Kreativitätstechniken anwendenMit Kreativitätstechniken vom Problem zur Lösung

Kreativitätstechniken helfen, für schwierige Probleme gute Lösungen zu finden. Wichtig ist, dass das Problem und die Ziele klar sind und die Kreativitätstechnik zum Schwierigkeitsgrad des Problems passt. Im Beruf ist Kreativität eine Schlüsselkompetenz.

Beispiele für praktische Probleme

Unser ganzes Leben ist mit Problemen gespickt. Ein kleiner Nagel soll in die Wand und nirgendwo ein Hammer – ein Problem (1). Die letzte Laborversuchsreihe war wieder erfolglos und man fragt sich, welche Parameter verändert werden sollten, um zur Lösung zu kommen – ein Problem (2). Die Konkurrenten haben inzwischen alle die gleiche Technik im Angebot, und die Geschäftsführung fordert eine aufsehenerregende Marketingaktivität – ein Problem (3). Das Angebot für eine neue Walzstraße ist bestätigt, und nun gilt es, die Herstellung kostengünstiger zu machen, um in die Gewinnzone zu kommen – ein Problem (4). Eine Brandgefahr soll erkannt werden bevor der Brand ausbricht – ein Problem (5). Unser ganzes Leben ist mit Problemen gespickt.

  • Schauen wir genauer hin, zeigt sich, dass diese Probleme ganz unterschiedlicher Natur sind. Im ersten Fall wird die Person sich umschauen, ob nicht irgendein Ersatzwerkzeug verfügbar ist. Und schließlich einen Schuh ausziehen und mit dem Absatz den Nagel in die Wand treiben. Eine spontane Lösung, die mittels Zweckentfremdung zum Erfolg führte.
  • Die Laborleiterin wird sich mit ihrem Team noch einmal zusammensetzen und mittels Kartentechnik die bisherigen Arbeitshypothesen und ihre Misserfolge überschaubar darstellen. Mit einer Frageliste wird sie neue Varianten hervor kitzeln, die in einer überraschenden Laborplanung münden.
  • Die Marketingabteilung hatte längst alle möglichen Kommunikationsinstrumente ausprobiert. Und weitere Kreativsitzungen hatten keine überzeugende Idee hervorgebracht. Nun holte man sich einen Trainer ins Haus, der die ausgebrannten Marketingleute verwandelte. Mit Verfremdungstechniken gingen ihre Gedanken spazieren und trafen dabei auf irre Ideen.
  • Walzstraßen sind sehr komplex. Wo soll man anfangen mit dem Sparen? Und welche Stelle würde die größten Effekte haben? Eine Wertstromanalyse liegt noch irgendwo im Kasten. Schnell sind die beiden werthaltigsten Prozessschritte identifiziert. Mit einer Funktionsmodellierung werden beide analysiert, und mit einer morphologischen Darstellung und Lösungen aus Konstruktionskatalogen gelingen merkliche Einsparungen.
  • Bisher konnte man Hotels und Konferenzzentren mit Sprinklern ausrüsten und sein Geld verdienen. Bibliotheken dagegen winken angesichts des Wassers ab und die Leser vertragen keinen Stickstoff. Im Hochregallager wollte man auch keine Lösungen haben, die den Brand unter Kontrolle bringt, aber die Lagergüter verraucht oder nässt. Den Brand verhindern, bevor er ausbricht, – das geht ja wohl nicht. Doch, sagen TRIZ-Kenner und erarbeiten eine Lösung.

Wie helfen Kreativitätstechniken dann weiter?

Natürlich wissen Sie, dass Probleme ganz unterschiedlicher Natur sein können. Sie ahnen, dass die obigen Beispiele verschiedenen Problemklassen zugehören. Für die Lösungsfindung gibt es unzählige Kreativitätstechniken. Welche ist die richtige? Vielleicht lässt sich die Vielzahl von Kreativitätstechniken den Problemklassen zuordnen. Es käme nur noch eine kleinere Zahl von ihnen für das konkrete Problem infrage. Damit wäre ein kürzerer Weg vom Problem zur Lösung gefunden. Denn bisher ist es so, dass man zuerst herumprobiert. Man kann es auch seriös so bezeichnen: technisches Improvisieren ist angesagt.

Dann macht man Brainstorming, was in der Praxis nichts anderes als eine Diskussionsrunde ist, in der die Regeln des Brainstormings weitgehend ignoriert werden. Oder es wird ein Berater engagiert, der mit seinen Kreativitätstechniken Erfolge nachweisen kann. Allerdings kann der unmöglich 20 bis 30 Techniken gleich gut beherrschen. Und er hatte ja auch mit seinen bevorzugten Methoden Erfolg. Ob mit einer anderen Kreativitätstechnik viel schneller oder zu einer höherwertigen Lösung zu kommen wäre, weiß niemand. Kein Problem wird zweimal zur Lösung gebracht, jedenfalls nicht in einem Unternehmen.

Ohne Umwege zur Problemlösung

Wie der Hochspringer in einer Idealkurve anläuft, um die Latte mit Bestleistung zu überqueren, so der Idealverlauf zur Problemlösung folgender:

  1. Das Problem ist klar definiert.
  2. Das Umfeld des Problems ist ebenfalls erkundet. Die eigene Ressourcenlage kennt man genauestens, technische Entwicklungstrends werden regelmäßig verfolgt, gesetzliche Änderungen sind nicht zu erwarten und mit dem Kunden ist man in engem Kontakt.
  3. Das Ziel ist eindeutig definiert. Weder haben verschiedene Beteiligte divergierende Interessen noch will man an Symptomen laborieren. Um Gewissheit zu haben, hat man mit der Methode der Progressiven Abstraktion den Fokus auf das Eigentliche gerichtet.
  4. Jetzt gilt es, einen Lösungsweg einzuschlagen und einen Lösungsansatz zu finden. Vielleicht auch zwei oder drei. Aber nicht so viele wie möglich. Entgegen der Ratgeberliteratur will man nicht möglichst viele Lösungsansätze, sondern passende, zielführende.
  5. Eine Suche unter schon vorhandenen Lösungen war leider erfolglos. Es heißt also: eine ganz eigene Lösung generieren! Man schaut sich noch einmal das Problem an und welcher Problemklasse es angehört. Geht dann in den Katalog der Kreativitätstechniken, um unter den zugehörigen Techniken eine auszuwählen und einzusetzen.
  6. Man weiß, dass die meisten Kreativitätstechniken eine besondere Situation verlangen; man entschließt sich für einen Kreativ-Workshop.
  7. Da man sich für eine Kreativitätstechnik entscheiden will, die noch nie in der Entwicklungsabteilung oder im Marketing benutzt wurde, engagiert man einen passenden Trainer.
  8. So hat man nach eineinhalb Tagen zwei Lösungsansätze, die man einer umfassenden Bewertung unterzieht und die schließlich zu dem Arbeitsauftrag führt, den prioritären Lösungsansatz auszuarbeiten.

In Abbildung 1 ist diese Idealkurve als Problembearbeitungspfad in der Übersicht dargestellt.

Abbildung 1: Problembearbeitungspfad

Nanu, werden Sie sich wundern, bis zur präzisen Zieldefinition konnten Sie prima folgen, aber dann war es ja wohl Schweinsgalopp. Stimmt. Die einzelnen Schritte werden deshalb im Folgenden ausführlicher dargestellt. Und vielleicht erreicht man auch nicht ganz den idealen Verlauf. Denn wenn es einen solchen Verlauf in der Wirklichkeit der Unternehmen gäbe, wäre ein Algorithmus nicht mehr weit. Man würde sich an den Rechner setzen, das Problem und seine Randbedingungen definieren und auf Enter drücken.

Die Euphorie, die mit der US-amerikanischen Software Work Bench oder Idiation Machine verbunden war, ist verklungen. TRIZ – die theoretische Grundlage dieser beiden Programme – hat neue Anhänger gewonnen, aber die Knopfdruck-Lösungen gibt es immer noch nicht. Nicht Knöpfe drücken ist angesagt, sondern Köpfe nutzen!

Kreative Lösungsideen auf unterschiedlichen Ebenen

Noch einmal zurück auf Start: In der Praxis stellt sich leider viel zu häufig heraus, dass an der Oberfläche des Problems gearbeitet wird. Die Geschäftsführung sagt: „Wir müssen schnell die Aufmerksamkeit des Marktes erringen.“ Dabei ist es eine Entscheidung der Geschäftsführung, welches Ziel anvisiert werden soll. Soll eine offensichtliche Lösung erarbeitet werden oder eine geringe Verbesserung des Produktes oder der Dienstleistung angestrebt werden? Soll die Lösung mit der bisher eingesetzten Technologie gefunden werden? Oder kann sie mit einer anderen Technologie erreicht werden? Oder wird gar eine grundsätzlich andere Lösung angestrebt?

Hinweis

Problemklassen und ihre Bedeutung

Die von Altschuller in den Jahren zwischen 1964 und 1974 durchgeführten Patentanalysen erlaubten eine Einteilung der Entwicklungsarbeiten und Entwicklungsergebnisse hinsichtlich ihrer Innovationshöhe. Demnach haben sich fünf Niveauebenen für die Bewertung von (Patent-) Lösungen bewährt.

Zugleich konnte eine Häufigkeitsverteilung erstellt werden, wie oft Patente den verschiedenen Niveauebenen zugeordnet werden können. Obgleich diese Häufigkeit nicht repräsentativ und veraltet ist, kann sie auch heute als ein Näherungswert zur Orientierung dienen. Die Niveauebenen können dann bei der Planung von Entwicklungsaufgaben helfen. Im Vorfeld kann festgelegt werden, was die eigenen Ressourcen und was der Markt hergeben könnte und was von der Konkurrenz zu erwarten ist. Daraus leitet sich dann ab, welches Niveau mit der Problemlösung erreicht werden soll.

Bei der Kommunikation mit Kooperationspartnern und Finanziers ist die Einordnung der Entwicklungsaufgabe in eine der fünf Niveauebenen ebenfalls hilfreich. Die folgende Tabelle zeigt diese Übersicht.

Tabelle 1: 5 Niveauebenen von Problemlösungen

Bei der Generierung von Lösungsideen handelt es sich nicht um eine Schritt-für-Schritt-Vorgehensweise, sondern um Denkschleifen, die am Anfang schon das Ende mitdenken. Attraktive Ideen und die passende Lösung können nicht in irgendeinem Speicher gefunden werden. Obgleich nicht auszuschließen ist, dass beim Stöbern in der Patentliteratur anregende Ideen entstehen. Oder im Gespräch mit Kollegen oder Wissenschaftlern des eigenen Fachs. Darüber hinaus lässt sich grundsätzlicher nach dem Anregungspotenzial, nach den Arbeitsprinzipien auf dem Weg zur Lösung fragen. Mit der folgenden Abbildung 2 werden Suchräume auf drei Achsen umrissen. Je weiter man sich vom Nullpunkt entfernt, umso anspruchsvoller wird die Aufgabenstellung, umso höherwertig aber die erreichte Lösungsidee.

Abbildung 2: Ideensuchräume für Problemlöser

Zielkriterien für die Lösungsfindung festlegen

Wenn der ungefähre Grad der Zielerreichung zusagt, lassen sich konkrete Zielkriterien aufstellen. Denn keine Entwicklungsabteilung wird eine neue Gasturbine planen, ohne zu bestimmen, welchen Kriterien sie genügen soll. Die unschätzbaren Vorteile solcher Zielkriterien bestehen in folgenden Aspekten:

  • Zielkriterien zwingen zu einer konsensorientierten Diskussion, denn niemand wird sich sagen lassen wollen, er wüsste nicht, was er will und niemand wird mit dem Projekt starten wollen, bevor nicht alle mit den avisierten Zielen einverstanden sind.
  • Es entsteht eine Dokumentation, die im Verlauf des Arbeitsforstschritts einen Abgleich von Soll und Ist erlaubt.
  • Mit den Zielkriterien können Messgrößen festgelegt werden, die Grenzwerte enthalten; denn häufig geht es ja nicht um „erreicht“ oder „nicht erreicht“, sondern um graduelle Abweichungen.

Die ersten vier, fünf Zielkriterien fallen Ihnen leicht ein, weil Sie ständig mit ihnen umgehen. Dann aber kommen Kriterien hinzu, die den Lead Usern wichtig sind, die den Anwendern und Umsetzern wichtig sind, weil sie Tag für Tag die Lösung anwenden sollen, und die für die Außendienstmitarbeiter im Vertrieb wichtig sind, weil sie damit den Wettbewerb schlagen wollen.

Praxis

Probleme erkennen und einordnen

Überprüfen Sie, in welchen Situationen Sie Probleme haben, die Sie kreativ lösen müssen.

  • Beschreiben Sie die Probleme.
  • Wie finden Sie bislang Ihre Lösungen?

Sind Sie mit der Lösung und dem Prozess zur Lösungsfindung zufrieden?

Prozess zur Lösungsfindung

  • Definieren Sie das Problem möglichst klar.
  • Erkunden Sie das Umfeld des Problems: Ressourcen, Trends, Anforderungen, Rahmenbedingungen.
  • Definieren Sie das Ziel.
  • Schlagen Sie einen Lösungsweg ein und finden Sie einen Lösungsansatz.
  • Setzen Sie eine passende Kreativitätstechnik ein.
  • Erarbeiten Sie eine Lösung und bewerten Sie diese.
  • Sind die zu Beginn formulierten Ziele damit erreicht?
  • Arbeiten Sie die Lösung weiter aus.

Nutzen Sie für diesen Prozess und die einzelnen Arbeitsschritte die folgenden Vorlagen.

Nutzen Sie für Ihre Zielkriterien den Katalog der folgenden Vorlage. Dort können Sie Grenzwerte eintragen, die für die angestrebte Lösung noch tolerabel sind. Außerdem können Sie mit diesem Tool periodisch die Zielerreichung nachweisen.

Oft fällt es schwer, aus der Fülle der Kreativitätstechniken und der möglichen Vorgehensweisen die für das Problem passenden herauszufinden. Im folgenden Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels finden Sie deshalb zunächst eine Übersicht, die mögliche Alternativen aufzeigt.

Dazu im Management-Handbuch

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