Kreativitätstechniken anwendenSystemtechniken für kreative Lösungen nutzen

Im Folgenden werden ausgewählte Kreativitätstechniken der Klasse Systemtechnik vorgestellt. Insbesondere werden der Einsatzbereich, Einsatzzweck, Vorteile, Nachteile, Aufwand und Nutzen erläutert. Die genaue Beschreibung der Methode, Vorgehensweise, Regeln und Vorlagen finden Sie im Praxisteil in der jeweiligen Vorlage.

Attribute Listing

Die Methode Attribute Listing steht mit der morphologischen Tabelle in Verwandtschaft. Sie ist eine einfache und vielgestaltige Form, um Systeme mit ihren (vielgestaltigen) Elementen zu erfassen. Sie dient dem Zweck, das gesamte Material planmäßig zu sammeln, zu ordnen und so die Möglichkeit zu schaffen, neue Kombinationen zu denken oder Elemente assoziativ miteinander in Beziehung zu bringen. Sie ist in jedem Geschäftsfeld zu nutzen und ein Mittel der Dokumentation, des Checks auf Vollständigkeit, der Gegenüberstellung von Soll und Ist und um kreativ insbesondere bereits bestehende Produkte und Verfahren zu verbessern.

Die Vorteile:

  • einfach und vielfältig nutzbar
  • sehr gute Übersicht zum vorhandenen System und zu seinen weiterhin denkbaren Ausführungsformen
  • direkte Möglichkeit zur Kombination von bekannten mit bisher nicht erwogenen Varianten
  • Einbeziehung von Zielvorgaben (Minimal-/ Maximalforderungen)

Die Nachteile:

  • Gefahr der Überschätzung: das System liefert Anregungen zu möglichen Kombinationen, keine fertigen Lösungen
  • Gefahr der Überbewertung von Detailfragen zuungunsten des primären, des eigentlichen Problems

Art der Vorlage: Verfahrensanweisung

Aufwand: niedrig

Nutzen: mittel

Entscheidungsbaum

Der Entscheidungsbaum dient dazu, alle sich zu einer Fragestellung anbietenden Alternativen zu erfassen und geordnet darzustellen, um anhand dieser strukturierten Darstellung Stufe für Stufe Auswahlentscheidungen zur Bearbeitungsrichtung treffen zu können.

Die Vorteile:

  • die Darstellungsweise bietet einen kompletten Überblick zu allen nur denkbaren Möglichkeiten
  • gute Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit
  • Reduktion auf binäre Entscheidungskriterien möglich

Die Nachteile:

  • Die Methode liefert dem Nutzer keineswegs irgendwelche Entscheidungshilfen. Im Grunde sind die vom Nutzer stets allein zu gehenden Entscheidungswege nur übersichtlich dargestellt.
  • Viele Entscheidungsmöglichkeiten führen zu (erneuter) Unübersichtlichkeit.

Art der Vorlage: Verfahrensanweisung

Aufwand: niedrig

Nutzen: mittel

Hinweis

Mehrfache Zuordnung von Kreativitätstechniken

Einige Kreativitätstechniken, die als Fragetechnik vorgestellt wurden, lassen sich auch als Systemtechnik für das kreative Denken und Problemlösen nutzen. Das sind Ursache-Wirkungs-Diagramm (Ishikawa- oder Fischgräten-Diagramm), KJ-Methode und Innovations-Checkliste. Sie sind in einem vorigen Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels bereits vorgestellt.

Morphologischer Kasten

Der Morphologische Kasten setzt die ordnenden Größen eines Systems (Parameter, Variable) in Beziehung zu den üblichen oder den möglichen Ausprägungen (Varianten) dieser Parameter. Auf diese Weise wird ein System zum einen übersichtlich beschrieben, zum anderen lassen sich Kombinationen bekannter mit bisher nicht in Erwägung gezogener Varianten vornehmen. Damit eröffnet diese Methode Anregungen für Entwicklungsmöglichkeiten, insbesondere für Produkte und Verfahren.

Die Vorteile:

  • sehr gute Übersicht zum vorhandenen System und zu weiterhin denkbaren Ausführungsformen und Lösungsmöglichkeiten eines Problems
  • direkte Möglichkeit zur Kombination von bekannten mit bisher nicht erwogenen Varianten

Die Nachteile:

  • schwierige Bestimmung der Hauptmerkmale und Parameter
  • Gefahr der Überschätzung: das System liefert Anregungen zu möglichen Kombinationen, keine fertigen Lösungen
  • neue Ideen meist nur aus gängigen Teilen gebildete Kombination
  • Bewertung jeder Kombination ist nötig, aufwendig und kompliziert

Art der Vorlage: Verfahrensanweisung

Aufwand: mittel

Nutzen: hoch

Funktionsanalyse

Die systemanalytische Methode der Funktionsanalyse geht von der Erkenntnis aus, dass gegebene komplexe (und überdies zu kompliziert geratene) Systeme nur dann vereinfacht werden können, wenn zunächst alle Funktionen und alle Teile des Systems und ihre funktionalen Verknüpfungen aufgelistet und dann kritisch unter dem Aspekt ihrer unbedingten oder bedingten Notwendigkeit (oder gar Verzichtbarkeit) betrachtet werden.

Die Vorteile:

  • Die Methode liefert eine hervorragende Übersicht, welche Systemelemente nichts (oder nur bedingt etwas) mit der Erfüllung der eigentlichen Kernfunktion des Systems zu tun haben.

Die Nachteile:

  • Die Methode verleitet dazu, allzu kühne Vereinfachungen vorzunehmen.

Art der Vorlage: Verfahrensanweisung

Aufwand: niedrig

Nutzen: mittel

Tipp

Funktionsanalyse mit der Wertanalyse

Die Funktionsanalyse ist auch zentraler Bestandteil der Wertanalyse. Im Handbuch-Kapitel zur Wertanalyse wird diese ausführlich vorgestellt.

Funktionsmodellierung

Diese Methode betrachtet ähnlich wie die Funktionsanalyse nicht die Systemkomponenten, sondern die Funktionen, die das System und seine Komponenten erfüllen soll. Die Funktionsmodellierung ist eine grafische Darstellung (Funktionsdiagramm) einer betrachteten Problemsituation, wobei die maßgeblichen Einflussfaktoren (Funktionen) sowie deren Abhängigkeiten untereinander strukturiert werden.

Die Vorteile:

  • Visualisierung und Strukturierung komplexer, technischer, naturwissenschaftlicher oder ökonomischer, Zusammenhänge in einfachere Sub-Elemente als Funktionen
  • tiefe Durchdringung der Zusammenhänge des untersuchten Objekts
  • Konstellation und Abhängigkeiten einzelner Funktionen ermöglichen Anwendung weiterer Analysemethoden

Die Nachteile:

  • höherer gedanklicher Aufwand als bei gewöhnlicher Systemanalyse (sinnvolle Systemgrenze und adäquates Abstraktionsniveau nötig)
  • zum Teil mehrmalige Modellierung notwendig

Art der Vorlage: Verfahrensanweisung

Aufwand: mittel

Nutzen: hoch

Konstruktionsmethodik

Ausgehend von der Funktion eines gegebenen, eines zu verbessernden Systems oder eines neu zu entwickelnden Systems werden in der Konstruktionslehre Gestaltungsprinzipien und Gestaltungsrichtlinien entworfen. Auf deren Grundlage wird in der praktischen Anwendung ein Katalog bewährter Lösungskomponenten eingesetzt, die mit übertragbaren Beispielen belegt sind.

Ähnliche Verfahren sind in anderen Disziplinen ebenfalls zu finden. So nutzen IT-Spezialisten sogenannte Shell-Solutions und im Jazz werden ausgearbeitete Phrasen (licks) genutzt.

Die Vorteile:

  • Die Methode liefert eine hervorragende Anleitung. Sie zeigt auf, welche bewährten Vorgehensweisen und welche Konstruktionselemente in anderen Problemlagen verwendet werden können.

Die Nachteile:

  • Die Methode verleitet dazu, jede Konstruktionsaufgabe „nach Schema“ zu bearbeiten, auch wenn der Fall vorliegt, dass Mittel und Methoden außerhalb der Konstruktionslehre notwendig sind.

Art der Vorlage: Verfahrensanweisung

Aufwand: mittel

Nutzen: hoch

Katalog physikalischer Effekte

Übersicht ausgewählter physikalischer Effekte, die dem Praktiker wertvolle Anregungen zum Lösen komplexer technischer Aufgabenstellungen geben können. Diese Sammlung wird in neuerer Literatur um weitere, chemische, biologische oder geometrische, Effekte ergänzt.

Die Vorteile:

  • reiches Reservoir für wertvolle Lösungsentwicklungen

Die Nachteile:

  • Transformation auf das eigentliche Problem erfordert hohes fachliches Wissen und Erfahrungen

Art der Vorlage: verbale Übersicht

Aufwand: mittel

Nutzen: hoch

Stoff–Feld–Analyse

Die Stoff-Feld-Analyse betrachtet beliebige Systeme nach den stofflichen und energetischen Verknüpfungen ihrer Bestandteile. Sie sichert, dass das gegebene System abstrakt-physikalisch beschrieben wird und der Bearbeiter – frei von der ansonsten gegebenen Blockade durch die alleinige und eingeschränkte Fokussierung auf das bestehende System – prinzipielle Schlüsse zur Verbesserung, Komplettierung oder Veränderung des Systems ziehen kann.

Die Vorteile:

  • der Nutzer wird nicht durch die Äußerlichkeiten des gegebenen Systems gleichsam hypnotisiert und somit daran gehindert, das Allgemeine im Besonderen zu sehen und ungewöhnliche, nicht sofort erkennbare Lösungsansätze zu finden
  • mit den 76 Standardlösungen im TRIZ liegt ein anregender Pool zur Lösungssuche vor

Die Nachteile:

  • höchste Form der Funktionsanalyse
  • die extreme Abstraktion bereitet Praktikern oftmals Schwierigkeiten

Art der Vorlage: Verfahrensanweisung

Aufwand: mittel

Nutzen: hoch

Bionik

Die bionische Methode beruht auf dem Erkennen der Form-, Stabilitäts- und Funktionsprinzipien der belebten oder ehemals belebten Natur: Tiere, Pflanzen. Lösungen, die in der Natur durch Evolution gefunden wurden, werden für technische Zwecke genutzt oder angepasst, insbesondere auf dem Wege der Analogiebildung.

Die Vorteile:

  • Die Methode liefert eine Fülle von Anregungen.
  • Manchmal gelingt die Übertragung sogar ohne Änderung des biologischen Grundmusters.

Die Nachteile:

  • bionische Vorbilder für das jeweilige Problem müssen erst gefunden werden
  • Gefahr von nicht realisierbaren Lösungsformen
  • Gefahr schematischer Nachahmungen

Art der Vorlage: verbale Übersicht

Aufwand: mittel

Nutzen: hoch

Praxis

Prüfen Sie, welche Methode oder Kreativitätstechnik aus der Klasse der Systemtechnik für Ihr Problem oder Ihre Aufgabenstellung hilfreich sein könnte. Lesen Sie dazu die folgenden Verfahrensanweisungen und Vorlagen und probieren Sie eine geeignete aus.

Überprüfen Sie den Lösungsweg und die Lösungsfindung: Welche Erkenntnisse für zukünftige Problemlösungen und Methodeneinsatz ziehen Sie daraus?

Oft zeigen sich im Prozess der Lösungsfindung Widersprüche, die unüberwindbar erscheinen. Dabei könne gerade sie das kreative Denken herausfordern und die Lösungsentwicklung voranbringen. Allerdings müssen Sie umfassend und systematisch bearbeitet werden. Im folgenden Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels sind dafür hilfreiche Methoden und Vorgehensweisen erläutert.

Dazu im Management-Handbuch

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