Warum die Qualifizierung von Mitarbeitern notwendig ist

Mitarbeitende lernen auch nach Abschluss ihrer Berufsausbildung oder nach mehrjähriger Berufstätigkeit nicht aus. Lebenslanges Lernen ist in vielen Unternehmen Programm und gehört für die meisten Beschäftigten zur Normalität. Denn Wissen ist eine Bedingung für Wachstum und schafft wettbewerbliche Vorteile für Unternehmen und Standorte.

Außerdem erfordern der demografische Wandel, lange Ausbildungszeiten und die kurze Halbwertszeit von Wissen Maßnahmen, um vorhandene Kenntnisse und Kompetenzen zu vertiefen, zu erweitern oder sich neue Fähigkeiten anzueignen. Deshalb investieren Unternehmen im Rahmen der Personalentwicklung in die Fortbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Vorteile der Qualifizierung von Mitarbeitenden

Aber auch ohne Teilnahme an einer Maßnahme der betrieblichen Weiterbildung qualifizieren sich Mitarbeitende (teilweise) auf eigene Kosten weiter, weil sie damit ihre Karrierechancen erhöhen oder sich umorientieren wollen. Die Qualifizierung ist also notwendig, weil:

  • das Leistungs- und Lernpotenzial der Mitarbeitenden unter Berücksichtigung der Unternehmens- und Mitarbeiterbedürfnisse gesteigert werden kann;
  • Unternehmenskompetenzen und damit Wettbewerbsvorteile gesichert werden;
  • Mitarbeiterpotenzial optimal genutzt und Fachkräftemangel entgegengewirkt wird;
  • die Motivation und Mitarbeiterbindung erhöht, Fluktuation vermieden und die Arbeitgeber-Attraktivität gesteigert wird.

Das Problem der betrieblichen Weiterbildung: Unternehmen denken oft kurzfristig und blenden dabei langfristige Kosten und Risiken aus. Geht es ihnen wirtschaftlich schlecht, sparen sie bei den Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung. Sind die Auftragsbücher voll, fehlt den Mitarbeitenden die notwendige Zeit für eine Weiterbildung.

Grenzen der Weiterbildung – worum es nicht geht

Weiterbildung ist nicht immer das Mittel der Wahl, wenn es im Unternehmen Probleme mit Mitarbeitenden gibt – auch wenn manche Führungskräfte dies meinen. Folgende Beispiele zeigen, dass der Weiterbildungsbedarf auch falsch eingeschätzt werden kann:

(1) Fünf Mitarbeiter der gleichen Abteilung schaffen seit einigen Monaten ihr Arbeitspensum in der vorgegebenen Zeit nicht mehr. Sie klagen über Stress und Überforderung. Zwei Mitarbeiter scheinen kurz vor einem Burnout zu stehen. Die Führungskraft verordnet allen Mitarbeitern ein Seminar für Arbeitsorganisation und Zeitmanagement, obwohl die eigentlichen Ursachen des Problems im Arbeitsumfeld zu suchen sind.

(2) Ein Mitarbeiter fällt regelmäßig negativ in Teamsitzungen auf. Seine unangemessenen Kommentare stören die Zusammenarbeit im Team. Die Teamleiterin erwartet von seinem Besuch eines Seminars zum Thema Teamentwicklung, dass sich der Störenfried danach angemessen verhält. Stattdessen wäre eine klare Ansprache nötig, in der die Teamleiterin verbindliche Regeln aufstellt.

In der Praxis buchen Personalverantwortliche oft vorschnell ein Seminar, statt dem eigentlichen Problem nachzugehen und es zu lösen. Wer als Führungskraft seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ein Seminar schickt, erscheint sogar als kompetent, weil er damit offensichtlich auf ein bestehendes Problem reagiert. Die Mitarbeitenden trauen sich nicht, die Fördermaßnahme abzulehnen.

Wer weitergebildet werden soll

Bei der Frage, ob alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergebildet werden sollen oder nur die Personen, die Veränderungswille und Lernbereitschaft zeigen, gehen die Expertenmeinungen auseinander. Einerseits sind Bildungsmaßnahmen nötig, zum Beispiel wenn eine neue Software im Unternehmen eingeführt wird; andererseits sind Qualifizierungsmaßnahmen bei Mitarbeitenden ohne Veränderungswille und Lernbereitschaft wenig erfolgversprechend.

Viele Führungskräfte scheuen sich davor, den Wunsch des Mitarbeiters nach einer Weiterbildungsmaßnahme abzulehnen. Wenn die Initiative für eine Weiterbildung vom Mitarbeiter ausgeht, heißen das viele Führungskräfte willkommen. Denn diese Mitarbeiter gelten als besonders engagiert und sollen nicht demotiviert werden. Am Ende wird nicht geprüft, ob die Maßnahme wirklich nötig ist.

Was Sie vor einer Fortbildung klären sollten

Deshalb sollten Sie folgende Fragen klären, bevor sie eine Maßnahme zur Weiterbildung genehmigen. Diese Fragen können in einem Gespräch zwischen Mitarbeiter und Führungskraft zur Vorbereitung auf eine Maßnahme besprochen werden:

  • Was ist der Anlass für die Weiterbildung?
  • Welche konkreten Probleme gibt es, die mit einer Qualifizierungsmaßnahme gelöst werden können?
  • Welche Kompetenzen sollen erlernt oder weiterentwickelt werden?
  • Was sind die Erwartungen der Führungskraft an die Weiterbildung?
  • Was sind die Erwartungen des Mitarbeiters an die Weiterbildung?
  • Welche Ziele bezogen auf den Lerninhalt und die momentane Arbeitssituation sollen erreicht werden?
  • Was soll sich anschließend ändern oder verbessern?
  • Welche Hindernisse stehen einer solchen Veränderung entgegen?
  • Was wäre hilfreich, um den Lerninhalt zu festigen und zu üben?
  • Wie kann das, was erlernt werden soll, im Arbeitsalltag eingesetzt werden?

Was Sie für eine Bedarfsanalyse klären sollten

Grundsätzlich sollten Führungskräfte oder Personalentwickler eine Bedarfsanalyse durchführen, bevor sie einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin eine Weiterbildungsmaßnahme empfehlen oder genehmigen. Diese Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Welche Mitarbeitenden müssen ihre Kompetenzen verbessern, um aktuelle Aufgaben besser oder produktiver zu erfüllen?
  • Welche Kompetenzen haben die Mitarbeitenden bereits? (Ist-Zustand)
  • Welche Kompetenzen sollen sie erwerben – und warum? (Soll-Zustand)
  • Welche Herausforderungen im Kontext der Unternehmensstrategie gibt es?
  • Welche Mitarbeitenden müssen ihre Kompetenzen verbessern, um in Zukunft Gestaltungs- und Handlungsspielräume für das Unternehmen zu eröffnen?
  • Welche notwendigen Soll-Kompetenzen können daraus abgeleitet werden?
  • Welche Entwicklungs- und Karriereplanung streben die Mitarbeitenden an?
  • Welche Mitarbeitenden sind wichtig und sollen an das Unternehmen gebunden werden?

Stärken- und Schwächenprofil

Für die Kompetenzentwicklung müssen die Kenntnisse und Fähigkeiten analysiert und ein Stärken- und Schwächenprofil der Mitarbeitenden (abteilungs- oder personenbezogen, je nach Unternehmensgröße) erstellt werden. Die Einschätzung der Qualifikation kann durch die Führungskraft oder den Mitarbeiter selbst erfolgen. Eine Kombination von Selbst- und Fremdeinschätzung ist zu empfehlen.

Anforderungsprofil und Eignungsprofil

Zur Bedarfsanalyse gehören außerdem: Eine Tätigkeits- und Aufgabenanalyse (Anforderungsprofil für eine Stelle) und eine Personen- oder Adressatenanalyse (Eignungsprofil). Die Abweichung zwischen Qualifikation und Anforderung deckt den Bedarf an Lernfeldern, Lerninhalten und Lernformen auf. Einen Überblick über diesen Zusammenhang gibt Abbildung 1:

Abbildung 1: Bedarfsanalyse für die berufliche Fortbildung oder Weiterbildung durchführen

Wie Sie den Bildungsbedarf ermitteln

Die Beteiligung von Mitarbeitern an der Bedarfsanalyse stärkt deren Lernmotivation, weil sie damit einen Teil der Verantwortung für den Lerntransfer übernehmen. Mit folgenden Instrumenten können Sie unter Beteiligung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Bildungsbedarf sowie Erwartungen an Ziele, Inhalte und Ablauf geplanter Maßnahmen ermitteln:

  • Workshops, wenn ausführliche Aufgabenstellungen behandelt werden sollen;
  • Befragungen bestimmter Zielgruppen wie Ungelernte, ältere Mitarbeiter, Führungskräfte, Projektverantwortliche, Teams oder Mitarbeitende einer Abteilung;
  • Stichprobeninterviews mit Mitarbeitern, die an Bildungsmaßnahmen teilgenommen haben;
  • Einzelgespräche mit Führungskräften oder Mitarbeitern, zum Beispiel in Zielvereinbarungsgesprächen;
  • regelmäßige Mitarbeitergespräche.
Hintergrund

Fortbildung, Weiterbildung, Qualifizierung

Die Begriffe Weiterbildung und Fortbildung werden umgangssprachlich häufig synonym verwendet. Damit gemeint ist dann, dass sich Menschen während des Berufslebens und nach einer ersten Ausbildung weiter qualifizieren; sich also weiteres Wissen oder neue Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, um ihre Kompetenzen zu sichern oder zu erweitern.

  • Genau genommen ist eine Weiterbildung die „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ (Definition des Deutschen Bildungsrats).
  • Fortbildung hingegen „soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen“ (Definition im Berufsbildungsgesetz).

Sowohl Weiterbildung als auch Fortbildung sind organisierte und formalisierte Formen der Qualifizierung. Sie umfassen definierte Lernziele, Lerninhalte, Methoden und Lernzeiten. Dadurch unterscheiden Sie sich vom Learning on the Job, das automatisch erfolgt, während der Arbeit und als Sammlung von Wissen und Erfahrung.

Praxis

Weiterbildungswünsche und Bedarfe abstimmen

Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem Wunsch nach einer Weiterbildungsmaßnahme ihre Motive und Erwartungen ausreichend darlegen, erhöht das die Verantwortung des Mitarbeiters für den Erfolg. Gleichwohl sollten Sie immer klären, welche Gründe es außerdem gibt, eine entsprechende Bildungsmaßnahme durchzuführen oder zu erlauben. Klären Sie zunächst:

  • Prüfen Sie in einem Mitarbeitergespräch, welche Gründe für den Mitarbeiter maßgeblich sind, die von ihm gewünschte Weiterbildung durchzuführen.
  • Stimmen Sie diese Gründe mit Ihren Zielen, den Zielen und Rahmenbedingungen des Unternehmens und den Anforderungen an der entsprechenden Stelle ab.
  • Bedenken Sie dabei nicht nur aktuelle Anforderungen, sondern auch die zukünftigen.
  • Und beachten Sie weitere Effekte der Weiterbildung; zum Beispiel mit Blick auf Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeiterbindung, Arbeitgeber-Attraktivität oder Veränderungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Gehen Sie dem Weiterbildungswunsch Ihres Mitarbeiters mithilfe der Fragen in der folgenden Vorlage nach und klären Sie entsprechend gemeinsam den Weiterbildungsbedarf.

Qualifizierungslücke ermitteln

Beurteilen Sie die Kompetenzen Ihrer Mitarbeitenden/ Ihrer Abteilung/ Ihres Teams sowie Ihre eigenen Kompetenzen. Unterscheiden Sie dabei:

  • Fach- und Methodenkompetenz
  • soziale und kommunikative Kompetenz
  • personale Kompetenz
  • Handlungskompetenz

Nutzen Sie für Ihre Beurteilung eine Skala von 0 bis 10

  • 0 = Neuling, keine Kompetenzen, kein Wissen, keine Erfahrung
  • 10 = Experte, umfassendes Wissen, vielfältige Erfahrungen

Markieren Sie die entsprechenden Werte in der folgenden Abbildung und erstellen Sie so ein Kompetenz- und Stärken- und Schwächenprofil.

Nennen Sie jeweils konkrete Beispiele oder Situationen, in denen entsprechende Stärken und Schwächen sichtbar waren.

Leiten Sie daraus den Bildungsbedarf ab.

Kompetenzprofil, Stärken und Schwächen

Nutzen Sie für Ihr Kompetenzprofil mit den jeweiligen Stärken und Schwächen die folgende Vorlage.

Kompetenzen und Weiterbildungsbedarf im Unternehmen

Für die Planung von Fort- und Weiterbildung ist es hilfreich, wenn Sie wissen, wo im Unternehmen welche Kompetenzen bereits vorhanden sind und welche fehlen. Damit können Sie erkennen, wo es Weiterbildungsbedarf gibt.

Mit den folgenden Vorlagen erstellen Sie eine quantitative Übersicht über Kompetenzen und Weiterbildungsbedarf. Dazu definieren Sie zunächst mögliche Kompetenzprofile und bilden daraus Kompetenz- oder Mitarbeitergruppen.

Kompetenzprofile definieren

Im ersten Schritt definieren Sie mit der folgenden Vorlage die Kompetenzprofile. Sie legen fest, welche Kompetenzen im Unternehmen oder in einzelnen Abteilungen benötigt werden. Zum Beispiel:

  • spezielles Fachwissen
  • Erfahrungen im Projektmanagement
  • Verhandlungssicherheit in Fremdsprachen ...

Für jede der Kompetenzen bilden Sie drei Kompetenzstufen – in Abhängigkeit davon, wie ausgeprägt diese Kompetenz ist. Wer die Kompetenz

  • vollständig und umfassend besitzt, gehört bezüglich dieser Kompetenz in Gruppe A,
  • teilweise besitzt, aber auch noch Lücken hat, gehört in Gruppe B,
  • nicht besitzt, gehört in Gruppe C.

In der Vorlage finden Sie beispielhaft entsprechende Beschreibungen. Passen Sie diese an Ihre Anforderungen an.

Anzahl der Kompetenzen je Mitarbeiter ermitteln

Erstellen Sie dann für alle Mitarbeitenden mit dieser Vorlage ein entsprechendes Kompetenzprofil. Wählen Sie dazu für den jeweiligen Mitarbeiter, zu welcher Gruppe er bei der jeweiligen Kompetenz gehört – welche Kompetenzen er mitbringt und welche er (noch) nicht besitzt. Wählen Sie für den einzelnen Mitarbeiter und die jeweilige Kompetenz die Gruppe A, B oder C aus.

Anzahl der Kompetenzen in Abteilungen und im Unternehmen ermitteln

Fassen Sie dann die Kompetenzprofile aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen und zählen Sie aus, wie oft eine Kompetenz in der jeweiligen Ausprägung A, B oder C vorliegt. Erfassen Sie diese Anzahl in der folgenden Vorlage.

Durch die Auszählung der Anzahl der Kompetenzen und ihrer Ausprägungen (A, B, C) für das gesamte Unternehmen oder einzelne Abteilungen können Sie entsprechende quantitative Kompetenzprofile erstellen. Sie können daraus ableiten,

  • wo es Weiterbildungsbedarf gibt,
  • um welche Kompetenzen es dabei geht und
  • wie viele Personen davon betroffen sind.

Sie sehen, wo im Laufe der Zeit bestimmte Kompetenzen, Erfahrungen, Expertise oder Wissen verloren gehen und wo sie hinzukommen. Daraus leiten Sie ab, wo Weiterbildungsbedarf besteht.

Um zu erkennen, in welcher Form, müssen Sie die jeweiligen Einzelprofile der Mitarbeitenden auswerten oder Gespräche mit Vorgesetzten und Mitarbeitenden führen.

Personal- und Kompetenzportfolio erstellen

Wie Sie einzelne Personen in Ihrem Team qualifizieren wollen, können Sie mit der folgenden Übersicht, dem Personal- und Kompetenzportfolio, darstellen.

  • Legen Sie fest, welche Kompetenz oder Kompetenzgruppe Sie betrachten, und wie diese beim jeweiligen Mitarbeiter vorhanden ist.
  • Bewerten Sie außerdem das Potenzial, dass der Mitarbeiter diese Kompetenz erwerben und einsetzen kann.

Mitarbeiter an der Bedarfsanalyse beteiligen

Nutzen Sie die folgenden Vorlagen, um Zielvereinbarungen mit Ihren Mitarbeitenden und Mitarbeitergespräche schriftlich festzuhalten. So machen Sie alle wichtigen Punkte bezüglich einer Bildungsmaßnahme sowohl für Sie als Personalverantwortlichen als auch für Ihre Mitarbeitenden nachvollziehbar.

Dazu im Management-Handbuch

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