte starten, sie mit kleinen Mitteln testen, Flops schnell erkennen und sofort eliminieren. Für den Fall, dass man scheitert, scheitert man früh. Kosten halten sich so in Grenzen.

In der Digitalwelt ist eine gesunde Fehlerkultur demnach völlig normal. In manchen Unternehmen können sich die Mitarbeitenden für eine ungewöhnliche Auszeichnung qualifizieren: „Stelle ein Projekt vor, das so richtig gegen die Wand gefahren ist“, lautet die Aufforderung dort.

Der dahinterliegende Sinn: Alle sollen daraus lernen. Nicht der Fehler, sondern die Lernerfahrung wird also gefeiert. Denn eine negative Haltung gegenüber Fehlern erstickt jeden Hauch von Wagemut schon im Keim. Über einen Mangel an Innovationen darf man sich dann natürlich nicht wundern.

Fehler sind Entwicklungschancen

Vielerorts werden Fehler auch gerne vertuscht – und Scheitern ist inakzeptabel. In der digitalen Szene hingegen werden Fehler als Entwicklungschancen gesehen. Dort fühlt man sich inspiriert von den Geschichten bekannter Unternehmer, die vor ihrem Durchbruch gescheitert sind. So erging es auch Max Levchin, ein Serien-Entrepreneur.

Die erste Firma, die er gründete, scheiterte mit einem großen Knall. Die beiden nächsten Firmen scheiterten auch, nur nicht ganz so dramatisch. Die vierte wäre beinahe nicht gescheitert. Die fünfte war PayPal, ein grandioser Erfolg. Mancherorts werden bereits Bewerber bevorzugt, die schon gescheitert sind. Dort weiß man um den Wert dieser Erfahrung. In gescheitert steckt nämlich gescheiter.

Woher kommt die Angst vor Fehlern?

In der alten Industriekultur konnte jeder Produktionsfehler den Ruin bedeuten, weil klassische Herstellungsprozesse teuer waren. Und Fehler beim Flugzeugbau oder im Krankenhaus können schwerwiegende Schäden anrichten. Was folgenschwere Nachwirkungen haben kann, verlangt zwangsläufig eine Null-Fehler-Toleranz. Und natürlich will jeder Kunde eine fehlerfreie Leistung.

Doch es gilt, zu differenzieren: Fehlerakzeptanz ist in der vorgelagerten Entwicklungs- und anschließenden Optimierungsphase elementar. Dafür gibt es zum Beispiel das Testlabor und den Flugsimulator. Digitale Produkte kommen als Beta-Version auf den Markt und werden mithilfe der User ständig verbessert und weiterentwickelt.

Fehler machen: So früh wie möglich

„Wenn wir nicht genügend Fehler machen, heißt das, dass wir nicht genügend neue Dinge ausprobieren“, sagt Philip Knight, Gründer der Lifestyle-Marke Nike. Einem Anfänger dürfen natürlich mehr Fehler passieren als einem Profi. Niemand ist gleich vom Start weg perfekt. Stolpern gehört zum Laufen lernen dazu.

Schließlich stellt sich die Frage: Ist das dem Fehler zugrundeliegende Problem kompliziert oder komplex? Bei komplizierten Problemen lassen sich Prozesse über feste Routinen in Richtung Fehlerlosigkeit bringen. Bei komplexen Problemen ist genau das nicht möglich. Sie verlangen zwar Rahmenbedingungen, aber auch Spielraum und freie Bahn.

Wer sich schnell verbessern will, benötigt demnach eine fehlertolerante Lernkultur. Und man benötigt folgenden Punkt auf der Meeting-Agenda: „Welche Erfahrungen ich gemacht habe, die sich alle sparen können.“ Mitarbeitende wissen damit gleich: Das wird uns hier nie wieder passieren.

So kann jede erzählte Geschichte dabei helfen, genau die Fehler zu vermeiden, die andere schon hinter sich haben. Wenn man Fehler hingegen verbirgt, dann machen andere möglicherweise bald den gleichen Fehler – und das ganze wiederholt sich unzählige Mal. Und wenn man Fehler verschleppt, macht man aus einem Mini- ein Maxiproblem. So entstehen am Ende Großbaustellen.

Drei Fehlertypen

Auf dem Weg zu einer fehlertoleranten Lernkultur gilt es zunächst, die Fehlerkategorien grundsätzlich zu analysieren. Davon gibt es drei:

Fehlertyp 1

Fehler, die zu einer Katastrophe führen können. Weil es zum Beispiel um die Sicherheit von Menschen, um Finanzzahlen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften oder um das perfekte Funktionieren eines Produktes geht.

Solche Fehler betreffen insbesondere Industrieunternehmen und ihre Produktionsprozesse. Bei diesem Fehlertyp sind stabile Prozesse, vordefinierte Abläufe und penible Kontrollmechanismen unverzichtbar.

Fehlertyp 2

Fehler, die beim Erschaffen von Neuerungen entstehen, zum Beispiel Produkte, Services und Lösungen rund um Kundenbedürfnisse und die moderne Arbeitswelt.

Hier gilt es, Fehlentwicklungen früh zu identifizieren, viel zu testen und anhaltend zu experimentieren in dem Wissen: Innovationen sind ergebnisoffen, sie beinhalten die Option des Scheiterns, erfordern kleine erste Schritte, verlangen Mut, Frustrationstoleranz, Anpassungsvermögen und psychologische Sicherheit. Nicht die Fehler im Entstehungsprozess sind hier die größte Gefahr. Die größte Gefahr ist die, dass das Unternehmen irrelevant wird, weil die Mitarbeitenden sich nichts trauen.

Fehlertyp 3

Absicht, Nachlässigkeit und Schlamperei. Das sind Fehler, die nicht toleriert werden können. Sie erfordern angemessene Konsequenzen – als Botschaft an den Verursachenden – und an alle, die dabei zuschauen.

Wie Unternehmen nicht mit Fehlern umgehen sollten

Folgendes sollte in den Leitlinien jedem Unternehmen stehen: „Bei uns darf jeder Fehler machen, nur nicht den, ihn zum Schaden des Unternehmens zu vertuschen.“ Denn der falsche Umgang mit Fehlern verursacht gleich fünffache Kosten:

  • Aufwendungen für die fehlerhafte Leistungserstellung.
  • Aufwendungen für die notwendige Mängelbeseitigung.
  • Umsatzverluste durch die Abwanderung enttäuschter Kunden.
  • Umsatzverluste, die aus negativer Mundpropaganda entstehen.
  • Vertrauensverluste aufgrund einer schlechten Reputation.

Wo keine Fehler zugelassen werden, geht viel Zeit damit drauf, sich abzusichern. Statt Lösungen zu finden, werden Sündenböcke gejagt. Und überall stehen Besen herum, um Schlamassel unter den Teppich zu kehren. Oder man redet sich Fehltritte schön.

Besser, man geht souverän mit seinem Versagen um und entwickelt Fehlerlernkompetenz. Das bedeutet, Fehler schnellstmöglich aufzudecken, Missstände rasch zu beseitigen und gemeinsam zu besprechen, wie Fehler in Zukunft verhindert werden können. Nicht der Mensch, der einen Fehler gemacht hat, ist das Problem, sondern der Fehler selbst.

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