Was ist eine Unternehmenskultur oder Organisationskultur?

Kultur ist ein Ausdruck davon, wie Menschen einer Gruppe etwas wahrnehmen, denken, handeln oder fühlen. Dazu gehören Annahmen, Regeln, Werte und Verhaltensweisen der Gruppe.

Bezeichnet man alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Organisation als eine Gruppe, dann lässt sich auch einem Unternehmen oder einem Bereich, einer Abteilung, ja sogar einem Team im Unternehmen eine jeweils eigene Kultur zuschreiben.

Betriebswirte, Organisationsforscher, aber auch Soziologen, Psychologen und Ethnologen gehen seit vielen Jahren dem Phänomen der Organisationskultur, auch Unternehmenskultur genannt, nach. Dieses Phänomen lässt sich sehr schwer fassen, obwohl fast alle ein „Gefühl“ davon haben, was die Kultur im Unternehmen auszeichnet. Gerade deshalb werden oft Geschichten erzählt, wenn es um die Beschreibung einer Kultur geht.

Unternehmenskultur erklärt am Beispiel Robert Bosch GmbH

Früher hieß es, wer eine Niederlassung der Robert Bosch GmbH betrat, hatte sofort das Gefühl von schwäbischer Sparsamkeit. So fand der alte Herr Bosch (1861-1942) bei einem Werksrundgang eine Büroklammer auf dem Boden. Er hob sie auf, hielt sie dem dabei stehenden Mitarbeiter vor die Nase und fragte: „Wissen Sie, was das ist?“ Dieser antwortete erstaunt, etwas ängstlich und unsicher: „Eine Büroklammer?“ Darauf der alte Herr Bosch: „Nein! Das ist mein Geld!“

Originalzitat: „Was dappsch du auf meim Geld rum, des han i ja zahlt!“

Ob diese Geschichte (so) stimmt oder nicht – sie vermittelt ein Bild von der (ehemaligen) Kultur des Unternehmens: patriarchalisch, kostenorientiert, streng, direkt.

Das Beispiel zeigt, dass es bei der Unternehmenskultur meist um Regeln geht, die alle einhalten (sollen). Wie bei einem Spiel, so gibt es auch im Unternehmen Voraussetzungen und Verhaltensweisen, an die sich alle halten müssen, damit das Spiel oder eben das Unternehmen funktioniert. Oder wie bei der Sprache: Wer die Regeln der Grammatik beherrscht, gehört dazu; die anderen eher nicht.

Welche Regeln die Unternehmenskultur ausmachen, lässt sich meist nicht so einfach sagen. Erst wenn eine der Regeln gebrochen wird, wird allen bewusst: Das ist uns wichtig. Das ist unsere Kultur. Das führt zu folgender Kurzfassung:

Stichwort

Unternehmenskultur oder Organisationskultur

Organisationskultur ist das Muster von Grundannahmen, die eine Gruppe erfunden, entdeckt oder entwickelt hat und die sich so weit bewährt haben, dass sie als gültig betrachtet werden.

Diese Grundannahmen werden deshalb neuen Mitgliedern als die richtige Haltung gelehrt, mit der sie wahrnehmen, denken und fühlen sollen. Organisationskultur lässt sich als eine Art gemeinsam akzeptierte Realitätsinterpretation darstellen, die im Austausch mit der Umwelt über das tägliche Tun entsteht und die das Unternehmensgeschehen nachhaltig, aber unsichtbar beeinflusst.

Quelle: Edgar H. Schein: Organisationskultur, 2003

Unternehmenskultur beschreiben: Welche ist die richtige?

Genaugenommen stellt sich die Frage nicht, ob es eine Organisationskultur braucht oder nicht. Eine Organisationskultur gibt es immer und in jedem Unternehmen. Die Frage ist, welche Kultur für das Unternehmen nützlich ist und wie sie sich gegebenenfalls verändern lässt.

Es gibt nicht die eine richtige Organisationskultur. Jedes Unternehmen muss seine eigene haben, die zu ihm selbst, seinen Führungskräften, den Mitarbeitenden und den Umfeldbedingungen passt. Ob demokratisch, offen, locker oder autokratisch, hierarchisch, streng – beides können angemessene und nützliche Arten der Unternehmenskultur sein.

Oft gibt es in Unternehmen auch Sub-Kulturen. Schaut man genau hin, dann hat die eine Abteilung andere Regeln, andere Werte und Einstellungen als eine andere. Sogar Teams können sich in ihrer Organisationskultur oder Teamkultur unterscheiden. Solche Unterschiede können sich aus mehreren Gründen ergeben. Zum Beispiel durch:

  • die Art der Aufgaben
  • die Personen und ihre Werte
  • das Alter, das Geschlecht oder andere psychografische Merkmale der Teammitglieder
  • gemeinsame Erfahrungen (Krisen, Teamentwicklung)

Wie Unternehmenskultur nützlich ist

Maßgeblich ist: Was nützt dem Unternehmen, seiner Strategie und der Zielerreichung?

Die Organisationskultur kann zum Beispiel dazu beitragen, dass ein Unternehmen kundenorientiert, flexibel, innovativ oder effizient ist. Oder: Veränderungen und Anpassungen lassen sich in manchen Kulturen einfacher bewerkstelligen als in anderen. Wieder andere können robust, sicher und krisenfest sein.

Einen besonderen Einfluss hat die Unternehmenskultur auf das Image eines Unternehmens, wie es Kunden und Bewerber wahrnehmen. So kann eine bestimmte Kulturform dazu führen, dass ein bestimmter Typ von Bewerbern angezogen wird – und andere nicht. Hier müssen sich die „Kulturträger“ im Unternehmen fragen: Wollen wir das so?

Wichtig ist, dass die Führungskräfte erkennen, was ihre Unternehmenskultur kennzeichnet, was deren Stärken und Schwächen sind. Und ob sie dazu beitragen, dass die Ziele erreicht und die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfüllt werden.

Ein Modell für Unternehmenskultur

Edgar H. Schein hat ein in Wissenschaft und Praxis weit verbreitetes Modell von Unternehmens- oder Organisationskultur entwickelt. Er unterscheidet drei Ebenen, wie sie in der folgenden Abbildung 1 dargestellt sind.

Abbildung 1: Ebenen der Organisationskultur

Die drei Ebenen der Organisationskultur

Die drei Ebenen der Organisationskultur unterscheiden sich danach, ob und in welcher Form sie für die Beschäftigten und für Außenstehende sichtbar sind.

Ebene 1: Artefakte

Artefakte zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Allgemeinen gut sichtbar sind. Beispiele dafür sind die Architektur des Firmengebäudes, die Art und Weise, wie sich die Mitarbeitenden anreden (Sie oder Du), die Gestaltung der Büros, die Kleidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einige Rituale wie Besprechungen und vieles mehr.

Ebene 2: Werte

Die Werte eines Unternehmens können sichtbar, aber auch unsichtbar sein. Strategien und Ziele der Unternehmensleitung sind oft schriftlich fixiert – in Visionen, Missionen oder Leitbildern. Hier drückt sich aus, ob man sich als regional verwurzelt oder global agierend, als Technologieführer oder Kostenführer versteht. Ob man wachsen will und Wettbewerber angreift oder ob man Kundenorientierung und Öko-Image als maßgeblich sieht.

Nicht immer sind die Eckpunkte der Unternehmenspolitik und der Strategie allen Mitarbeitenden bekannt und vertraut; so kann auch auf dieser Ebene schon das eine oder andere verborgen wirken. Gelegentlich sind Strategien auf Papier beschrieben, die aber gar nicht umgesetzt werden – weil sie eben nicht zu den Werten und zur Kultur des Unternehmens und der Mitarbeitenden passen.

Ebene 3: Grundannahmen

Besonders verborgen ist die Ebene der Grundannahmen, die im Unternehmen, bei den Führungskräften und den Mitarbeitenden wirksam sind. Darunter versteht man unbewusste Anschauungen, Wahrnehmungen und Gefühle der Menschen, die im Unternehmen arbeiten.

Welche Rolle spielen beispielsweise Fairness und Karrieredenken, Selbstständigkeit und Hierarchiedenken, Hilfsbereitschaft und Machtspiele? Das meiste davon ist nicht klar ausgesprochen, lässt sich im Alltag aber immer wieder beobachten – wenn auch meistens nur von Außenstehenden.

Praxis

Ebenen der Unternehmenskultur deutlich machen

Kennen Sie Beispiele für typische Grundannahmen, Werte und Artefakte in Ihrem Unternehmen?

  • Erstellen Sie ein Mindmap mit möglichen Beispielen.
  • Sammeln Sie Geschichten, die in Ihrem Unternehmen erzählt werden und die Ihre Organisationskultur aus Ihrer Sicht treffend beschreiben.

In den folgenden Abschnitten dieses Handbuch-Kapitels werden die drei Ebenen erläutert. Außerdem erhalten Sie Hinweise, was das für die praktische Organisationsentwicklung und insbesondere für das Veränderungsmanagement (Change-Management) bedeutet.

Dazu im Management-Handbuch

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