Nachfolge im Unternehmen planenDer Prozess der Unternehmensnachfolge und die Emotionen

Der Prozess der Nachfolge im Unternehmen kann viele Jahre dauern. Er wird entscheidend von emotionalen Aspekten bei Übergebenden und Übernehmenden geprägt. Erst wenn das Emotionale geklärt ist, können die vielfältigen und komplexen Aufgaben der rationalen Aspekte im Nachfolgeprozess angegangen werden. Beide sind miteinander verbunden.

Marktattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ermitteln

Rationale und emotionale Aspekte im Nachfolgeprozess bedingen einander und sind miteinander verbunden. Am Anfang geht es um die Bereitschaft zur Nachfolge. Erst wenn diese geklärt ist, kann der Nachfolgeprozess starten. Zu Beginn stellen sich Unternehmerinnen und Unternehmer zwei Fragen:

  • Lässt sich das Unternehmen überhaupt verkaufen, hat also das Geschäftsmodell in der Zukunft Bestand?
  • Wie viel ist das Unternehmen dann wert?

Wenn das Unternehmen bislang erfolgreich am Markt agiert, sorgt man als Unternehmerin und Unternehmer dafür, dass dies auch in Zukunft so sein wird. Dafür richtet man sein Unternehmen immer wieder strategisch aus und entwickelt es weiter mit Blick auf Marktentwicklung, neue Trends und Kundenbedürfnisse. Die Antwort auf die zweite Frage nach dem Unternehmenswert ist damit eng verknüpft. Denn der Wert eines Unternehmens drückt meist aus, welche Chancen und Potenziale eine Käuferin oder ein Käufer damit verbindet.

Unternehmenswert bei der Übergabe in der Familie

Bei einer familieninternen Übergabe geht es primär darum, wer sich als Nachfolgerin oder Nachfolger aus der Familie eignet. Eine ehrliche Auseinandersetzung, ohne den Familienfrieden zu gefährden, ist notwendig und geht oft mit inneren und äußeren Konflikten einher. Was primär dem Wohl der Familie dient, kann das Überleben des Unternehmens gefährden. Ein erfolgreiches Unternehmen bedingt wirtschaftlichen Erfolg und finanzielle Stabilität. Die Familie erwartet faire, wohlwollende Behandlung, Zugehörigkeit und vor allem eine gerechte Verteilung des Eigentums.

Im System Familie können alle den gleichen Sachverhalt unterschiedlich sehen. Jeder erlebt das Gleiche auf eine andere Art und Weise. So ist der Blick auf das System des Unternehmens geprägt von den eigenen Erfahrungen. Würden Sie fünf Familienmitglieder fragen, was das Unternehmen braucht, würden Sie fünf verschiedene Antworten bekommen. Enttäuschungen entstehen, weil davon ausgegangen wird, dass alle ähnlich denken und ähnliche Wertvorstellungen haben.

Die Praxis mit zahlreichen konfliktreichen Auseinandersetzungen zeigt, dass es so nicht ist. Denn jeder handelt nach seinen Vorstellungen von einem „erfolgreichen Unternehmen“ und fühlt sich demotiviert und schlecht behandelt, wenn diese Vorstellung nicht auf Zustimmung trifft.

Daraus kann ein emotionaler und wirtschaftlicher Konflikt entstehen. Denn eine wirtschaftliche Gleichbehandlung aller Familienmitglieder ist in der Regel kaum zu realisieren, ohne dass das Unternehmen dadurch finanzielle Belastungen erfährt. Insbesondere dann, wenn Familienmitglieder aus dem Unternehmensvermögen ausbezahlt werden sollen. Der angesetzte Unternehmenswert ist in diesem Falle die Grundlage, für einen für alle Familienmitglieder fairen und für die Nachfolgerinnen und Nachfolger tragfähigen Preis.

Jeder Nachfolgeprozess hat einen rationalen und einen emotionalen Teil

Jede Nachfolge kann als Prozess betrachtet werden, mit einem rationalen und einem emotionalen (nicht vertraglichem) Prozessablauf. Die beiden Prozesse sind miteinander verschränkt, da die Zwischenergebnisse die jeweiligen anderen Abläufe beeinflussen können. Ein für Ihre Nachfolge erarbeiteter Prozessfahrplan unterstützt das Fakten- und Emotionsmanagement für eine erfolgreiche Nachfolge und Übergabe. Abbildung 2 zeigt das Zusammenspiel der rationalen und emotionalen Elemente im Nachfolgeprozess, am Beispiel einer externen Nachfolge.

© Nachfolgebegleiter
Abbildung 2: Die Schritte im Prozess der Unternehmensnachfolge bei externer Nachfolge

Emotionale Aspekte im Nachfolgeprozess

Eine Studie der Universität St. Gallen und der Crédit Suisse zur Unternehmensnachfolge und den emotionalen und finanziellen Aspekten (2009) hat unter anderem folgende Erkenntnisse gezeigt:

  • Die befragten Personen sind mehrheitlich einer Unternehmergeneration zuzurechnen, die sich stark an einem traditionellen Rollenverständnis orientiert.
  • Die emotionale Bindung zum Unternehmen und seinen Beschäftigten ist entsprechend hoch.
  • Die Mehrzahl der Unternehmerinnen und Unternehmer betrachtet den Betrieb, ihr Unternehmen, als ihr Lebenswerk.
  • Mit einer näher rückenden Übergabe und mit zunehmendem Alter verstärken sich daher in der Regel widerstrebende Gefühle gegenüber einer Loslösung vom Unternehmen.
  • In Extremfällen bis hin zu einer Selbstsabotage des eigenen Nachfolgeprozesses.

In diesem Kontext können drei zentrale Ursachen für das erschwerte Loslassen identifiziert werden:

  • Zum einen handelt es sich um den potenziellen Statusverlust. Als Arbeitgeber und sozial engagiertes Mitglied der Gesellschaft genießen die Unternehmerin und der Unternehmer ein hohes Ansehen in ihrem Umfeld. Sie befürchten, das zu verlieren.
  • Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Befürchtung der Übergebenden, mit der unternehmerischen Tätigkeit den wichtigsten Lebensinhalt zu verlieren. Dies entsteht durch die zumeist extrem hohen zeitlichen und emotionalen Investitionen in das Unternehmen, die in vielen Fällen wenige bis keine anderen Aktivitäten zulassen. Auch private Belange werden in der Regel zugunsten des Unternehmens zurückgestellt.
  • Ein dritter Aspekt ist das fehlende Vertrauen in die Nachfolgerinnen und Nachfolger. Ihre Eignung, Kompetenzen und Verständnis für die DNA des Unternehmens werden angezweifelt.

Auch wenn die oben genannte Studie aus dem Jahr 2009 ist, hat sich die Aktualität und Kernaussagen nicht geändert.

Emotionsmanagement als Lösung bei der Nachfolgeplanung

Das Modell in Abbildung 3 soll veranschaulichen, wie Gefühle entstehen. Unmittelbar nach der Wahrnehmung eines Sachverhaltes haben Menschen einen Gedanken, gefolgt von einem Gefühl. Sie bewerten auf deren Grundlage den Sachverhalt und handeln entsprechend.

© Nachfolgebegleiter
Abbildung 3: Der Gedanken-Gefühlsprozess

Die eigenen Gedanken und Gefühle zur Nachfolge des Unternehmens hinterfragen

Wie Menschen wahrnehmen, hängt unter anderem von der Perspektive (Brille) auf die Welt und von den Erfahrungen (Schatzkiste) ab. Sie haben einen Einfluss auf ihre Gedanken und Gefühle, sie können innehalten (gestrichelte Linien) und sich fragen:

  • Was habe ich für einen Gedanken, für ein Gefühl?
  • Ist dieser Gedanke, dieses Gefühl zielführend?
  • Welche Auswirkungen werde ich in der Zukunft durch meine Handlungen auslösen?

Die Menschen können ihre Wahrnehmung hinterfragen und sich bewusst sein, dass sie entscheiden, welche Perspektiven sie wählen und damit die Verantwortung für ihre Entscheidungen und Handlungen übernehmen.

Wenn Sie zum Beispiel auf der Handlungsseite merken, dass Sie die Nachfolge aufschieben, weil Sie eher Unangenehmes damit verbinden, können Sie sich die folgenden Fragen stellen:

  • Welche Gedanken, Gefühle und Bewertungen verbergen sich dahinter?
  • Was befürchten Sie, könnte passieren, wenn Sie Fragen zur Nachfolgeregelung offen ansprechen?
  • Welche Gedanken und Gefühle hindern Sie?
  • Können Sie sich Ihren Sohn oder Ihre Tochter nicht als Nachfolgerin vorstellen?
  • Oder haben Sie Angst, nicht ausreichend finanzielle vorgesorgt haben?
  • Könnte bei der Due Diligence herauskommen, dass Sie die Bücher nicht sorgfältig geführt haben?
  • Was genau sind Ihre Erwartungen an alle Beteiligten?
  • Wie könnten Sie Ihre Nachfolge noch anders sehen?

Gründe für das Verdrängen der Unternehmensnachfolge

Die Unternehmensnachfolge stellt eine tiefgreifende und alle Ebenen übergreifende Veränderung dar. Veränderungen gehen mit diversen Emotionen, von Verunsicherung, Trauer, Ärger bis Angst und sogar Panik einher. Neben wirtschaftlichen und finanziellen Existenzängsten äußert Angst sich beim Übergebenden beispielsweise darin, Einfluss und Anerkennung zu verlieren. „Nicht-mehr-gebraucht-werden“ oder auch „Verdrängt-werden“ aus dem eigenen Unternehmen werden genannt.

Wenn es keine klaren Vorstellungen für die Zeit nach dem Rücktritt gibt, die mit Emotionen wie Vorfreude oder positive Anspannung verbunden sind, fällt das Loslassen schwer oder gelingt manchmal gar nicht.

Emotionen bei den Übergebenden

Die wesentlichen Emotionen, die sich in Sorgen und Ängsten des Übergebenden zeigen, sind:

  • Angst das Lebenswerk loszulassen
  • Bedenken über die persönliche Zukunft ohne Unternehmen
  • Sorgen um unklare finanzielle Absicherung im Alter
  • Zweifel, schwierige Entscheidungen zu treffen, die weit über das Tagesgeschäft hinaus gehen

Emotionen der Übernehmenden

Genauso haben die möglichen Nachfolgerinnen und Nachfolger Emotionen, die ihre Entscheidungen und ihr Handeln im Nachfolgeprozess beeinflussen. Das sind vor allem:

  • Angst vor der Verantwortung
  • Angst vor Konflikten
  • Angst zu scheitern oder zu versagen
  • Sorge um finanzielle Belastungen

Vom Zweifel zum Sollen, Wollen und Können der Unternehmensnachfolge

Wenn Sie auf der Handlungsseite merken, dass Sie die Nachfolge aufschieben, weil sie eher Unangenehmes damit verbinden, ist die Frage, welche Gedanken, Gefühle und Bewertungen verbergen sich dahinter. Wie können Sie es noch anders sehen? Oft steckt das „Wollen“ oder „Nicht-Wollen“ dahinter. Die Nachfolge ist in einem Spannungsfeld zwischen Sollen, Wollen, Können anzusiedeln. Wobei das Sollen und Können relativ einfach zu handhaben sind.

Das Sollen betrifft Ihr Wissen um Ihre Verantwortung. Sie wissen, die Nachfolge kommt auf kurz oder lang auf Sie zu und es ist wichtig für das Fortbestehen des Unternehmens, der Absicherung der Familie, der Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und möglicher anderer Betroffener.

Für das Können gibt es Experten, die Sie zurate ziehen können. Sie wissen, wie der Nachfolgeprozess abläuft und was ist zu beachten ist.

Das Wollen spricht aber Ihre Motivation an. Ihre Bereitschaft tatsächlich eine emotionale Distanz zu ihrem Lebenswerk einzunehmen. Sie stellen sich die Frage: „Bin ich das Unternehmen oder habe ich ein Unternehmen?“ Eine zu starke Identifikation ermöglicht keinen Neuanfang und belastet das Unternehmen. Gesunde Führung bedeutet, dass das Unternehmen jederzeit ohne die Unternehmerin und ohne den Unternehmer handlungsfähig ist.

Die Nachfolgerin und der Nachfolger machen das Unternehmen zukunftsfähig

Viele Unternehmer tun sich schwer, die passende Nachfolgerin und den passenden Nachfolger zu finden. Keiner wird das Unternehmen so führen, wie die bisherige Chefin und der bisherige Chef. Für die übergebenden Unternehmer ist die Erkenntnis hilfreich, sich neben den eigenen Fähigkeiten auf das Unternehmen zu konzentrieren, das in die Zukunft geführt wird. Was braucht es, um zukunftsfähig zu bleiben? Die Übergebenden könnten herausfinden, dass die Nachfolgenden neue Impulse mitbringen, die dem Unternehmen zugutekommen.

Beispielsweise tun sich kleine mittelständische Unternehmen oft noch schwer mit der Digitalisierung oder mit New-Work-Regelungen. Wäre hier Bedarf an innovativen Neuerungen, die die Nachfolgenden abdecken könnten? Wären durch diese Neuerungen ein Mehrwert des Unternehmens gegeben, das sich am Ende in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) widerspiegelt?

Praxis

Bedenken Sie, welche Emotionen bei den Betroffenen und Beteiligten im Nachfolgeprozess ausgelöst werden. Betroffene und Beteiligte sind neben der Unternehmerin und dem Unternehmer, die Familie, Beschäftigte, Kunden, Lieferanten und das gesamte Umfeld.

Erstellen Sie ein Soziogramm, in dem Sie alle Betroffenen und Beteiligten benennen und im nächsten Schritt die Perspektive der Personen einnehmen.

  • Wie stark sind die einzelnen Personen von der Nachfolge betroffen?
  • Wie stehen die Beteiligten und Betroffenen grundsätzlich zur Nachfolge?
  • Welche Erwartungen oder Befürchtungen haben die Personen bezüglich Ihrer Nachfolge?

Halten Sie Ihre Einstellungen, Vermutungen und Erwartungen in der folgenden Vorlage fest.

Folgende Abbildung 4 hilft, die Situation zu veranschaulichen und mögliche Schritte zu planen.

© Nachfolgebegleiter
Abbildung 4: Beteiligte und Betroffene im Nachfolgeprozess und die Beziehung zueinander

So wie die rationalen Aspekte des Nachfolgeprozesses geplant werden, braucht es für ein erfolgreiches Emotionsmanagement ebenfalls einen Prozessfahrplan, und zwar für die abtretende Unternehmerin und den abtretenden Unternehmer einerseits und die Nachfolgerin und den Nachfolger andererseits. Dabei sind sechs Schritte hilfreich, die in der folgenden Vorlage erläutert sind.

Dazu im Management-Handbuch

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