ProzessorganisationProzessteams sichtbar machen
In vielen Unternehmen wird über Prozesse gesprochen, aber selten über die Menschen, die diese Prozesse am Laufen halten. Dabei ist es gerade diese Gruppe von Mitarbeitenden – über Abteilungen und Standorte hinweg –, die die Leistung eines Geschäftsprozesses gemeinsam verantwortet.
Sie bilden ein Team – ein Prozessteam. Doch dieses Team ist in der Organisation oft unsichtbar.
Merkmale von Prozessteams
Die Mitglieder eines Prozessteams sind gemeinsam verantwortlich, aber nicht gemeinsam organisiert. Das Team besteht aus allen Personen, die an einem bestimmten Prozess beteiligt sind. Beispielsweise bei der
- Bearbeitung eines Kundenauftrags,
- Entwicklung eines Produkts oder
- Bearbeitung einer Reklamation.
Diese Personen haben meist unterschiedliche Vorgesetzte, arbeiten in verschiedenen Bereichen und kennen sich oft nicht einmal persönlich.
Prozessteams zeichnen sich durch diese Merkmale aus:
- Im Organigramm taucht dieses Team nicht auf.
- Es gibt keine gemeinsame Führung.
- Es fehlen definierte Kommunikationswege
- Es finden keine Teammeetings statt.
Und doch tragen sie gemeinsam die Verantwortung für die Qualität der Prozessleistung.
Dieses Konstrukt ist der formalen Organisation fremd. Führungskräfte sehen sich meist nur für ihr eigenes Team verantwortlich, nicht für den gesamten Prozess. Mitarbeitende agieren aus ihrer Bereichslogik heraus – ein übergreifendes Prozessverständnis fehlt.
Prozessteams brauchen Strukturen – auch ohne Organigramm
Wer Prozesse verbessern will, muss deshalb zuerst das dazugehörige Prozessteam sichtbar machen. Der erste Schritt ist oft ein überraschend einfacher: alle Beteiligten an einen Tisch holen.
In diesem Moment wird deutlich, wer eigentlich alles mitwirkt. Die Teilnehmenden erkennen ihre gemeinsame Aufgabe – und damit entsteht überhaupt erst ein Gefühl von Team.
Doch damit ein Team entsteht, braucht es mehr als einen Workshop. Ein Team wird nicht durch einen Namen oder ein Projekt definiert, sondern durch das Gefühl der Zugehörigkeit und gemeinsame Strukturen.
Prozesse verlaufen nicht entlang von Hierarchien, sondern horizontal – deshalb braucht es auch horizontale Teamorganisationen.
Die drei Herausforderungen für Prozessteams
Die Arbeit mit Prozessteams bringt drei zentrale Herausforderungen mit sich:
1. Zugehörigkeit:
Die Mitglieder eines Prozessteams wissen oft gar nicht, dass sie Teil eines solchen Teams sind. Die Zugehörigkeit ist nicht sichtbar, nicht geregelt – und damit auch nicht wirksam. Erst wenn ein gemeinsames Ziel formuliert und anerkannt wird, kann sich Teamgefühl entwickeln.
2. Verantwortung:
In klassischen Linienorganisationen ist Verantwortung meist individuell oder hierarchisch geregelt. Doch Prozesse sind Teamarbeit – und damit ist auch Verantwortung geteilt. Diese gemeinsame Verantwortung muss anerkannt, organisiert und gelebt werden. Es braucht Regeln für Entscheidungsprozesse, Priorisierung und Konfliktlösung im Team.
3. Struktur:
Ein Prozessteam braucht geeignete Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen. Häufig werden Entscheidungen „nach oben“ delegiert, weil keine Klarheit besteht, wer im Prozessteam was entscheiden darf. Ohne klare Struktur wird Zusammenarbeit zur Stolperfalle.
Teamentwicklung für Prozesse: Ein systemischer Blick
Prozessmanagement muss deshalb immer auch Teamentwicklung sein.
Der Aufbau von Prozessteams folgt nicht klassischen Mustern, sondern erfordert ein systemisches Vorgehen. Dabei ist der erste Schritt die Beobachtung: Wer arbeitet eigentlich wann, wo und wie an diesem Prozess mit?
Erst durch das „Daraufschauen“ entsteht der Prozess als beobachtbares Konstrukt – und erst durch diese Beobachtung entsteht auch das Team.
Wenn wir beginnen, mit den Beteiligten über ihre Zusammenarbeit zu sprechen, erkennen sie sich als Teil eines gemeinsamen Systems. Aus einer losen Gruppe wird ein Team – ein Prozessteam.
ReTeaming: Aus Gruppen Teams machen
Ein hilfreicher Ansatz ist das ReTeaming-Konzept aus der systemischen Organisationsentwicklung. Dabei werden die Teammitglieder eingeladen, ihre Zusammenarbeit selbst zu gestalten.
Das gelingt, wenn fünf Bedingungen erfüllt sind:
- Das Ziel ist ein gemeinsames Ziel – nicht eines „von oben“.
- Das Ziel hat Bedeutung für alle.
- Es besteht Zuversicht, dass das Ziel erreichbar ist.
- Es gibt sichtbare Fortschritte.
- Rückschläge sind einkalkuliert und werden gemeinsam getragen.
Diese Prinzipien lassen sich auch auf Prozessteams anwenden. Statt mit Vorgaben und Strukturplänen von außen zu kommen, beginnt die Arbeit mit der Klärung gemeinsamer Anliegen und der Frage: Wie wollen wir zusammenarbeiten, damit der Prozess besser läuft?
Fazit
Das Prozessteam ist kein „Nice-to-have“, sondern die Voraussetzung für Prozessverbesserung.
Die meisten Veränderungsprojekte im Prozessmanagement scheitern nicht an mangelnder Analyse, sondern an der fehlenden Organisation der Zusammenarbeit.
Prozesse gelingen nur, wenn die beteiligten Menschen in eine arbeitsfähige Teamstruktur eingebunden sind.
Wer Prozessmanagement ernst nimmt, muss also Prozessteams sichtbar machen, organisieren und entwickeln – auch wenn sie in keiner formellen Struktur vorgesehen sind.
So entstehen echte Verantwortung, bessere Kommunikation und eine Kultur der Zusammenarbeit, die nicht an Abteilungsgrenzen endet.


