Beispiel für eine Customer Journey

Bei einer Grillparty Ihres Nachbarn erzählt dieser Ihnen von seinem neuen autonomen Rasenmäher. Das macht Sie neugierig. Sie lassen sich von Ihrem Nachbarn das Modell, die Vorteile und Erfahrungen berichten. Dann suchen Sie nach weiteren Informationen im Internet. So reift Ihr Entschluss, für Ihren Garten ebenfalls einen Roboter-Rasenmäher zu kaufen.

Sie informieren sich über die besten Modelle und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis über Testberichte, Anbieter-Webseiten und Vergleichsportale. So entwickeln Sie eine Präferenz für ein bestimmtes Modell. Das wollen Sie sich aber vor dem Kauf selbst noch einmal ansehen und suchen deshalb ein Gartencenter auf.

Dort ist das von Ihnen bevorzugte Modell leider nicht verfügbar. Aber die Verkäuferin ist so freundlich und kompetent, dass Sie sich für ein anderes Modell entscheiden. Sie fassen es an, prüfen es, lassen sich die Vorteile erklären, schauen auf den Kaufpreis und entschließen sich dann für den Kauf. Zu Hause lesen Sie die Bedienungsanleitungen und nach einigen Versuchen fährt der Roboter allein über Ihren Rasen. Sie sind gespannt auf das Mähergebnis.

Merkmale des Kaufprozesses

Das Beispiel macht den Begriff „Kaufprozess“ greifbarer. Es wird sichtbar, dass das Kaufen ein Prozess ist, der

  • viel Zeit benötigt,
  • oft eine lange Geschichte hat,
  • sich über unterschiedliche Räume erstreckt,
  • viele Gabelungspunkte (Zerstreuungen, Gewohnheiten, Pflichten) hat,
  • von bestimmten Umfeldfaktoren abhängt,
  • mehrere Phasen hat,
  • von der augenblicklichen Gestimmtheit geprägt ist,
  • an bestimmten Interventionspunkten gelenkt oder beschleunigt werden kann.

Da sich alle diese Faktoren immer wieder ändern können, gibt es unzählige unterschiedliche Kaufprozesse. Vereinfachende Prozessmodelle oder Phasenmodelle helfen, damit Sie als Anbieter von Produkten dennoch besser verstehen, was beim Kaufen abläuft und wo Sie eingreifen können, um den Kaufprozess in Ihrem Sinn zu beeinflussen.

Modelle für die Customer-Journey-Analyse

Mithilfe der folgenden Modelle lässt sich die Customer Journey beschreiben besser verstehen:

AIDA-Modell

Ein einfaches und bekanntes Modell ist das AIDA-Modell. Hier wird der Kaufprozess in vier Phasen unterteilt, in die Sie als Anbieter jeweils unterschiedlich eingreifen können:

  1. Attention – Aufmerksamkeit: In der ersten Phase müssen Sie den Kunden auf Ihr Angebot aufmerksam machen und ihn anregen, den Kauf überhaupt in Erwägung zu ziehen.
  2. Interest – Interesse: Mit der zweiten Phase wird der Kunde von sich aus aktiv. Er informiert sich, liest Testberichte, vergleicht unterschiedliche Anbieter und Produkte. Hier müssen Sie als Anbieter sein Informationsinteresse befriedigen und ihn von Ihrem Produkt überzeugen.
  3. Desire – Kaufwunsch: Dann fasst der Kunde Vertrauen. Er entscheidet sich für einen Anbieter und dessen Produkt. Er möchte dieses Produkt kaufen und prüft noch, ob es verfügbar ist und ob sein Budget dafür ausreicht. Zudem prüft er, ob ihm die Kaufabwicklung zusagt und die Zahlungsmodalitäten passen. In dieser Phase müssen Sie sicherstellen, dass Ihr Angebot genau so formuliert ist, dass es zu den Anforderungen, Erwartungen und Rahmenbedingungen des Kunden passt – und dass ihn keine Informationen irritieren, zweifeln oder vom Kaufwunsch abbringen lassen.
  4. Action – Ausführung: Schließlich führt der Kunde den Kauf durch, geht zur Kasse, bezahlt oder unterschreibt den Kaufvertrag. Zum Kaufabschluss muss es nun einfach, sicher und zügig gehen, damit der Kunde schnell zu seinem Produkt kommt.

Dieses einfache AIDA-Modell hilft, die wichtigen Schritte im Kaufprozess zu beachten, es reicht aber oft nicht aus, um die wichtigen Details zu verstehen und abzubilden. Zum einen werden Schleifen oder Abzweigungen nicht beachtet. Zum Beispiel: Was passiert, wenn das gewünschte Produkt nicht verfügbar ist?

Zum anderen werden weitere Phasen nach dem Kauf nicht beachtet: Ist der Kunde zufrieden? Gibt er das Produkt zurück? Deshalb gibt es weitere, differenziertere Modelle zur Beschreibung von Kaufprozessen.

ACCRA-Modell

Das ACCRA-Modell zur Beschreibung von Kaufprozessen betrachtet über das klassische AIDA-Modell hinaus die Nachkaufphase. Es unterscheidet dazu die Phasen: Awareness, Consideration, Conversion, Retention, Advocacy. Hier wird also zusätzlich nach dem Kaufereignis betrachtet, was für die Kundenbindung (Retention) wichtig ist und inwiefern der Kunde das Produkt an andere weiterempfiehlt (Advocacy).

ARIVA-Modell

Das ARIVA-Modell von Olaf Hartmann und Sebastian Haupt betrachtet folgende Phasen:

  1. Attention: Aufmerksamkeit beim Kunden wecken
  2. Recall: für Erinnerung beim Kunden sorgen, sich im Bewusstsein des Kunden verankern
  3. Integrity: Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufbauen
  4. Value: Wert und Nutzen des Angebots vermitteln
  5. Action: Kaufbereitschaft herstellen und für den Kaufabschluss sorgen

Die Customer Journey in Phasen einteilen und beschreiben

Je nachdem, welches Produkt, welche Kunden und welchen Vertriebskanal Sie im Rahmen der Customer Journey betrachten, ist es sinnvoll, sie als Kaufprozess in einem eigenen Phasenmodell zu beschreiben und zu analysieren. Grundlage dafür sind die drei genannten Modelle, die Sie für Ihre Zwecke anpassen und differenzieren.

Für das Beispiel des Roboter-Rasenmähers kann das folgendermaßen aussehen:

1. Phase Attention:

  • Gespräch mit dem Nachbarn über Rasenmäher.
  • Nachbar führt seinen Roboter-Rasenmäher vor.
  • Bei der Recherche nach Roboter-Rasenmähern fällt das Angebot Ihres Unternehmens auf.

2. Phase Interest oder Recall:

  • Der Kunde erkennt durch Berichte im Internet, welche Vorteile ein Roboter-Rasenmäher haben kann.
  • Er erkennt, wie er ihn nutzen kann.
  • Er nimmt Ihr Unternehmen wahr als einen führenden und bewährten Anbieter für diesen Produkt-Typ.

3. Phase Integrity:

  • Aufgrund von Testberichten und durch das Informationsangebot auf Ihrer Webseite sieht er Ihre Produkte als vertrauenswürdig an.
  • Im Gartencenter wird er von der Verkäuferin gut beraten.
  • Ihr Produkt wird dem Kunden vorgeführt, er versteht, wie es funktioniert.

4. Phase Desire oder Value:

  • Das Produkt gefällt dem Kunden, es sieht ansprechend aus und lässt sich einfach bedienen.
  • Der Kunde sieht, was das Produkt kostet.
  • Die Verkäuferin erklärt, dass dieses Produkt diese Woche noch einen rabattierten Sonderpreis hat.
  • Die Verkäuferin bietet dem Kunden eine verlängerte Gewährleistung an.

5. Phase Action:

  • Der Kunde kann das Produkt gleich mitnehmen.
  • Es ist verpackt und leicht zu transportieren.
  • Der Kunde bezahlt ohne Wartezeit an der Kasse.

6. Phase Retention:

  • Der Kunde installiert den Roboter-Rasenmäher schnell und einfach in seinem Garten.
  • Eine verständliche Bedienungsanleitung hilft ihm dabei.
  • Schon nach wenigen Minuten wird der Rasen gemäht.
  • Der Rasenmäher ist leise und tut, was er soll.

7. Phase Advocacy:

  • Über die Steuerungs-App Ihres Rasenmähers wird der Kunden zu einer Bewertung des Produkts in Ihrem Online-Shop gebeten; er gibt 5-Sterne.
  • Bei der nächsten Grillparty berichtet der Kunde von seinem neuen Roboter-Rasenmäher …

Die Touchpoints mit der Customer-Journey-Analyse bestimmen

Um die Customer Journey zu analysieren, müssen Sie im nächsten Schritt ermitteln, welche Touchpoints es jeweils gibt und was der Kunde dort erleben oder erfahren kann.

Beispiele für Touchpoints

  • eine Anzeige bei Google oder die Darstellung Ihrer Produkte auf Vergleichs- oder Händlerportalen
  • die Webseite(n) mit Ihrem Produktangebot und den Produktbeschreibungen
  • ein Kontaktformular, über die der Kunde vorab Fragen stellen kann
  • die Antworten, die er erhält
  • die Präsentation Ihrer Produkte im Gartencenter
  • die Freundlichkeit und Kompetenz der Verkäuferin
  • das Produkt-Design und die Verpackung
  • die Bedienungsanleitung
  • eine App für weitere Informationen oder zur Steuerung des Rasenmähers
  • die Hotline, wenn es ein technisches Problem gibt

Kundenerlebnisse und Kundenerfahrungen am Touchpoint bewerten

An jedem Touchpoint kann der Kunde positive oder negative Erfahrungen mit Ihrem Unternehmen, Ihren Produkten und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sammeln.

Es kann Fälle geben, die der Kunde gar nicht akzeptiert. Zum Beispiel: kein Beratungspersonal im Gartencenter oder Fehlfunktionen bei der Vorführung. Andere Elemente bei den Touchpoints können ihn begeistern. Zum Beispiel eine einfache und schicke App auf dem Smartphone zur Steuerung.

Dabei lassen sich drei Fälle unterscheiden, wie Kunden die Leistungen am Touchpoint erleben und bewerten:

  • Enttäuschungsfaktoren: Leistungen, die man eigentlich erwarten kann und die jeder Anbieter als Standard anbietet, werden nicht erbracht.
  • OK-Faktoren: Was der Kunde erwartet, wird auch geliefert oder erbracht. Die Leistung ist in Ordnung.
  • Begeisterungsfaktoren: Der Kunde hat besonders positive Erlebnisse am Touchpoint, mit denen er nicht gerechnet hätte. Was Sie bieten, begeistert ihn.

Enttäuschung führt meist dazu, dass der Kaufprozess abgebrochen wird. Der Kunde wechselt, wenn immer möglich, zum Wettbewerber. OK-Faktoren leisten einen Beitrag zur Kundenzufriedenheit, mal mehr, mal weniger – je nachdem wie die Leistung ausfällt.

Begeisterung führt dazu, dass der Kunde gerne den Kaufprozess mit Ihnen weiterführt, ihn vielleicht sogar abkürzt, also direkt kauft – und dann auch in Zukunft ein treuer Kunde und Empfehler sein kann. Entscheidend bei der Gestaltung der Customer Journey ist es, an den richtigen Stellen Begeisterungsfaktoren zu finden, gezielt zu erzeugen und zu nutzen.

Schlüsselfaktoren der Customer Journey erkennen

Wenn Sie den Kaufprozess als Customer Journey mit allen Teilschritten beschrieben und die Touchpoints identifiziert haben, können Sie erkennen, an welchen Stellen sich oft entscheidet, was der Kunde als Nächstes tut. Der Kunde kann nämlich nach jedem Teilschritt im Kaufprozess:

  • warten
  • abbrechen
  • fortsetzen

Aus Sicht des Anbieters ist es wichtig, dass der Kunde den nächsten Teilschritt im Kaufprozess möglichst rasch fortsetzt. Unerwünscht ist, wenn der Kunde den Kaufprozess abbricht, indem er das Produkt nun doch nicht kaufen will oder zum Wettbewerber wechselt und dort in den Kaufprozess einsteigt.

Dazu muss ermittelt werden, welche Ereignisse im Kaufprozess oder welche Merkmale der Touchpoints dazu führen, dass der Kunde den Kauf abbricht. Diese müssen beseitigt werden. Zum Beispiel: Die Verkäuferin im Gartencenter kennt sich mit Ihrem Produkt nicht aus und führt deshalb das Produkt Ihres Konkurrenten vor.

Bekannt ist auch das Phänomen, dass ein Kunde im Kaufprozess wartet. Er sagt: „Ich überlege mir das noch einmal“. Dann sollte er mit Ködern dazu gebracht werden, den Kaufprozess fortzusetzen. Zum Beispiel: Für Ihr Produkt gibt es im Gartencenter nur diese Woche einen Rabatt.

Manchmal spielen sich die hemmenden oder beschleunigenden Schlüsselfaktoren beim Kunden im Unterbewussten ab. Das heißt, er kann gar nicht formulieren, warum er den Kaufprozess abbricht oder noch wartet. Auch solche Effekte sollten – so gut es geht – bei der Analyse der Customer Journey erkannt und dann behandelt werden.

Die folgende Abbildung zeigt, wie sich die Customer Journey mit ihren Phasen und Teilschritten visualisieren lässt und wie Touchpoints und Schlüsselfaktoren darin markiert werden können. Daraus lässt sich die sogenannte Customer-Journey-Map erstellen.

Abbildung: Die Customer Journey als Kaufprozess visualisieren
Praxis

Customer Journey beschreiben

Halten Sie in der folgenden Vorlage für Ihre typischen oder wichtigen Kaufprozesse und die Customer Journey fest:

  • welche Teilschritte der Kunde im Kaufprozess geht,
  • wo er mit Ihrem Unternehmen, den Produkten oder Ihrer Marke in Berührung kommt,
  • was er dabei feststellt oder erlebt,
  • welche Teilschritte oder Ereignisse kritisch sind für den Kaufprozess und den Kaufabschluss (Schlüsselfaktoren).

Fassen Sie die Customer Journey in einem Bild zusammen. Nutzen Sie dafür die folgende Vorlage als Grundlage für Ihre Visualisierung. Damit können Sie in Ihrem Team besser besprechen und analysieren, worauf Sie achten sollten.

Für die Visualisierung der Customer Journey als Prozess hat sich die Customer-Journey-Map etabliert. Dort werden die Phasen und Teilschritte des Kaufprozesses mit den Touchpoints verknüpft und die Schlüsselfaktoren markiert.

Dazu im Management-Handbuch

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