MarketingMetamarketing in der real-digitalen Welt

Was sind die kommenden Herausforderungen im Marketing? Reale und digitale Welten verschmelzen und Unternehmen müssen sich in der virtuellen Welt etablieren. Dabei müssen sie die Erwartungen der phygitalen Zielgruppen verstehen.

Was ist Metamarketing?

Marketing 6.0: Die Zukunft ist immersiv“ ist der Titel des 2024 auf Deutsch erschienenen neuesten Werks des Marketing-Papstes Philip Kotler. Ein neues Zeitalter des Marketings wird ausgerufen.

Kotler und seine Kollegen nutzen den Begriff Metamarketing“: Sie prognostizieren das Kommen einer immersiven, multisensorischen Verschmelzung von digitalen und physischen Welten.

Der Kerngedanke des Metamarketings ist, immersive, für die Kunden attraktive Marketingerlebnisse zu schaffen. Neue Verkaufsumgebungen sollen im Metaversum mithilfe von Augmented, Virtual, Mixed Reality, Künstlicher Intelligenz und dem Metaversum entstehen.

Die durch Technik mögliche Interaktion soll den Wert von Marken steigern, virtuelle Erlebnisse und dadurch Kundenbindung schaffen.

Vom Multi- und Omnichannel-Marketing zum Metamarketing

Alle realen und digitalen Kontaktpunkte der Konsumenten zu den Anbietern dürfen nicht isoliert nebeneinanderstehen. Sie müssen integriert werden. Dazu zählen Einkaufsstätten, Online-Shops, Websites, Präsenz auf Plattformen und viele mehr.

Diese Einsicht hat vom Multi- zum Omnichannel-Marketing geführt. Die Kontaktpunkte werden seither zunehmend attraktiv gestaltet.

Die Gesamtheit der Kontaktpunkte zum Kunden, die „Customer Journey“, wird so „menschenfreundlich“ und erlebnisorientiert wie möglich gestaltet, um Kundenbindung und Verkaufsabschlüsse, langfristig auch Vertrauen zum Anbieter zu schaffen.

Gleichzeitig hinterlassen (potenzielle) Kunden bei jeder Interaktion digitale Spuren, die als Daten erhoben und genutzt werden können.

Chinas Jack Ma prägte 2016 den Begriff „New Retail“ für die Integration von Online, Offline, Technologie, Datenanalyse und Logistik in einer Wertschöpfungskette. Vorteile ergeben sich auf beiden Seiten:

  • Auf der Kundenseite mehr Komfort und Konsumerlebnisse und
  • auf der Anbieterseite die Gewinnung von Kundendaten, die Cross-Selling Strategien sowie Ansatzpunkte zur Kundenbindung ermöglichen.

Eine Weiterentwicklung zur immersiven, multisensorischen Verschmelzung von digitalen und physischen Welten ließe sich mit heute schon verfügbaren Technologien realisieren. Für eine Einschätzung, ob Metamarketing verwirklicht werden wird, gilt es, zunächst das Potenzial von Augmented Reality, Virtual Reality und Mixed Reality für das Marketing und vor allem das Metaversum zu verstehen.

Augmented, Virtual, Mixed Reality und Metaversum

In der Augmented Reality (AR) wird die reale Welt durch digitale Inhalte ergänzt, wozu schon ein Smartphone genügt. Bekannt geworden ist AR schon vor längerer Zeit durch Pokémon Go, bei dem virtuelle Figuren in die echte Umgebung eingeblendet wurden.

Virtual Reality (VR) erschließt den Nutzenden eine digitale Welt und eine computergenerierte Umgebung, in die sie komplett eintauchen. Die tatsächliche Realität wird ausgeblendet.

Hierzu ist eine aufwendige technische Ausrüstung, wie VR-Headsets, Controller-Sticks, Kopfhörer etc. erforderlich. Das Eintauchen in virtuelle Welten ist bereits durch virtuelle Computerspiele bekannt, wie Fortnite, Roblox oder Decentraland.

Bei der Mixed Reality (MR) werden AR und VR kombiniert. Die Nutzer verschwinden nicht in einer computergenerierten Welt. Sie bleiben in der Realität, in welche digitale Objekte oder Informationen eingeblendet werden, mit denen man interagieren kann.

Echte und virtuelle Elemente vermischen sich und können aufeinander reagieren. Durch fortgeschrittene AR-Brillen ist dies technisch umsetzbar. Genutzt wird MR beispielsweise bei Stadtführungen: Touristen erhalten eingeblendete Informationen zu den Gebäuden, auf die sie gerade blicken.

Der Begriff „Extended Reality (XR)“ wird meist als Überbegriff für die beschriebenen Technologien verwendet.

Völlige Immersion findet im Metaversum statt. Das Metaversum ist ein digitales Paralleluniversum, die immersive Version des Internets. Man taucht in eine virtuelle Welt ein, mithilfe von VR-Geräten wie zum Beispiel mit einem Virtual-Reality-Headset.

Unterwegs als Avatar im Metaversum

Als Nutzerin oder Nutzer betreten wir den künstlichen Kosmos mithilfe unseres Avatars. Unser Avatar ist ein virtueller Stellvertreter unserer selbst. Durch ihn können wir im Metaversum wandern, spielen, arbeiten, lernen und shoppen, sogar die Sinne sollen einbezogen werden.

Im virtuellen Raum können wir mit den Avataren unserer Freunde, Verwandten oder Kollegen in Echtzeit interagieren, auch neue Kontakte knüpfen. Internetbasierte Anwendungen wie soziale Medien, Filmstreaming, Video-Konferenzen und Onlineshopping – im Metaversum werden sie begehbar, die virtuelle Welt dreidimensional.

Marketing im Metaversum

Das Metaversum eröffnet dem Marketing vielfältige neue Optionen. Ein Beispiel sind virtuelle Flagship-Stores. Kunden können dort Produkte „erleben“ und virtuell testen.

Markenartikler könnten Erlebniswerte in Bereichen der Kultur, Aktivität, Luxus und Ästhetik ortsunabhängig schaffen, sinnlichen Konsum. Service, Events und Kommunikation sind bislang die typischen Ansatzpunkte für Erlebnismarketing.

Durch „emotionale Konditionierung“ sollen Kunden an die Marke oder das Unternehmen gebunden werden.

Zunehmend ist es für die Unternehmen jedoch schwierig, sich im Wettbewerb zu differenzieren. Die eingesetzten Maßnahmen gleichen sich. Die Immersion im Metaversum schafft neue Optionen für Marketing und Werbung.

Auf sozialen Plattformen und Websites kann man sich lediglich durchscrollen. Im Metaversum dagegen kann man

  • Produkte von allen Seiten, innen und außen, ansehen,
  • sie aus- und anprobieren,
  • an Events teilnehmen,
  • Serviceleistungen besser verstehen.

Avatare können als Markenbotschafter eingesetzt werden, die mit Kunden als virtuelle Verkäufer interagieren.

Gamification und die Integration spielerischer Elemente in Marketing-Kampagnen und virtuelle Events (Konzerte, Konferenzen oder Produktpräsentationen) sind weitere Beispiele, um Erlebnisse in digitalen Räumen zu schaffen.

Die Interessen der Konzerne am Metaversum

Ende Oktober 2021 hat Mark Zuckerberg sein Unternehmen in „Meta“ umbenannt. Nicht nur er setzt große Hoffnungen ins Metaversum. Allen voran die Big Tecs wie Microsoft, Apple und Google.

Auch die Chinesen sind dabei: Einen Tag, nachdem Facebook seine Namensänderung bekannt gegeben hatte, meldete Baidu den Begriff „Metaapp“ als Marke an. Einschlägige Markenanmeldungen haben in China massenhaft stattgefunden.

Beispiele für Geschäftsmodelle im Metaversum

Erfolge im Gaming und Entertainment haben die Big Tecs gelockt: Millionen von Menschen spielen Multiplayer-Spiele online wie Meta Horizon, Epic Games Fortnite, Roblox, Decentraland oder GTA Online.

Die Gamer geben Geld dafür aus, ihre Spielhelden mit digitaler Kleidung, sogenannten Skins, auszustatten. Ebenso für Tools, mit denen man sich im Spiel Vorteile verschaffen kann; zum Beispiel ein Schwert, um einen Gegner zu besiegen.

Gamer investieren also in den Besitz von Dingen, die sie nicht tatsächlich, sondern nur virtuell nutzen können.

Das Modeunternehmen Ralph Lauren hat beispielsweise virtuelle Läden auf der Spieleplattform Roblox eröffnet. Spieler können ihre Avatare mit der neuen Kollektion einkleiden. Noch kostet digitale Mode weniger als die echten Produkte.

Digitale Sneakers von Nike wurden bereits patentiert. Auch die internationalen Luxusmarken sind dabei: Guccis Markenidentität wurde in einer immersiven Erlebniswelt präsentiert. Laut „Forbes“ soll dabei eine virtuelle Gucci-Tasche für 4.100 US-Dollar verkauft worden sein – teurer als das reale Pendant.

Offensichtlich können reale Unternehmen in den virtuellen Geschäften bereits Markenkleidung und Accessoires für digitale Spielfiguren verkaufen.

Um Geschäftserfolg mit dem Metaversum zu erzielen, suchen die Anbieter weitere gute Gründe, um Konsumenten reales Geld für virtuelle Produkte ausgeben zu lassen. Das Interesse der Konzerne besteht darin, Bedarfe nach digitalen Inhalten in großem Stil zu schaffen. Beispielsweise für den Avatar des Nutzers oder für den digitalen Stellvertreter.

Digitaler Konsum soll den realen Konsum ergänzen. Eine virtuelle Welt soll neben der Realität entstehen und ein funktionierendes virtuelles Wirtschaftssystem bilden.

Wie geht es im Metaversum weiter?

Bislang bestehen digitale Erlebniswelten in einzelnen Spielen, folgen jeweils eigenen, unterschiedlichen Regeln. Das Metaversum soll letztlich ein zusammenhängendes Netz aus den digitalen Universen werden, zwischen denen man wechseln kann, solange man eingeloggt ist.

Und solange man eingeloggt ist, fallen Daten an, die sich wiederum zur Analyse des Konsumentenverhaltens nutzen lassen. Ähnlich wie das Internet aus unzähligen Websites besteht, soll das Metaversum unzählige virtuelle Räume kombinieren.

Bis 2025 hat sich die Vision von Meta-CEO Zuckerberg, in die er seit 2021 investiert, noch nicht umsetzen lassen. Die Realität bleibt hinter den Erwartungen zurück. Von Verlusten in der Größenordnung von 70 Milliarden US-Dollar wird berichtet.

Funktionieren kann das Metaversum nur dann, wenn zukünftig massenhaft Konsumenten in großem Stil buchstäblich mitspielen. Deshalb sollte man sich mit den zukunftsrelevanten Zielgruppen auseinandersetzen.

„Phygitale“ Zielgruppen: Gen Z und Gen Alpha

„Phygitale“ Zielgruppen nennt Kotler die jungen Zielgruppen, nämlich Gen Z und Gen Alpha. Gen Z, die zwischen 1995 und 2010 geborenen Nachfolger der sogenannten Millennials (Gen Y), sind mit Smartphones und Internet aufgewachsen, somit „Digital Natives“.

Noch mehr trifft das auf die zwischen 2010 und 2024 geborene Gen Alpha zu. Die „phygitalen“ Zielgruppen sind also gleichzeitig in der digitalen und der realen Welt aufgewachsen. Ihre adäquate Ansprache im Marketing zu reflektieren, ist in jedem Fall eine Zukunftsaufgabe für alle Marketingprofis.

„Third Place“ für die neuen Zielgruppen?

„Third Places“ sind Orte, an denen man sich wohlfühlt und sozialer Austausch stattfindet, jenseits vom zu Hause (First Place) und dem Arbeitsplatz (Second Place). In der realen Welt sind dies Cafés, Parks oder Bibliotheken.

Kotler und seine Co-Autoren gehen davon aus, dass künftig Third Places“ mittels Extended Reality (XR) entstehen werden, die von den phygitalen Zielgruppen angenommen werden.

Extended Reality als Brücke zwischen online und offline ermöglicht immersive Erlebnisse in Third Places, zum Beispiel Virtual Try-ons in Geschäften oder AR-gestützte Navigation in Einkaufszentren.

Marketingpotenziale für XR bestehen in

  • personalisierten Erlebnisse, wenn Kunden in Markenwelten eintauchen,
  • Interaktivität: Nutzer können Produkte testen, gestalten, erleben,
  • sozialer Interaktion in virtuellen Räumen,
  • psychologischen Effekten, da die Immersion die emotionale Bindung zur Marke steigern kann,
  • Customer Engagement, wenn Nutzer viel Zeit in immersiven Umgebungen verbringen. (Ob Letzteres sozial erwünscht ist, sei dahingestellt.)

Extended Reality in Third Places kann Marken neue Wege für kundennahe, multisensorische Erlebnisse eröffnen und Beziehungen im Spannungsfeld zwischen realer und virtueller Welt schaffen.

Werteorientierung und Marketing 6.0

In der Marketingentwicklung hat ungefähr seit den 1980er Jahren eine sogenannte Menschenorientierung stattgefunden, seit der Jahrtausendwende ist eine Werteorientierung hinzugekommen.

Menschenorientiertes Marketing oder auch „Human-to-Human-Marketing“ (H2H-Marketing) fordert, Marketing solle dazu dienen, Probleme von Menschen zu lösen.

Werte im wertorientierten Marketing sind dagegen nicht nur als Konsumwünsche zu verstehen: Die Erlebnisorientierung hat zum Erlebnismarketing geführt. Werte wie Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Diversität wurden im Marketing aufgenommen.

Das zeigt: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Die Zukunft des Marketings liegt nicht allein in weiterer Technologisierung.

Kotler und seine Kollegen sehen die Zukunft des Marketings im „Zusammenspiel von Technologie und Menschlichkeit“. Marketing 6.0 soll technologisch fortschrittlich, aber gleichzeitig menschlich empathisch erscheinen.

Angekündigt wird die Abkehr vom rein datengetriebenen Performance-Marketing hin zu einem technologiegestützten, aber menschenorientierten Marketing, mit dem Marken Relevanz und Vertrauen aufbauen können.

Fazit

Marketing hat sich stets an die veränderten Bedingungen des Umfelds angepasst und so auch an Technologisierung und Digitalisierung. Die Verbreitung des Internets fungierte als Game-Changer für die Vermarktung.

Heute lassen sich mittels neuer Technologie und KI nicht nur Wünsche und Bedürfnisse, sondern auch Wertvorstellungen der Zielgruppen erkennen und darauf reagieren. Wird das Metaversum erneut zum Game-Changer, auf das sich die Marketingpraxis mittels Metamarketing einstellen muss?

Den zukunftsrelevanten Zielgruppen als Digital Natives fällt es leicht, zwischen virtuellen und realen Welten zu wechseln. Funktionieren wird Metamarketing dann, wenn diese Zielgruppen tatsächlich immer mehr Zeit in digitalen Welten verbringen und dort ihre Selbstdarstellung pflegen.

Die Teilnahme an virtuellen Welten ist aber nicht umsonst. Die Kostenfrage ist ein zentraler Faktor. Konsumenten müssen nicht nur bereit, sondern auch in der Lage sein, für virtuellen Konsum zu zahlen. Für die Marketingpraxis stellt sich in jedem Fall die Herausforderung, die neuen Entwicklungen zu beobachten, um rechtzeitig und angemessen reagieren zu können.

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