International verhandelnWie der Verhandlungspartner die Verhandlung beeinflusst

Interkulturelle Kommunikation oder Rhetorik, nonverbale Kommunikation sowie interkulturelle Kompetenzen beeinflussen den Gang der Verhandlung im internationalen Umfeld. Sie können Irritationen und Missverständnisse hervorrufen. Wichtig ist, die Faktoren zu kennen, die unmittelbar mit der Person der Verhandelnden zusammenhängen.

Mit welchen Menschen wird verhandelt?

Wenn Ihnen die einzelnen Personen, die vom Partnerunternehmen in die Verhandlung geschickt werden, bekannt sind, können Sie sich auf diese vorbereiten. Schätzen Sie dazu für jeden Verhandlungspartner die folgenden Einflussgrößen ein:

  • die fachliche Kompetenz
  • die hierarchische Position
  • die Funktion im Verhandlungsteam
  • Faktoren, die im jeweiligen Länderkontext relevant sind und was länderspezifisch wichtig ist (zum Beispiel kann die Parteizugehörigkeit eine Rolle spielen)
  • die soziale Kompetenz und Eignung als Verhandlungspartner

Diese Einflussfaktoren werden in unterschiedlichen Gesellschaften unterschiedlich gewichtet. In Gesellschaften mit hoher Machtdistanz und in stark formalisierten Kulturen muss vor allem die hierarchische Position berücksichtigt werden.

Persönliche Beziehung beeinflusst Verhandlungen

Die kommunikativen und sozialen Fähigkeiten von Verhandlungspartnern spielen in allen Verhandlungen eine Rolle, im internationalen Kontext gilt dies umso mehr. In personenorientierten Gesellschaften (zum Beispiel asiatischen, arabischen, lateinamerikanischen Ländern) wird eine soziale Beziehung zum Verhandlungspartner persönlich aufgebaut, die über seine Funktion als Repräsentant der Organisation, die er vertritt, hinausgeht. Ein solcher Beziehungsaufbau benötigt Zeit und erfordert Verständnis und Geduld bei den Verhandlungspartnern der Gegenseite.

Interkulturelle Kommunikation

Der situative und kulturelle Kontext bestimmt den Gang von Verhandlungen mit. Insofern sollten Sie reflektieren, welche Erwartungen bestehen und welches Auftreten und welche Verhandlungsführung einer Rednerin oder eines Redners als angemessen und zielführend erscheinen.

Der erste Eindruck ist entscheidend für die weitere Wahrnehmung und Beurteilung einer Person. Wer bei einer Präsentation einen positiven ersten Eindruck erweckt, erleichtert die weitere inhaltliche Überzeugungsarbeit. Allerdings gelten – in Abhängigkeit von der jeweiligen Kultur der Zuhörenden – unterschiedliche Regeln. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen:

Im chinesischen Kontext

In einem chinesischen Kontext ist es angebracht, wenn ein Redner bescheiden auftritt, seine eigenen Leistungen schmälert und mit einer eingeschränkten Gestik eher leise spricht.

Im westlichen Kontext

Im westlichen Kontext dagegen wird ein Redner mit selbstbewusstem Auftreten mit klaren, deutlichen Aussagen, die mit Fakten und Zahlen belegt werden, als kompetent eingeschätzt.

Im arabischen Kontext

In arabischen Ländern unterstützt die Verstärkung der eigenen Aussage die Argumentation; oft durch Anrufung höherer Autoritäten oder Floskeln wie „Ich schwöre bei Gott“.

Beispiel

Deutsche und arabische Partner verhandeln

Auf einen deutschen Verhandlungspartner wirken Ausrufe wie „Ich schwöre bei Gott“ – wenn er mit den Konventionen nicht vertraut ist – eher komisch, übertrieben oder dramatisch. Ein solcher Sprecher wirkt daher auf einen deutschen Verhandlungspartner wenig Vertrauenerweckend oder glaubwürdig. Umgekehrt mag der deutsche Verhandlungspartner seinem arabischen Kollegen eher als emotional unbeteiligt, distanziert und schwer durchschaubar erscheinen.

Humor bei internationalen Verhandlungen unangebracht

Der Einsatz von Humor ist im Westen ein probates Mittel, um Situationen zu entspannen und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Im internationalen Kontext sollten Sie damit allerdings sehr vorsichtig umgehen. Denn Humor ist kulturspezifisch. Was in einer Kultur (und hierzu zählen nicht nur nationale, sondern auch Subkulturen) als locker und lustig interpretiert wird, kann in einer anderen Kultur zu Unverständnis, Verstimmungen und Missverständnissen führen.

Nonverbale und paraverbale Kommunikation

Nonverbale (körpersprachliche) und paraverbale (stimmliche) Kommunikation führen bei den Zuhörenden zu Urteilen über die Persönlichkeit und Kompetenz des Sprechenden. Unterschieden werden dabei:

  • körpersprachliche Signale (Gestik, Mimik, Blickkontakt)
  • taktile Merkmale (Einhalten von Distanz)
  • paraverbale Signale (Stimmhöhe, Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit)
  • olfaktorische Merkmale (ausgesendete Düfte und Gerüche).

Wenn Zuhörende zwischen den inhaltlichen Botschaften und den nonverbalen und paraverbalen Signalen Widersprüche entdecken, so billigen sie häufig den körpersprachlichen und stimmlichen sogar die größere Glaubhaftigkeit zu. Wenn beispielsweise jemand mit ausdruckslosem Gesicht und leiser, zittriger Stimme eine gute Nachricht verkündet, wird deren Wahrheitsgehalt eher angezweifelt werden. Praktische Probleme verursacht oft das gegenteilige Beispiel.

Beispiel

Das Lächeln der Asiaten

Das Lächeln der Asiaten (manchmal auch abwertend als Pokerface bezeichnet) kann bei Vertretern anderer Kulturen Verärgerung oder sogar Zorn hervorrufen, wenn es eine schlechte Nachricht oder eine Absage begleitet. Nach den asiatischen Kulturnormen ist das Dauerlächeln damit begründet, dass die Bewahrung des Gesichts in jedem Fall eingehalten werden muss, auch unter ungünstigen Umständen. Lachen wird von Asiaten manchmal eingesetzt, um Unsicherheiten zu kaschieren oder Situationen, die ihnen peinlich sind, zu überspielen.

Vertreter der westlichen Kulturen finden dagegen nur den Gleichklang von Botschaft und begleitender Mimik authentisch und akzeptabel, interpretieren ein Dauerlächeln manchmal als emotionslos, undurchschaubar und von daher eher feindselig. Umgekehrt kann beispielsweise ein Europäer oder Araber, der seinen Emotionen freien Lauf lässt und damit sein Gesicht verliert, von asiatischen Gesprächspartnern als unhöflich, grob und keines weiteren Gespräches würdig eingeschätzt werden.

Welche Signale Missverständnisse hervorrufen

Nonverbale und paraverbale Signale können Missverständnisse hervorrufen, wenn ihnen verschiedene kulturelle Orientierungssysteme unterschiedliche Bedeutung zuweisen. In interkulturellen Redesituationen ist es deshalb wichtig, sich stets in Erinnerung zu rufen, dass der intendierte Ausdruck oft nicht mit dem beim Zuschauenden entstehenden Eindruck übereinstimmt.

Zustimmen und Ablehnen

Zustimmung wird in Deutschland durch Kopfnicken begleitet, Ablehnung durch Kopfschütteln. In Indien wird Zustimmung signalisiert, indem mit dem Kopf gewackelt wird (es erfolgt eine Wiegebewegung). Dies wird von Verhandlungspartnern aus anderen Kulturen allzu leicht als Kopfschütteln oder Ablehnung interpretiert. Selbst bei einem kulturell geschulten Redner, der diese indische Eigenheit kennt, kann sie Irritation hervorrufen – weil man eben an eine andere zustimmende Gestik gewöhnt ist.

Blickkontakt zu den Zuhörenden und Stimmlage

Im deutschen Kulturkreis gilt es als überzeugend, wenn ein Redner Blickkontakt zu den Zuhörenden aufnimmt und hält und wenn er seiner Gestik freien Lauf lässt. Ein Gegenüber, das einem nicht in die Augen schauen kann, wird im westlichen Kulturkreis negativ beurteilt und als unaufrichtig wahrgenommen. Eine tiefe Stimmlage wirkt günstig, in Argumentationsphasen soll laut und moduliert gesprochen werden. In anderen Kulturen (zum Beispiel in Japan) ist die Angemessenheit eines Blickkontakts abhängig von der hierarchischen Beziehung des Sprechenden zu seinem Zuhörenden. Ein intensiver Blickkontakt kann als anmaßend empfunden werden, lautes Sprechen sogar als aggressiv.

Gesten

Bestimmte Gesten ersetzen Sprache, zum Beispiel der emporgestreckte Daumen als Zeichen für „alles Bestens“ oder der ausgestreckte Mittelfinger als Beleidigung. Manche davon werden kulturübergreifend verstanden und sind eine effiziente Form, Stimmungen auszudrücken und zu erkennen. Allerdings kann eine Geste in einem anderen Kulturkreis auch eine völlig andere Bedeutung haben: Ein Kreis aus Daumen und Zeigefinger bedeutet in Deutschland „hervorragend“ oder „exquisit“, dieselbe Geste stellt in Italien eine schwere Beleidigung dar.

Händedruck

Schwierigkeiten bereitet im interkulturellen Umfeld auch das Feld der taktilen Signale. Der feste Händedruck zur Begrüßung wirkt im westlichen Kontext zupackend und signalisiert Verlässlichkeit. Interkulturelle Trainer, die Vertreter aus anderen Kulturen, in denen eher eine höfliche Verneigung oder eine andere Geste zur Begrüßung üblich ist, auf die Arbeit mit Deutschen vorbereiten, üben deshalb manchmal den festen Händedruck mit ihren Teilnehmenden ein. In manchen Kulturen (zum Beispiel in einigen afrikanischen, islamischen und indischen) ist es unüblich, Frauen mit Händedruck zu begrüßen oder überhaupt Frauen zu berühren. Allerdings stellt ein Händedruck zur Begrüßung heutzutage bei gebildeten Verhandlungspartnerinnen kaum noch ein Problem dar.

Distanz zum Gegenüber und Körperberührungen

Andererseits sind einige Kulturen, zum Beispiel die mediterrane oder die südamerikanische, eher berührungsaffin, zumindest in den Beziehungen der Männer untereinander. Die Distanz zum Gegenüber und das Ausmaß von sozial akzeptierten Körperberührungen sind stark kulturabhängig. Jeder Kulturkreis kennt übliche Distanzen zwischen (einander nicht eng vertrauten) Personen. Diese ist zum Beispiel in Brasilien wesentlich geringer als in Deutschland. Wird eine solche übliche Distanz hierzulande unterschritten, fühlt sich die Person unwohl und versucht, die angenehme Distanz wieder herzustellen, praktisch also vom Gegenüber abzurücken. Solche Unterschiede können zu Fehlinterpretationen führen und damit Missverständnisse und unangenehme Situationen hervorrufen.

Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Stimmhöhe

Eine hohe Lautstärke, schnelle Sprechgeschwindigkeit oder hohe Stimme können als Aufgeregtheit und Aggressivität gedeutet werden, aber auch als Zeichen für eine angeregte Unterhaltung, nicht nur zwischen unterschiedlichen Kulturen, sondern auch im Kontext von Sub- und regionalen Kulturen.

Wie Sie Fehlinterpretationen gegensteuern

Insgesamt sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass durch die Interpretation von nonverbalen und paraverbalen Signalen versucht wird, Informationen über den Sprechenden und über das Gesagte hinaus zu erhalten. Deshalb sollten in einer Verhandlung im internationalen Umfeld die Akteure stets

  • sensibel sein für die eigenen Signale, die sie aussenden, und
  • versuchen, in der Interpretation der empfangenen Signale möglichst offen zu bleiben, um keinen Fehlinterpretationen zu unterliegen.

Sie sollten sich außerdem stets bewusst sein, dass sich bei dem häufig nicht perfekten gegenseitigen Sprachverständnis, wie es in Verhandlungen im internationalen Kontext häufig der Fall ist, die Aufmerksamkeit der Verhandlungspartner stark darauf richtet, wie etwas gesagt wird.

Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation

Interkulturelle Kompetenz bedeutet zunächst, dass die Personen, die eine Verhandlung führen,

  • sich über die kulturelle Bedingtheit der Wahrnehmung und der interkulturellen Unterschiede im Klaren sind,
  • ein Grundverständnis für die Fremdkultur entwickeln und sich entsprechend informiert haben,
  • Mittel und Wege für eine angemessene Kommunikation finden.

Personen, die erfolgreich internationale Verhandlungen durchführen sollen, müssen in der Lage sein,

  • ihrer eigenen Kulturstandards und den für sie und ihre umgebende Kultur üblichen Kommunikationsstil zu realisieren,
  • zu reflektieren, ob sie sich an Verhandlungspartner mit unterschiedlichen Standards und Verhandlungsstilen anpassen müssen und inwieweit sie dazu in der Lage sind.

Interkulturelle Kompetenz als Herausforderung

Auch für interkulturell kompetente Personen stellt die interkulturelle Kompetenz eine große Herausforderung dar: Man mag rational verstehen, welche unterschiedlichen Wertvorstellungen die andere Partei hat. Sich jedoch entsprechend zu verhalten, erfordert große Disziplin. Gerade in der kritischen Situation einer wichtigen Verhandlung heißt das, über den eigenen Schatten zu springen.

Fremdbilder und historische Erfahrungen

Interkulturell kompetenten Verhandlungspartnern ist klar, dass Vorurteile und persönliche Einstellungen existieren können, die von Fremdbildern oder historischen Erfahrungen beeinflusst sind. Prägend ist beispielsweise in vielen asiatischen Ländern noch die Erfahrung des westlichen Kolonialismus. Die vermeintliche Überlegenheit, die Arroganz und Herablassung der früheren Kolonialherren werden noch allzu gut erinnert.

Westeuropäer sind zudem im Vergleich zu vielen asiatischen Verhandlungspartnern gewöhnlich größer, lauter, manchmal auch formal höher gebildet und gelten als wohlhabend, sodass sie alleine aufgrund dieser Voraussetzungen schnell als arrogant oder überheblich eingeschätzt werden.

Selbstkontrolle, Kooperationsbereitschaft, Geduld, Ambiguitätstoleranz

Wer erfolgreiche Verhandlungen im internationalen Kontext führt, sollte über Selbstkontrolle verfügen, insbesondere im Risikoverhalten. Außerdem ist die Fähigkeit hilfreich, Ereignisse in ihrer Komplexität wahrzunehmen. Als hilfreich erweisen sich Kooperationsbereitschaft, Geduld und vor allem Ambiguitätstoleranz, also das Aushalten und Akzeptieren von unklaren und widersprüchlichen Situationen und Reaktionen.

Praxis

Interkulturelle Kommunikation trainieren

Reflektieren Sie, welche Erwartungen Sie selbst bezüglich der Verhandlung im internationalen Umfeld haben:

  • Was erwarten Sie von den beteiligten Personen?
  • Welches Verhalten könnten diese Personen vor ihrem jeweiligen Hintergrund zeigen?

Überlegen Sie dann, welches Auftreten Ihres Verhandlungsteams Ihnen als angemessen und zielführend erscheint:

  • Welche Kompetenzen bringt Ihr Verhandlungsteam mit?
  • Wo sehen Sie Gefahren oder Stolpersteine aufgrund der Personen in Ihrem Team?
  • Worauf sollten sich die Mitglieder Ihres Teams einstellen?

Um rhetorisch überzeugend in einer interkulturellen Redesituation aufzutreten, sollten Sie sich anhand der folgenden Leitfragen vorbereiten:

  • In welcher Rolle spreche ich warum und wann zu wem?
  • Welche kulturspezifischen Verhaltensweisen werden von mir erwartet?
  • Kann und will ich diese Verhaltensweisen erfüllen?
  • Was macht einen glaubwürdigen Sprecher in der Zielkultur aus?
  • Kann und will ich diesen Normen entsprechen?
  • Welche verbalen und nonverbalen Signale gebe ich üblicherweise ab?
  • Inwiefern könnten diese von den Zuhörenden fehlinterpretiert werden?
  • Wie gut kann ich sie steuern und worauf muss ich dabei achten?
  • Genügt meine Präsentation den Kriterien für Verständlichkeit? (Einfachheit des Ausdrucks, klare Gliederung des Gesagten, kurze und prägnante Aussagen, Anschaulichkeit durch Visualisierungen von Inhalten)
  • Haben meine Argumente Überzeugungskraft in der Zielkultur?
  • Wie wird in der Zielkultur Rückmeldung gegeben?
  • Kann ich diese Rückmeldungen adäquat interpretieren?

Für die hinreichende Erfüllung aller Kriterien sind langjährige Erfahrung und eine intensive Vorbereitung erforderlich. Mindestanforderung ist jedoch, das persönliche Verhalten auf potenzielle Missverständnisse zu überprüfen und bestmöglich anzupassen, dabei aber authentisch zu bleiben. Manchmal ist es sinnvoll, auf die eigene Kulturgebundenheit hinzuweisen.

Überprüfen Sie auch Ihre nonverbalen (körpersprachliche) und paraverbalen (stimmliche) Signale:

  • Welche Signale in Ihrer Zielkultur gelten als typisch?
  • Wo lauern Fettnäpfchen?
  • Wie bewerten Sie Ihre eigenen interkulturellen Kompetenzen im Allgemeinen?

Setzen Sie sich mit den Kriterien der interkulturellen Kompetenzen auseinander. Nutzen Sie dafür die folgende Vorlage.

So wie Ihre Kommunikation sollten Sie auch Ihre Verhandlungsstrategie auf den Verhandlungspartner und seinen kulturellen Hintergrund ausrichten. Mit ihrer Strategie sollten Sie Vertrauen aufbauen. Das gelingt in manchen Kulturen mit distributiver und an anderen mit integrativer Verhandlungsstrategie. Im folgenden Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels erfahren Sie, was sich dahinter verbirgt und wie Sie dies für Preisverhandlungen nutzen können.

Dazu im Management-Handbuch

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