Entscheidungen treffenKI in der Personalauswahl – Chancen und Risiken

Welchen Chancen bietet Künstliche Intelligenz im Bereich Recruiting? Welche Risiken gibt es? Gibt es auch Nachteile? Was unterscheidet Rationalität und Bauchgefühl? Und wann ist welche Herangehensweise gefragt? Welche Rolle Affective Computing spielt, erläutert die Autorin außerdem.

Bauchgefühl versus rationales Denken

Entwicklungen in der Führungsforschung belegen, dass Vulnerable Leadership – das bewusste Zeigen von Verletzlichkeit, Gefühlen und Authentizität – im Unternehmensalltag eine wichtige Rolle spielt. Allerdings sollten Emotionen kritisches Denken und wissenschaftliche Evidenz nicht ersetzen, schreibt Steven Pinker in seinem Buch „Mehr Rationalität“.

Pinker meint, dass wir uns der „objektiven Wahrheit“ am besten durch rationales Verstehen nähern können. Unser Bauchgefühl ist nur in jenen Themengebieten verlässlich, wo wir uns gut auskennen. Wenn es aber um neue und wichtige Entscheidungen geht, braucht es Zeit zum Nachdenken.

Schwächen des rationalen Denkens

Dabei sollten auch Denkfallen, die richtige Entscheidungen verhindern, berücksichtigt werden. Typische Denkfallen sind:

  • Es werden nicht alle Aspekte einer Entscheidung gegeneinander abgewogen.
  • Korrelationen werden mit Kausalitäten verwechselt.
  • Einzelfälle erhalten eine zu starke Gewichtung.
  • Aufgenommen werden nur jene Informationen, die zum Gedachten passen (Bestätigung des eigenen Weltbildes).
  • Das Gehirn filtert alles heraus, was nicht zur eigenen Denkstruktur passt.
  • Es wird davon ausgegangen, dass es immer besser ist, etwas zu tun als nichts zu tun.
  • Zufallskomponenten werden ausgeblendet.

Wer solche Entscheidungsfehler rechtzeitig erkennt, tappt weniger leichtfertig in Denkfallen. Auch im Management- und Führungskontext ist es unerlässlich, solche Denkfallen zu beachten, um die eigene Intuition zu erkennen und mit dem Intellekt zu verknüpfen. Eine gute Führungskraft zeichnet sich aus, dass sie Entscheidungen aus einer Kombination aus Bauch und Kopf fällt. Erst die Kombination verbessert die eigene Entscheidungsfähigkeit.

Ersetzt Künstliche Intelligenz (KI) das rationale Denken?

Künstliche Intelligenz (KI) gehört seit Jahren zu den wichtigsten Treibern der Digitalisierung. Sie unterstützt bei datenbasierten Entscheidungen oder Automatisierungen, die zahlreiche Verbesserungen ermöglichen. KI ist besonders gut, wo es viele Daten und wiederkehrende Routinen gibt.

Um die Leistung von KI nachhaltig zu verbessern, muss die physische Umgebung stabiler und das Verhalten von Menschen vorhersehbarer gemacht werden. Ansonsten ist der gesunde Menschenverstand, der auf den lateinischen Terminus „sensus communis" zurückgeht, noch immer unverzichtbar.

KI bei der Bewerberauswahl

Am Beispiel Personalauswahl lässt sich sehr gut zeigen, welche Chancen Künstliche Intelligenz (KI) bietet. „Etwa ein Drittel aller Personalentscheidungen sind falsch“, sagen Helen Landhäußer (CEO der LOOXR GmbH) und Florian Feltes (CEO und Co-Founder von Zortify S.A.). Ein Grund dafür ist, dass die Fähigkeit, das Gegenüber richtig zu analysieren, überschätzt und die Auswirkungen der eigenen Fehlentscheidung unterschätzt wird.

„Gerade, wenn es um Persönlichkeitseigenschaften geht, die korrosiv wirken können, sind die meisten klassischen Auswahlverfahren blind. So zeigt sich, dass besonders narzisstische Persönlichkeiten in Toppositionen landen.“ Mit Unterstützung von KI ist es möglich, in einer ganz anderen Qualität analysieren und Transparenz zu gewährleisten.

Künstliche Intelligenz und Bauchgefühl

Aber wie viel Gefühl steckt in KI? Kann Künstliche Intelligenz Entscheidungen genauso intuitiv treffen, wenn sie dafür trainiert wird?

Die grundsätzliche Frage, die sich für Helen Landhäußer hierbei stellt, ist, ob Algorithmen mit moralischen Ansprüchen entwickelt werden können: „Wenn wir Menschen auf unser Bauchgefühl und unsere Intuition vertrauen, dann bildet sich auch hier ein Schema ab. Unser Bauchgefühl gleicht mit Erfahrungswerten ab und kann sich entwickeln – ist dies nicht auf Maschinen und Algorithmen übertragbar?“

Mit Affective Computing Bewerber einschätzen

Damit kommt das Affective Computing ins Spiel, ein experimenteller Bereich der KI, in dem Computer lernen sollen, menschliche Emotionen richtig einzuschätzen und anschließend zu imitieren. Das Einschätzen der Emotionen und Gefühlszustände mittels Sprach-, Text- und Bildanalyse ist schon recht fortgeschritten.

„Emotionen werden über Mimik und die Tonalität, Frequenz von Sprache wahrgenommen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, dass wir Maschinen ein gewisses Verständnis ermöglichen, was die emotionalen Reiz-Reaktions-Ketten nachbilden lässt. Als Folge erscheinen uns die Maschinen menschlicher, ihr Verhalten wird als natürlich empfunden“, schreibt Feltes. Es gibt also Möglichkeiten, KI mit Gefühl anzureichern und diese menschlicher wirken zu lassen. 

Risiken bei der Bewerberauswahl mit KI: Menschen mit Vorurteilen

Entscheidend dabei ist, ob KI komplett selbstlernend ist oder aber von Menschen geleitet wird. Dann besteht allerdings die Gefahr, „dass negatives Feedback nicht berücksichtigt wird, die KI von Menschen trainiert wird, die, bewusst oder unbewusst, ihre Denkmuster, Haltungen und Meinungen auf die künstliche Intelligenz übertragen; so können allerdings auch Voreingenommenheit oder für verschiedene Gruppe nachteilige, gar verletzende Inhalte trainiert werden“, so Feltes.

Das kann dazu führen, dass sich KI durch das Anreichern dieser Informationen durch menschliches Leiten in eine nicht gewollte Richtung entwickelt; ein Beispiel dafür ist Tay – ein von Microsoft entwickelter weiblicher Chatbot. Bei Zortify wird von „Artificial Intelligence for Human Decision Making“ gesprochen. Das bedeutet, „wir wollen Menschen nicht ersetzen, wir wollen ihnen vielmehr ermöglichen, die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen“ (Florian Feltes).

Folgen für KI und Personalauswahl

Bei der Personalauswahl kann KI nach Ansicht der Autoren eine Vorauswahl von Bewerbern treffen, die definierte Voraussetzungen erfüllen. Die Frage ist jedoch: Ist jemand, nur weil er gewisse Voraussetzungen erfüllt, auch wirklich der richtige Kandidat, der ins Team passt, und einen ähnlichen Kompass der Moral in sich trägt wie die anderen Teammitglieder?

Diese Frage beschäftigt auch den Unternehmer und Personalexperten Werner Neumüller. Gute Personalauswahl bedeutet für ihn, jene Bewerber zu identifizieren, die die Anforderungen an eine Stelle erfüllen und die Werte der Organisation teilen sowie gut ins Team und zur Unternehmenskultur passen.

Neumüller setzt dabei vor allem auf das persönliche Gespräch: Der ‚Fit‘ muss hier „durch kompetente Personalberater, die sich durch besondere Menschenkenntnis und Beurteilungsfähigkeit auszeichnen, erspürt werden.“ Leider, so seine Kritik, überprüfen nicht alle Unternehmen den Cultural Fit bei der Personalgewinnung und messen ihn nicht systematisch. Dabei wiederum kann die Künstliche Intelligenz Unterstützung bieten.

Hinweis: Die Beispiele und Zitate in diesem Beitrag stammen aus dem folgenden Buch.

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