Stundensatz berechnenWie Freiberufler ihren Stundensatz kalkulieren

Das Einkommen von Freiberuflern muss nicht nur laufende Kosten decken, auch Rücklagen sollten gebildet werden. Ist der Stundensatz allerdings zu hoch, erschwert dies die Kundenakquise. Wie finden Sie heraus, welcher Stundensatz angemessen ist? Welche Faktoren müssen bei der Kalkulation berücksichtigt werden? Und wie groß sind die Spielräume für Verhandlungen mit Kunden?

Was muss ein Freelancer mindestens verdienen?

Der Stundensatz für Freelancer muss mindestens die Kosten für den eigenen Lebensunterhalt sowie für Sozialabgaben, Steuern, die Altersvorsorge, Rücklagen und die Krankenversicherung decken. Gleichzeitig sollte der Nettostundenlohn dem eines Angestellten aus demselben Berufsfeld entsprechen.

Mit wachsender Berufserfahrung und einer besseren Reputation sowie dem Aufbau eines festen Kundenstamms sollten Freiberufler mit den Jahren immer mehr verdienen; auch weil sie ein höheres Risiko eingehen als Angestellte. Sie sind zum Beispiel nicht durch einen gesetzlichen Kündigungsschutz abgesichert und können sich nur unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich krankenversichern lassen.

Hinweis

Mindestlohn gilt nicht für Freiberufler

Der gesetzliche Mindestlohn für Angestellte entspricht 12,41 EUR (Stand 2024). Als Freiberufler sollten Sie pro Stunde deutlich mehr verdienen, auch wenn die Mindestlohn-Regelung nicht für Selbstständige gilt.

Für die Kalkulation Ihres Stundensatzes sollten Sie davon ausgehen, dass Sie Ihre Arbeitskraft über ein ganzes Jahr gesehen nicht zu hundert Prozent verkaufen können; Ihre fakturierbare Leistung ist meist niedriger. Sie müssen mit einer (saisonal oder wirtschaftlich bedingten) schlechten Auftragslage, außerplanmäßigen Ausgaben für Marketing oder Arbeitsmittel und mit unvorhergesehenen Arbeitsausfällen rechnen.

Ausgleichen können Sie solche Fälle durch Rücklagen, die frühzeitig und laufend gebildet werden. Das wiederum ist nur dann möglich, wenn die regelmäßigen Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit so hoch sind, dass der Lebensunterhalt gesichert wird und gleichzeitig genügend Geld für die Vorsorge bleibt.

Wie hoch Ihre Lebenshaltungskosten sind und wie viel Sie als Freelancer mindestens verdienen müssen, hängt unter anderem ab von:

  • regelmäßigen beruflichen Ausgaben,
  • privaten Fixkosten und Lebenshaltungskosten,
  • Vorstellungen vom und Ansprüchen an den eigenen Lebensstil,
  • Höhe der Ersparnisse, um Engpässe in der Anfangszeit zu überbrücken,
  • Ihrer investierten Arbeitszeit und
  • davon, ob eine weitere Tätigkeit ausgeübt wird und wenn ja, wie viel Sie dabei verdienen.
Hintergrund

Unterschied zwischen Freelancern, Freiberuflern und Selbstständigen

Gewerbetreibende (mit Gewerbeschein) und Freiberufler (eine Tätigkeit ohne Austausch von Waren) gehören zur Gruppe der „Selbstständigen“. Spricht man von Freelancern, sind meistens freie Mitarbeitende gemeint. Sie haben keinen festen Arbeitsvertrag, sondern schließen einen Dienst- oder Werkvertrag mit ihren Auftraggebern ab.

Beispiel: Ein Arzt mit eigener Praxis ist ein Freiberufler. Ein Programmierer, der regelmäßig an Projekten verschiedener großer Unternehmen mitwirkt, aber nicht angestellt ist, nennt sich Freelancer. Beide sind selbstständig tätig, weil Sie sich rechtlich nicht in einem Angestelltenverhältnis befinden.

Viele Freelancer arbeiten für einen Kunden an einem großen Projekt. Wenn dieses Projekt abgeschlossen ist, arbeitet der Freelancer beim selben Kunden oder bei einem anderen Kunden an einem neuen Projekt. Freelancer können für mehrere Kunden gleichzeitig oder nacheinander arbeiten.

Wie viel verdienen Freelancer im Durchschnitt?

Freelancer in Deutschland haben laut einer Umfrage des Freelancer-Kompasses im Jahr 2023 einen Stundenlohn von rund 100 EUR netto (ohne Umsatzsteuer) verdient. Von diesem Einkommen lässt sich für die meisten Selbstständigen gut leben und sie können Rücklagen bilden.

Rechnen Sie allerdings nicht damit, dass Sie gleich im ersten oder zweiten Jahr als Freelancer mindestens durchschnittlich oder besser verdienen. Verfügen Sie von Anfang an über einen oder mehrere fair bezahlende, große Kunden, entfällt die schwierige anfängliche Akquisephase.

Das ist häufig bei Personen der Fall, die vom Angestellten-Dasein in die Freiberuflichkeit wechseln und von ihrem großen Netzwerk profitieren. Manchmal wird aus dem alten Arbeitgeber direkt ein Kunde, weil er nicht auf die Expertise und Erfahrung des ehemaligen Mitarbeiters verzichten möchte.

Welche Faktoren beeinflussen die Kalkulation des Stundensatzes?

Die wichtigsten Faktoren zur Kalkulation Ihres Stundensatzes sind die aufgewendete Zeit und Kosten.

Zur Ermittlung des Faktors Zeit ziehen Sie mindestens heran:

  • Urlaubstage
  • freie Tage im Sinne von „Sonderurlaub“
  • Aufwand für die Buchhaltung, etwa das Schreiben von Rechnungen
  • Zeit für Weiterbildung
  • Zeiten, in denen Sie aus welchen Gründen auch immer, weniger produktiv sind
  • Zeit für Kundenakquise und Marketing

Zur Ermittlung des Faktors Kosten berücksichtigen Sie neben den Lebenshaltungskosten mindestens:

  • Mietkosten und Nebenkosten
  • Lizenzkosten oder Gebühren, zum Beispiel für Software oder Nachschlagewerke
  • Kosten für die Anschaffung und Instandhaltung von Arbeitsmitteln
  • gegebenenfalls Marketing- oder Werbekosten
  • Beiträge für die Mitgliedschaft in Verbänden sowie bei IHK oder Handwerkskammer
  • Weiterbildungskosten
  • Krankenversicherung
  • Pflegeversicherung
  • Altersvorsorge
  • Haftpflichtversicherung
  • gegebenenfalls Sachversicherungen
  • Steuern

Mindestens die genannten Faktoren müssen ermittelt und einkalkuliert werden, um nicht „zu knapp“ zu kalkulieren.

Wie Freiberufler ihren Stundensatz berechnen

Arbeitszeit ermitteln

Die Arbeitszeit für ein Jahr ermitteln Sie anhand der folgenden Faktoren:

  • Wie viele Kalendertage fallen auf Wochenenden?
  • Wie viele Feiertage fallen auf Arbeitstage?
  • Wie häufig sind Sie im betreffenden Jahr krank und somit arbeitsunfähig?
  • Wie viele freie Tage gestehen Sie sich zu?

Ihre Auflistung könnte zum Beispiel so aussehen:

  • Das Jahr 2023 umfasste insgesamt 365 Tage.
  • 105 Tage fielen auf ein Wochenende.
  • 8 gesetzliche Feiertage fielen auf Arbeitstage in meinem Bundesland.
  • Ich habe 25 Tage Urlaub genommen.
  • Ich war an 5 Tagen krank.

Daraus ergeben sich 222 Tage, an denen Sie tatsächlich gearbeitet haben. Für die Berechnung des Stundensatzes kalkulieren Sie mit einer Arbeitszeit von 8 Stunden pro Tag.

Üblicherweise geht man davon aus, dass nur zwei Drittel der aufgewendeten Zeit als Arbeitszeit genutzt werden können. Die meisten Freelancer müssen zum Beispiel Kundenakquise betreiben und organisatorische Aufgaben erledigen. Das alles kostet Zeit, die nicht direkt bezahlt wird.

Stundensatz ermitteln

1. Kosten berechnen

Addieren Sie sämtliche Kosten, die pro Jahr anfallen. Berücksichtigen Sie dazu die oben genannten Lebenshaltungskosten und alle  weiteren Kosten.

2. Arbeitsstunden pro Jahr berechnen

Berechnen Sie dann, wie viele Arbeitsstunden Sie im Jahr 2023 abrechnen können. Diese ergeben sich aus den Arbeitstagen pro Jahr (siehe oben: 222 Tage).

222 Tage × 8 Stunden = 1776 Stunden

3. Arbeitsstunden pro Monat berechnen

Danach berechnen Sie, wie viele Stunden Sie pro Monat arbeiten.

1776 Stunden × 2⁄3 ÷ 12 Monate = 98,67 Stunden pro Monat

Sie arbeiten im Jahr 2023 durchschnittlich rund 99 Stunden im Monat.

4. Stundensatz berechnen

Dividieren Sie die Summe aus monatlichen privaten und betrieblichen Kosten durch die abrechenbaren Stunden pro Monat. Gehen Sie von Gesamtkosten in Höhe von 7000 EUR aus, sieht die Rechnung zum Beispiel so aus:

7000 EUR ÷ 99 Stunden = 70,71 EUR/Stunde

Damit haben Sie gerade Ihre gesamten Kosten gedeckt. Je nach Branche und Attraktivität Ihres Leistungsangebots können Sie nun noch einen Gewinnzuschlag addieren; zum Beispiel 10 Prozent. Sie rechnen dann:

70,71 EUR × 1,1 = 77,78 EUR

Das Ergebnis: Ihr Stundensatz muss mindestens 77,78 EUR betragen, damit Sie alle Kosten decken und einen zusätzlichen Gewinn erwirtschaften.

Was beachten Sie außerdem bei der Kalkulation des Stundensatzes?

Branchendurchschnitt ermitteln und vergleichen

Welcher Gewinnzuschlag und welcher Stundensatz angemessen ist, hängt zum einen von Ihren Ausgaben ab, zum anderen sollten Sie sich an den üblichen Stundensätzen in Ihrer Branche orientieren. Vergleichen Sie Ihren Stundensatz mit dem branchenüblichen Durchschnitt, um sich weder unter Wert zu verkaufen, noch potenzielle Auftraggeber durch hohe Stundensätze abzuschrecken.

Nicht unter Wert verkaufen

Gerade für unerfahrene Freelancer wirken Stundensätze im oberen zweistelligen oder sogar im unteren dreistelligen Bereich erst einmal sehr gewagt, weil sie relativ hoch im Vergleich zum Stundenlohn eines Angestellten scheinen.

Lassen Sie sich nicht verunsichern, sondern nennen Sie Ihre Preise schon früh im Austausch mit dem Kunden, um transparent zu bleiben und ihrem Gegenüber zu signalisieren: Ich weiß, was meine Arbeit wert ist.

Verlangen Freelancer einen Stundensatz, der unter dem Durchschnitt liegt, schreckt das manch potenzielle Auftraggeber ab. Sie vermuten, dass der freie Mitarbeiter wenig Erfahrung hat oder aufgrund einer schlechten Arbeitsweise oder wegen schlechter Arbeitsergebnisse bereits Kunden verloren hat. Schließlich muss der günstige Preis einen Grund haben.

Stundensatz nachverhandeln

Stellt sich heraus, dass Ihre Kalkulation falsch war und der Aufwand deutlich höher als gedacht ist oder die Aufgaben komplizierter sowie umfangreicher als vereinbart sind, dann verhandeln Sie nach – sofern vertraglich und rechtlich möglich.

Ihr Stundenlohn ist nicht in Stein gemeißelt. Und wenn Sie den neuen höheren Stundensatz für weitere Arbeitsstunden nachvollziehbar begründen, ist es sehr wahrscheinlich, dass ein zufriedener Auftraggeber die Mehrkosten für gute Arbeit in Kauf nimmt.

Bei Unsicherheiten einen Rabatt anbieten

Sie sind noch unsicher, ob Ihr Stundensatz angemessen und üblich ist? Dann bieten Sie Ihren potenziellen Auftraggebern einen (zeitlich befristeten) Rabatt an, um sich langsam aber sicher an einen angemessenen und noch von Kunden akzeptierten Stundensatz heranzutasten.

Wollen Auftraggeber unbedingt verhandeln und Sie können aufgrund der momentan schlechten Auftragslage nur schwer auf den Auftrag verzichten, gewähren Sie einen Rabatt. Ist Ihr Gegenüber zufrieden mit Ihrer Arbeit, wird er später einen höheren Preis akzeptieren und Sie haben guten Willen bewiesen. Sich per se nicht auf Verhandlungen einzulassen, kann unsympathisch wirken und Kunden abschrecken.

Praxis

Stundensatz kalkulieren mit Vorlage

Mit der folgenden Vorlage erfassen Sie alle wichtigen Faktoren, die sich auf den für Sie angemessenen Stundensatz als Freelancer auswirken können.

Gehen Sie wie folgt vor:

  1. Bestimmen Sie das (gewünschte) Niveau Ihrer Lebenshaltungskosten.
  2. Ermitteln Sie alle anfallenden sonstigen Kosten.
  3. Legen Sie die gewünschte Rücklagenhöhe und den Gewinn fest.
  4. Nutzen Sie die Formel zur Berechnung des Stundensatzes.
  5. Führen Sie eine kurze Marktanalyse durch und vergleichen Sie Ihren kalkulierten Stundensatz mit den marktüblichen Stundensätzen.
  6. Legen Sie den Spielraum für Verhandlungen fest.
  7. Klären Sie für sich pauschal vorab die rechtlichen Aspekte und Ihre Zahlungsbedingungen oder besprechen Sie diese Details individuell mit den einzelnen Auftraggebern.

Das Ergebnis nutzen Sie, um Ihrem nächsten potenziellen Auftraggeber schnell ein angemessenes Angebot zu unterbreiten.

Kommt kein Auftrag zustande, bearbeiten Sie die Vorlage erneut und hinterfragen dabei kritisch:

  • Muss ich einen niedrigeren Stundensatz verlangen?
  • Wo lassen sich Einsparungen realisieren?
  • Wie kann ich meinem Kunden preislich entgegenkommen?

Erfassen Sie mithilfe der folgenden Excel-Vorlage alle Aufwendungen und Kosten und berechnen Sie dann den Mindeststundensatz für Ihre Arbeitsleistung. Die Berechnung folgt den Erläuterungen in diesem Beitrag.

Dazu im Management-Handbuch

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