UnternehmenszweckWie Unternehmen ihren Purpose finden, formulieren und glaubhaft leben

Unternehmen sollen einen Purpose haben. Was zeichnet einen glaubhaften Purpose aus? Warum ist er nicht einfach ein Leitbild? Wie wird ein überzeugender Purpose formuliert? Und wie wird er lebendig? Mit den richtigen Fragen und Beispielen kommen Unternehmen ihrem Purpose auf die Spur.

Zukunftsfähige Unternehmen entwickeln sich zu Organisationen, die – passend zu ihrem Geschäftszweck – nachweislich Verantwortung für das Gemeinwohl tragen. Es geht nicht länger darum, der Beste der Welt zu sein, sondern der Beste für die Welt. Ökologische und soziale Aspekte, eine ethische Grundhaltung und ein sinnhaftes Tun sind zunehmend ein Muss für alle Unternehmen.

Merkmale des Purpose

Aufgeklärte Konsumenten, Toptalente, die Gesellschaft und selbst der Finanzmarkt erwarten, dass ein Unternehmen hehrere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und maximalen Profit. Sie wollen vielmehr wissen, welche Haltung ein Anbieter glaubhaft vertritt, wie er mit seinen Kunden und Mitarbeitenden umgeht und welchen Nutzwert er der Welt und den Menschen bringt.

Dieser Nutzwert, der Daseinssinn, der Wesenskern, das Warum und Wofür eines Unternehmens heißt im Englischen „Purpose“. Ein Future Purpose, also einer, der in die Zukunft führt, ist sinnstiftend, authentisch, wahrhaftig, inspirierend, vorausschauend, kühn.

Fortan müssen Unternehmertum und Purpose mit folgenden Fragen beginnen:

  • Welche Auswirkungen hat unser Wirtschaften auf Gesellschaft und Umwelt?
  • Welchen Beitrag leisten unsere Lösungen für eine lebenswerte Zukunft?
  • Wie schaffen wir einen Heimathafen für unsere Mitarbeiter?
  • Wie schaffen wir einen Sehnsuchtsort für unsere Kunden?

Der Unterschied zwischen Leitbild und Purpose

Die konventionellen Leitbilder von früher hingegen sind obsolet. Solche Leitbilder sind selbstherrlich und egozentriert. Sie klingen oft ähnlich und irgendwie hohl, geradewegs so, als hätte man einen Leitbild-Generator benutzt. Sie zelebrieren keinen einzigartigen Nutzen für den Markt und die Welt, sondern den Traum von eigener Größe.

Und so hört sich das an: „Wir sind Marktführer in unserer Region.“ Oder so: „Wir sind der Technologievorreiter unserer Branche.“ Zudem rieselt es Plattitüden („Wir sind kundenorientiert.“), Selbstverständlichkeiten („Wir sind zuverlässig.“) und Phrasen („Wir beziehen unsere Stärke aus unseren Mitarbeitern.“).

Solche Leitbilder wurden im stillen Kämmerlein konstruiert, dann stolz präsentiert. Das Top-Management sprach salbungsvolle Worte, Plakate wurden enthüllt und laminierte Kärtchen verteilt, die alsbald in den Schubladen des Vergessens verschwanden.

Schlimmer noch: Was aufgehübschte Imagebroschüren über wohlklingende Werte sagten, war und ist bis heute vielfach nur Kommunikationsprosa für die Öffentlichkeit. Doch irgendwann kommt so was raus.

Jeder Mitarbeiter kann im Web darüber berichten, was hinter den Kulissen tatsächlich läuft. Und jeder Kunde kann online haarklein erzählen, wie man in Wirklichkeit mit ihm umgeht. Vieles wird sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Feigenblatt-Aktionen, Mauscheleien und Sonntagsreden haben kaum noch eine Chance. Keine noch so gut gemachte Schönwetter-Kampagne kann auf Dauer darüber hinwegtäuschen, was ein Anbieter tatsächlich treibt.

Beispiele für den Purpose

Nicht nur das Zahlenwerk, auch die moralische Bilanz muss stimmen, um zukunftsfähig zu sein. Fortan ist ein aufrichtiger Purpose Leitmaxime für das Handeln aller im Unternehmen. Überprüfbar, ehrlich und echt drückt er aus, weshalb ein Unternehmen existiert und was es in die Welt bringen will:

  • Zum Beispiel sieht sich Google nicht selbstbezogen als größter globaler Suchmaschinenbetreiber, sondern „organisiert die Informationen der Welt.“
  • Tesla „treibt den Übergang zu nachhaltiger Energie voran.“
  • TEDx versteht sich nicht als namhafter Konferenzanbieter, sondern will „wertvolle Ideen weiterverbreiten“.
  • Und statt „Wir verkaufen Heizungen“ sagt der Energielösungsanbieter Viessmann: „Wir gestalten Lebensräume für zukünftige Generationen.“

Solche Formulierungen zeigen: Es geht nicht darum, wer ein Anbieter ist und was er macht, sondern um den Impact, den er in die Welt bringen will.

All diese Statements sind zudem „groß“ und „breit“ gedacht. Sie schaffen Raum für Ausdehnung und (globales) Wachstum. Besteht nämlich der Purpose darin, ein drängendes Problem der Menschheit zu lösen und damit die Welt an einer kleinen Stelle zu heilen, dann kann etwas wirklich Grandioses gelingen.

Erfolg basiert auf Purpose

Wo die größten Probleme sind, sind auch die größten Märkte. Gute Gewinne sind dann das Ergebnis. Schlechte Gewinne werden auf Kosten der Umwelt und des Gemeinwohls gemacht. Gute Gewinne hingegen entstehen, indem man den Menschen nützlich ist und zugleich auch die Umwelt schützt. Den Unternehmen, die das nicht bieten, werden bald drei Dinge ausgehen: die Innovationen, die Leistungsträger und die Einnahmenbringer.

Wer als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin an einer bedeutsamen Sache mitwirken kann, legt sich ganz anders ins Zeug als jemand, der weisungsgebunden den vordefinierten Zielen anderer folgt. Es ist geradezu erstaunlich, welch kollektive Kraft ein hehrer Purpose bei den Menschen freisetzen kann.

Wie ein Purpose formuliert werden kann

Ein zukunftsfähiger Purpose beginnt mit folgenden Fragen:

  • Wofür gibt es uns?
  • Was macht uns nützlich?
  • Wie wird die Welt ein Stück weit besser, weil es uns gibt?
  • Was ist unser Beitrag für die Gesellschaft, damit die Zukunft für alle lebenswert bleibt?

Dabei gibt es drei Ebenen, die miteinander harmonieren sollen:

  • der Purpose für die Organisation als Ganzes (Corporate Purpose)
  • der Purpose der eigenen Marke für die Kunden (Brand Purpose)
  • der Purpose für die Mitarbeitenden (Employee Purpose)

Idealerweise umfasst der Purpose in einem Satz, worum es einem Unternehmen geht. Die Wortwahl ist einfach, klar und positiv in die Zukunft gerichtet. Nach Simon Sinek, der mit seinem Buch Start with Why das Thema so richtig in Gang gebracht hat, ist die Formulierung idealerweise ein zweigeteilter Satz, der den Beitrag, den man leisten will, mit der Wirkung, die man erzielen will, kombiniert.

Dos und Don’ts: Wie ein Purpose entwickelt wird

Vielerorts passiert in puncto Purpose leider genau das Falsche: Man will so schnell wie möglich dabei sein, weil das Thema gerade hypt. Flugs soll die Hausagentur einen Purpose entwickeln, der möglichst gut klingt. Halt!

Purpose-Maximen gehören nicht in die Hände von Werbern. Deren Output klingt oft wie ein Slogan, also vor allem schick formuliert. Damit steht nicht nur die Integrität eines Anbieters, sondern auch dessen Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Häme und beißender Spott sind nicht selten die Folge. Deshalb: Ein Purpose muss authentisch, lebbar und erlebbar sein.

Ein solcher Purpose wird individuell von innen heraus entwickelt, verbalisiert und implementiert, es gibt kein Schema F. Am besten macht man das interdisziplinär und interhierarchisch mit einer versierten Moderation. Man beginnt mit Fragen wie diesen:

  • Was ist oder wird fortan die Existenzberechtigung unserer Firma?
  • Was können wir besonders gut und tun wir leidenschaftlich gern?
  • Für welche Überzeugungen stehen wir ein?
  • Welche Probleme dieser Welt lösen wir?
  • Welche Werte schaffen wir für unsere Kunden?
  • Mit welchem Leitthema können wir Top-Talente gewinnen und halten?
  • Was gibt uns Entwicklungsspielraum in zukünftige Richtungen?

Hierzu ein Beispiel: Ein Skihersteller hat analysiert, dass die Drehfreudigkeit seiner Skier nicht nur mehr Fahrspaß bringt, sondern auch der Ermüdung vorbeugt und damit die Verletzungsgefahr reduziert. Daraus leitete er den Purpose ab, ab jetzt nur noch verletzungsminimierende Sportartikel zu entwickeln.

Ein guter Purpose funktioniert wie ein Leitstern

Ist der Purpose eines Unternehmens im Kern definiert, gibt dies wie ein Leitstern die nötige Orientierung. So kann der Purpose für alle unternehmerischen Entscheidungen als Filter dienen. Er zeigt dem Management, den Mitarbeitenden, Kunden und Partnern,

  • welche Handlungsoptionen passen – und welche nicht,
  • welchen Typ Mitarbeiter man haben will – und wen nicht,
  • welche Partner eine Bereicherung sind – und welche nicht,
  • für welche Kunden man tätig sein will – und für wen nicht.

Historische Wurzeln für den Purpose nutzen

Praktisch jede Firma hat am Anfang ihrer Geschichte einen Daseinssinn, eine Berufung gehabt. Doch mit zunehmender Größe verwandeln sich die Unternehmen. Sie lösen sich von ihrem eigentlichen Beweggrund und werden zu einem Konstrukt, das vor allem mit sich selbst beschäftigt ist.

Die Lebendigkeit stirbt. Herz und Seele gehen verloren. Aus Kunden werden Vorgänge und Bearbeitungsfälle. Aus inspirierten Mitarbeitenden werden mechanische Abarbeiter. Es kann also durchaus lohnend sein, nach dem ursprünglichen Purpose zu fahnden und diesen dann zu verjüngen.

Purpose definiert? Nun geht es erst richtig los

Die Entwicklung eines zukunftsfähigen Purpose ist nur der Anfang. Danach geht die Arbeit erst richtig los. Denn dieser Purpose muss nun mit Leben gefüllt und für die Kunden und die Mitarbeitenden erlebbar gemacht werden. Sonst bleibt er nur eine Hülse, die leer ist, wenn man in sie hineinschaut.

Um zu brillanten Konzepten zu kommen, ist ein Gruppenworkshop mit möglichst vielen Beschäftigten erste Wahl. So nutzt man die „Weisheit der Vielen“. Immer mehr Unternehmen haben nun auch den Mut, diesen Weg zu gehen.

Wieso Mut? Ein Großgruppenworkshop bedeutet Basisdemokratie. Und Kontrollverlust. Man legt nächste Schritte in die Hände seiner Mitarbeitenden, ohne zu wissen, wohin diese steuern. Doch der Zugewinn ist gewaltig. Es geht gleichsam ein Ruck durch die gesamte Organisation. Neue Perspektiven, neue Gedanken, neue Beziehungen, neue Kommunikationsnetze und ganz neue Ideen entstehen.

Die Suche nach einer gemeinsamen Zukunft schweißt alle zusammen. Und die Lust am Umsetzen-wollen ergibt sich ganz wie von selbst. Zudem entsteht der „Mein Baby-Effekt“. Bei den alten Verkündungsprogrammen hingegen bleibt alles im kraftlosen Müssen.

Dazu im Management-Handbuch

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