EntscheidungsfindungEntscheidungsfallen kennen und vermeiden

Fehlentscheidungen sind menschlich. Aber wie kommt es zu Fehlentscheidungen im Business-Kontext? Woran erkennen Sie fehlende Alternativen und Wahlmöglichkeiten? Und welche typischen Denkfehler sollten Sie generell bei Ihren Entscheidungen vermeiden? Erfahren Sie, wie Sie falschen Entscheidungen vorbeugen können.

Wie ist die Entscheidungsfrage formuliert?

Ob jemand das halb volle oder das halb leere Glas sieht, ist sprichwörtlich. Genauso werden Entscheidungen dadurch beeinflusst, welcher Aspekt, die Chance oder das Risiko, herausgestellt wird. Folgendes Beispiel soll das verdeutlichen:

  • Jedes fünfte Unternehmen scheitert bei der Einführung dieser Technologie.
  • Mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit bekommen wir die Technik zum Laufen.

Genauso können Argumente und Gegenargumente gegeneinander ausgespielt werden. Wer für eine Alternative ist, formuliert die Entscheidung dafür positiv. Wer dagegen ist, verweist auf den Schaden. Lassen Sie folgende Beispiele auf sich wirken und prüfen Sie, welches Argument für Sie stichhaltig wäre.

  • Wenn wir das Produkt jetzt einführen, erzielen wir damit eine Million Euro Umsatz im ersten Jahr.
  • Wenn wir das Produkt jetzt einführen, erhöhen wir unseren Gesamtumsatz auf sechs Millionen Euro (ohne sind es fünf Millionen Euro).
  • Die Produkteinführung kostet uns nur 500.000 Euro.
  • Die Produkteinführung kostet uns immerhin 500.000 Euro.
  • Die Marketingkosten bleiben mit einer Million Euro stabil, wenn wir auf diese Produkteinführung verzichten.
  • Mit diesem Marketingbudget investieren wir in den zukünftigen Gewinn.

Wer Entscheidungen vorbereitet, sollte ganz besonders darauf achten, wie er die Entscheidungsfrage stellt, welchen Aspekt er hervorhebt und von welchem Bezugspunkt aus er die Folgen vergleicht. Der Entscheider sollte darauf achten:

  • Eine Entscheidungsfrage sollte in unterschiedlichen Formen gestellt und hinterfragt werden. Insbesondere dann, wenn andere die Frage formuliert haben, sollten alternative Formulierungen betrachtet werden.
  • In der Fragestellung sollten die positiven und negativen Aspekte in gleicher und fairer Form formuliert werden.
  • In Sensitivitätsanalysen mit alternativen Formulierungen kann die Robustheit von Entscheidungen geprüft werden.

Grund für Fehlentscheidungen: Schlecht aufbereitete Alternativen

Eine Quelle für Entscheidungsfehler ist die Vorbereitung der Entscheidung, die schlecht durchgeführt wird:

  • Die Alternativen der Entscheidung sind nicht klar herausgearbeitet.
  • Die wichtigen, weil entscheidungsrelevanten Informationen wurden nicht gefunden oder missachtet.
  • Die Kosten- und Nutzfaktoren wurden schlecht gegeneinander abgewogen und falsch gewichtet.

Darüber hinaus gibt es einige Fehlerquellen, die im Denkverhalten und den Denkgewohnheiten der Entscheider begründet sind. Die folgenden „Denkfehler“ führen in Entscheidungsfallen. Wenn Sie sich diese bewusst machen, reduzieren Sie das Risiko, dass Sie hineintappen.

Fehlentscheidungen durch zu hoch gewichtete Informationen

Informationen sind die Grundlage für Entscheidungen. Dabei gewinnen solche Informationen ein hohes Gewicht, die gerade präsent sind – weil sie zuerst auftauchten, weil sie noch in Erinnerung sind oder weil sie kurz vor dem Beschluss vorgestellt werden.

Das bedeutet beispielsweise, dass bei der Geschäftsplanung bestehende Trends einfach fortgeschrieben werden, bei der Personalbeurteilung Kollegen nach ihrem ersten Eindruck beurteilt werden oder das Fazit einer Präsentation die gesamte Diskussion prägt. Andere Informationen und Einflussfaktoren, die nicht präsent sind, werden übergangen oder nicht in Betracht gezogen.

Manche nutzen diesen sogenannten Anker-Effekt gezielt im Prozess der Entscheidungsfindung, indem sie die ihnen genehmen Informationen ins Blickfeld rücken und präsent machen. Sie rücken eine Information, eine Zahl oder ein Beispiel ins Blickfeld, das alle weiteren Überlegungen und Gespräche zur Entscheidung prägt.

Mögliche Gegenmaßnahmen:

  • Ein Sachverhalt zur Entscheidungsfindung sollte immer unter mehreren und unterschiedlichen Aspekten besprochen werden.
  • Es sollten gezielt Gegenpositionen bezogen werden (advocatus diaboli).
  • Bevor Informationen von anderen begutachtet werden, sollte man den Sachverhalt für sich selbst bedenken.
  • Informationen sollten aus unterschiedlichen Quellen von verschiedenen Personen kommen.

Fehlentscheidungen durch Angst vor Veränderungen

Die meisten Menschen mögen keine Veränderungen. Denn sie bedeuten Risiko, Ungewissheit, Verantwortung und „raus aus der Komfortzone“. So werden viele Entscheidungen nicht getroffen. Es gilt das Motto: Das war schon immer so! Das hat sich bewährt! Doch dies ist ein Trugschluss. Selbst wenn scheinbar keine Entscheidung getroffen wird, so ist auch dies eine Entscheidung – für das Bestehende.

Um das zu rechtfertigen, werden solche Informationen im Entscheidungsprozess herausgestellt, die negative Effekte der Veränderung oder ihre Risiken sichtbar machen. Experimente mit Entscheidern zeigen, dass der Status quo umso attraktiver ist, je mehr Alternativen im Spiel sind. Wenn Entscheider mehr als eine Möglichkeit haben, verharren sie oft beim Bestehenden.

Manche Unternehmen fördern dieses Verhalten. Sie drohen mit Strafen, wenn ein Mitarbeiter Verantwortung übernimmt, Neues ausprobiert und eventuell scheitert. Wer nichts verändert, wird dafür selten belangt.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Der Status quo kann in der Tat die beste Wahl sein. Nicht immer sind Veränderungen per se richtig. Gerade deshalb sind folgende Überlegungen wichtig:

  • An erster Stelle stehen die Ziele. Sie müssen klar sein. Dann lässt sich prüfen, ob der Status quo zu diesen Zielen passt oder ob er die Zielerreichung behindert.
  • Der Status quo sollte wie alle anderen Möglichkeiten betrachtet und im Entscheidungsprozess bewertet werden.
  • Hilfreich ist ein Gedankenexperiment: Würde man den aktuellen Zustand als mögliche Alternative betrachten, wenn er nicht schon Realität wäre?
  • Der Wandel vom Bestehenden zum Neuen ist immer mit Aufwand verbunden. Aber Aufwand und Kosten dürfen nicht das einzige Kriterium im Entscheidungsprozess sein.

Warum ist es wichtig, frühere Entscheidungen zu revidieren?

Viele Entscheidungen werden nicht isoliert getroffen, sondern stehen in einer Kette von verknüpften Entscheidungen. Dabei werden frühere Entscheidungen, die sich als schlecht herausgestellt haben, zu selten revidiert. Das bedeutet, die folgenden Entscheidungen werden so getroffen, dass die alten Fehler kaschiert und nicht behoben werden. Im schlimmsten Fall werden sie durch weitere Entscheidungen sogar noch verschärft.

In den Unternehmen bedeutet das: Gutes Geld wird schlechtem hinterhergeworfen. Dabei sollten die sogenannten „Sunk Costs“ (also das, was eh schon verloren ist) bei der Entscheidungsfindung keine Rolle spielen. Doch selten traut sich ein Entscheider, sich einzugestehen, vorher einen Fehler begangen zu haben. Er macht deshalb einfach weiter – und richtet seine Entscheidungen daran aus.

Mögliche Gegenmaßnahmen:

  • In die Entscheidungsfindung sollten solche Menschen eingebunden werden, die mit den damit zusammenhängenden früheren Entscheidungen nichts zu tun haben. Ihre Meinung und ihr Rat sind wichtig.
  • Es sollte deutlich werden, welche Konsequenzen es hätte, wenn eine frühere schlechte Entscheidung revidiert wird – ökonomisch und emotional für die Betroffenen.
  • Die Gründe müssen hinterfragt werden, warum eine Entscheidungsrevision so schwerfällt. Wovor haben die Betroffenen Angst?
  • Im Unternehmen darf keine Fehlervermeidungskultur unterstützt werden. Dann traut sich niemand, falsche Entscheidungen zu revidieren.

Passende Informationen bekommen den Vorzug

Wer zur Vorbereitung der Entscheidungsfindung Informationen recherchiert, die als Argumente dienen und Belege liefern, der wählt oft solche aus, die der vorgefassten Meinung entsprechen. Was nicht passt, wird passend gemacht – oder einfach ausgeblendet.

Wer die Wahl einer Alternative scheut, holt den Rat solcher Experten, die besonders deren Risiken sehen und ausführlich ins Licht rücken. Die anderen werden nicht gehört oder abqualifiziert.

Dieses Verhalten liegt darin begründet, dass Menschen meist schon vorab entscheiden, was sie wollen, bevor sie sich die Gründe für die Wahl überlegen. Zum anderen haben alle eine Präferenz für das, was sie mögen; sie vermeiden, was sie nicht mögen. Umso wichtiger ist eine selbstkritische Haltung.

Mögliche Gegenmaßnahmen sind deshalb:

  • Die vorgefasste Meinung sollte hinterfragt werden. Was zunächst als richtige Entscheidung erscheint, sollte durch Gegenargumente einer besonders kritischen Prüfung unterzogen werden.
  • Welche Informationen, Argumente und Belege sprechen gegen die vorgefasste Meinung? Was sind die stärksten drei Gegenargumente?
  • Es sollten nicht solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört werden, die die vorgefasste Meinung bestätigen. Hilfreich ist die Meinung von Kritikern oder unbeteiligten Personen, die wenig über den Entscheidungsfall wissen.

Wichtig für die richtige Entscheidung: Schätzungen und Prognosen

Entscheidungen basieren meistens auf Zahlen, die die Zukunft beschreiben. Umsätze, Kosten oder Erfolge werden geschätzt und prognostiziert. Zahlen gaukeln eine Genauigkeit vor. Doch niemand kann sicher sagen, dass alles so eintritt, wie vorhergesagt. Auch Wahrscheinlichkeiten, die sagen sollen, mit wie viel prozentiger Sicherheit das Ereignis eintritt, sind mit viel Unsicherheit behaftet.

Das macht die Entscheidung noch schwieriger. Denn kaum jemand hat genug Erfahrungen, um beurteilen zu können, ob die Schätzungen und Prognosen stimmen. Wir haben gelernt, Geschwindigkeiten von Autos, Mengen und Gewichte einzuschätzen.

Aber bei Aktienkursen und Absatzzahlen können sich nur sehr schwer Erfahrungen bilden. Die Zahl der Einflussfaktoren ist zu groß. Der Zeitraum, nachdem die Güte der Schätzung sichtbar wird, ist zu lang.

Das bringt folgende Probleme in Entscheidungssituationen mit sich:

  • Das Vertrauen, dass sich alles in den gewohnten Bahnen bewegt, ist stark ausgeprägt. Große Abweichungen werden oft nicht vorhergesehen.
  • Entscheider sind vorsichtig. Dementsprechend schätzen und prognostizieren sie so, dass sie „notfalls auf der sicheren Seite sind“. Absatzzahlen werden vorsichtig kalkuliert, um dann nicht an zu hochgesteckten Zielen gemessen zu werden. Kapazitätsbedarfe werden großzügig abgeschätzt, um nicht einen Engpass zu haben.
  • Erinnerungen prägen sich ein. Wenn besondere Ereignisse oder persönliche Erlebnisse in Erinnerung sind, fließen diese in die Schätzungen und Prognosen ein und können diese in die eine oder andere Richtung verzerren.

Bei solchen Entscheidungsfallen ist es hilfreich, eine selbstkritische Position einzunehmen. Eigene Annahmen sollten hinterfragt und andere Menschen, Kollegen oder Experten befragt werden – durchaus mit dem Wissen, dass diese in die gleichen Fallen tappen können. Doch insgesamt trägt dieses Vorgehen zur Klarheit und zur guten Entscheidungsfindung bei.

Fehlentscheidungen durch Zeitdruck und das Einmischen von anderen

Nicht nur die Begrenztheit des eigenen Denkens und Urteilsvermögens kann zu falschen Entscheidungen führen. Manchmal sind es auch Rahmenbedingungen, die eine Entscheidungssituation unnötig schwierig machen. Im Prozess der Entscheidungsfindung kommt es beispielsweise zu dem Problem, dass Entscheidungen nicht am Sachverhalt selbst ausgerichtet, sondern getroffen werden, weil – vermeintlich oder tatsächlich – die Zeit drängt.

Unbeteiligte mischen sich in Entscheidungen ein, weil sie halt mitreden wollen. Dabei geht es um persönliche Eitelkeiten oder Wichtigtuerei. Die Entscheider versuchen irgendwie, es allen recht zu machen.

Und schließlich: Entscheidungen werden ausgesessen, bis es nichts mehr zu entscheiden gibt.

Praxis

Wappnen Sie sich gegen Entscheidungsfallen

Prüfen Sie, welche Entscheidungsfehler von Ihnen und in Ihrem Unternehmen schon begangen wurden. Was lässt sich erkennen? Worauf sollten Sie achten?

Halten Sie Ihre Erfahrungen und Einsichten in der folgenden Vorlage fest. Beschreiben Sie typische Situationen, die Sie kennen. Prüfen Sie und halten Sie dabei fest, welche Gegenmaßnahmen Sie ergreifen können. Nehmen Sie sich fest vor, diese Aspekte bei den nächsten wichtigen Entscheidungen zu beachten und machen Sie sich dafür einen Plan.

Entscheidungen selbstkritisch und aus verschiedenen Perspektiven hinterfragen

Um den Entscheidungsfallen zu entgehen, ist es hilfreich und wichtig, eine Entscheidungssituation aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Ein einfaches und wirksames Instrument dafür sind die sechs Denk-Hüte von Edward de Bono. Was diese bedeuten, ist in der folgenden Vorlage erläutert.

Verteilen Sie bei wichtigen und weitreichenden Entscheidungen diese Hüte an Ihre Kolleginnen und Kollegen und prüfen Sie, welche Einsichten für die Entscheidung dabei zum Vorschein kommen.

Tipp

Wie Sie Entscheidungsfallen umgehen

Seien Sie sich bewusst, dass man immer in eine Entscheidungsfalle tappen kann. Um diese Gefahr zumindest einzugrenzen, sollten Sie vor jeder (wichtigen und weitreichenden) Entscheidung:

  • nochmal prüfen, ob es nicht doch noch andere Lösungen geben kann
  • einen Realitäts-Check machen: Sind die Annahmen, die der Entscheidung zugrunde liegen, realistisch?
  • Abstand einnehmen zur Entscheidung und zum Beispiel noch einmal eine Nacht darüber schlafen
  • sich darauf einstellen, dass sich die Entscheidung als falsch herausstellt

Auch gute, überlegte und nachvollziehbare Entscheidungen tragen erst dann ihre Früchte, wenn daraus Maßnahmen abgeleitet werden. Entscheidungen müssen umgesetzt werden. Worauf Sie dabei achten sollten und wie Sie dazu beitragen können, dass Entscheidungen nicht versanden, erfahren Sie im nächsten Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels.

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